"Durchläuft der Mensch auch heute noch eine Evolution? Stammen wir vom Affen ab? Bringen Evolutionsprozesse eine stetige Verbesserung der Lebewesen mit sich?" Diese Fragen aus einem aktuellen Quiz der BBC weisen auf ein anhaltendes Interesse an der Entwicklung von Mensch und anderen Lebewesen hin. Doch wie viel Wissen darüber steckt wirklich in den Köpfen und wie sieht es mit der Akzeptanz der Evolutionstheorie aus?
Die Biologiedidaktikerin Anna Beniermann hat die Einstellungen zur Evolutionstheorie in einer repräsentativen Befragung im Rahmen ihrer Promotionsarbeit untersucht. Dabei interessierte sie auch, welche Missinformationen über die Entstehung und Veränderung der Lebensformen kursieren. Bei einem Vortrag der Reihe "Skeptics in the Pub" Köln, veranstaltet von der Kölner Regionalgruppe der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), gab Beniermann einen Überblick über ihre Forschungsarbeit und über die Kreationismus-Szene in Deutschland. Dazu war sie aus Nürnberg angereist, wo sie als Gesamtleiterin der gemeinnützigen turmdersinne GmbH tätig ist.
Ihre Arbeit liefert ein Stück Grundlagenforschung, das vor allem in methodischer Hinsicht neue Wege geht. Eine bedeutende Erkenntnis: "Welche Antwort man bekommt, hängt davon ab, wie man die Frage formuliert." So zeigte sich, dass Aussagen, bei denen Gott für die Entstehung und Entwicklung des Lebens explizit ausgeschlossen wird, geringere Zustimmungswerte erhalten als solche, in denen der Begriff "Gott" gar nicht erst erwähnt wird. Bei einer fowid-Befragung 2005 bejahten immerhin 25 Prozent der Befragten die folgende Aussage:
"Das Leben auf der Erde wurde von einem höheren Wesen bzw. von Gott erschaffen, durchlief aber einen langwierigen Entwicklungsprozess, der von einem höheren Wesen bzw. von Gott gesteuert wurde."
Vertritt also ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland die pseudowissenschaftlichen Thesen des "Intelligent Design", das unter dem Deckmantel von Wissenschaft den Schöpfungsglauben als gleichwertige Theorie verkauft? Wohl kaum, vermutet Beniermann. Viel eher dürften die Befragten eine "theistische Evolution" im Sinn haben, bei der Gott im Evolutionsprozess in irgendeiner Form "seine Finger im Spiel" hat – eine Vorstellung, die viele Gläubige hierzulande teilen.
Um solche Verzerrungen zu verhindern, hat Beniermann den Konflikt zwischen den Antwortalternativen Gott und Evolution in ihrer Befragung bewusst vermieden. So ergibt sich ein geringer Anteil von etwa 2–4 Prozent der Befragten, die die Evolutionstheorie im Allgemeinen ablehnen. Anders sieht es aus, wenn es speziell um die Einstellung zur Entstehung des menschlichen Bewusstseins geht. So waren 6–12 Prozent der Befragten der Ansicht, dass es nicht durch Evolution entstanden sein könne und 40–47 Prozent zeigten weder eine große Ablehnung noch stimmten sie einer Evolution des Bewusstseins zu – offenbar Personen, die Gehirn und Geist als getrennte Phänomene betrachten. Ein prägnantes Beispiel, wie eng die Akeptanz oder Ablehnung wissenschaftlicher Vorstellungen mit dem Selbstbild verknüpft sind.
Gleichwohl existiert auch in Deutschland eine Szene der "harten" Kreationisten mit meist evangelikalem Hintergrund, die Beniermann im Vortrag ebenfalls vorstellte. Die Studiengemeinschaft Wort und Wissen etwa betreibt sogenannte "Schöpfungsforschung" auf Grundlage der Bibel und will den Schöpfungsglauben neben der Evolutionstheorie als gleichberechtigte Sichtweise verstanden wissen. Dasselbe Ziel verfolgt der Verband Evangelischer Bekenntnisschulen (VEBS), dem über 90 Privatschulen in ganz Deutschland angehören. Weitere bedeutende Player sind evangelikale Jugendorganisationen wie "Soulsaver" und "Nightlight". Unter den muslimischen Fundamentalisten ist vor allem Adnan Oktar zu nennen, der unter dem Pseudonym "Harun Yahya" einen "Atlas der Schöpfung" veröffentlicht hat und kostenlose Exemplare des opulent ausgestatteten Werks verteilt.
Einig sind sich die Kritiker in der Ansicht, die Evolutionstheorie sei lediglich eine Erklärung unter vielen, eben "bloß eine Theorie". Ein grobes Missverständnis, wie Anna Beniermann erklärt, denn im Gegensatz zur Alltagssprache versteht man in der Wissenschaft unter einer Theorie nicht etwa eine vage Vermutung, sondern eine sehr gut durch Belege untermauerte Erklärung für ein Phänomen. Kurz:"Eine wissenschaftliche Theorie ist das Beste, was wir haben."
Auch solche Grundlagen der Wissenschaftstheorie kommen offenbar noch zu selten im Schulunterricht vor. Nach Beniermanns Ansicht besteht eine zentrale Aufgabe der Schulen darin zu vermitteln, wie Wissenschaft funktioniert. Dennoch sei es mit bloßer Wissensvermittlung nicht getan. So zeigte sich bei ihrer Befragung von Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 7 nur ein geringer Zusammenhang zwischen Wissen und Zustimmung zur Evolution.
Im Unterricht müssten die Unterschiede zwischen wissenschaftlichen Inhalten und persönlichen Glaubensüberzeugungen berücksichtigt werden, so Anna Beniermann. Sonst geraten gläubige Schülerinnen und Schüler leicht in einen Loyalitätskonflikt zwischen Wissenschaft und persönlicher Glaubensüberzeugung, ähnlich wie bei der fowid-Befragung – jedoch im Rahmen einer Bildungskarriere weitaus wirkmächtiger. Beniermann: "Es hilft, darüber zu sprechen, wie man mit dem Konflikt umgeht."
13 Kommentare
Kommentare
Dr. Q am Permanenter Link
Was ist "skeptic" an Beniermann, wenn sie die orthodoxe Lehrmeinung Neodarwinismus durchpeitscht. Sie ist eine Orthodoxe, keine Skeptikerin.
Peter Bordych am Permanenter Link
Ein Vorgang, der durch "Zufall" zustande kommt, kann per se nicht demonstriert werden, da eine Demonstration die vorsätzliche Herbeiführung bestimmter (geplanter) Veränderungen oder Zustände durch Manipulati
H. Lambert am Permanenter Link
Komische Sprache, komische Argumentation.
Was ist vernünftig daran, die noch nicht gelöste Frage der Entstehung von Bewusstsein, durch ein Wort (Gott) zu ersetzen. Da wäre ich skeptisch!
Siegbert am Permanenter Link
Zufall ist etwas, was wir tagtäglich beobachten und erfahren können.
Man muss jedenfalls schon besonders skeptisch sein, um den Zufall überall in der Welt nicht zu sehen. Nun befasst sich aber die Synthetische Evolutionstheorie (nicht gleichzusetzen mit Neodarwinismus) gar nicht mit der sogenannten Chemischen Evolution, sondern umfasst nur die Biologische Evolution, d.h. die Entstehung und Veränderung der verschiedenen Arten der Lebewesen aus einem ersten Lebewesen. Vom Grundprinzip der Naturwissenschaften her ist aber sowohl die Entstehung als auch die Weiterentwicklung des Lebens durchaus in einen Topf zu werfen, nämlich dass man nicht davon ausgeht, dass Zauberei einen Einfluss hat oder gehabt hat. Sondern dass man durch genaue Beobachtung der gegenwärtigen Welt letztlich Rückschlüsse ziehen kann, wie das alles funktioniert und entstanden ist. Also Skepsis gegenüber bloßen Behauptungen ohne Erklärungen, wie es bei Zauberei zum Beispiel der Fall wäre.
Das Wunderbare ist ja: Wir müssen nicht das eine oder andere glauben, z.B. wie das Leben entstanden sein könnte, sondern wir können versuchen, die Dinge zu prüfen. Und noch besser ist, wie weit man damit kommen kann, also dass man nämlich so weit kommt, wo wir heute stehen, auf der Basis einer unglaublichen Arbeit sehr vieler Menschen über einen langen Zeitraum. Wenn das noch nicht ehrfurchtgebietend genug ist, dann vielleicht die Erkenntnisse, die wir so gewonnen haben, über die Zeiträume und wunderbaren Vorgänge, mit denen sich die Biologie und Geologie der Erde befassen.
Ja, es gibt eine Lehrmeinung, es gibt ein "Regime", nämlich in den Naturwissenschaften die Skepsis gegenüber bloßen Behauptungen.
Sven F am Permanenter Link
"Neodarwinismus"?
Wer "glaubt" an sowas? Wir haben eine moderne, exzellent belegte synthetische Theorie der Evolution.
""ch als Skeptiker glaube solange nicht an spontane Entstehung des Lebens durch Zufall,"
Und was genau hat eine Theorie der Entstehung der Arten (was Evolution ist) mit einer Theorie der Entstehung des Lebens zu tun?
Uli am Permanenter Link
Die Frage, ob es Gott gibt bzw. ob er die Welt erschaffen hat, kann nicht naturwissenschaftlich geklärt werden.
Klemens am Permanenter Link
Um Ihre Frage zu klären, müsste man zunächst einmal "Gott" definieren.
Uli am Permanenter Link
Für eine naturwissenschaftliche Definition Gottes gilt, was ich schon oben gesagt habe: sie ist nicht möglich.
(Ihre Feststellung, die Religionsführer würden von Gott profitieren und ihnen deshalb eine verminderte Glaubwürdigkeit unterstellen, ist lediglich Polemik und trägt nicht zur Klärung der Frage bei. Schopenhauer meinte: Der einzige Mann, der nicht ohne Frauen leben kann, ist der Frauenarzt. Prinzipiell kann man natürlich die Wörter "Frauen" und "Frauenarzt" durch "Gott" und "Theologe" ersetzen, naja.
Sven F am Permanenter Link
"Für eine naturwissenschaftliche Definition Gottes gilt, was ich schon oben gesagt habe: sie ist nicht möglich."
Das haben Sie jetzt zweimal behauptet, aber bisher nicht belegt.
So sieht ein Argument ist:
Prämissen:
1) Wenn es einen Gott gibt, muss er auch irgendwelche Eigenschaften haben.
2) Wenn er irgendwelche Eigenschaften hat, kann man testen, ob unsere Welt diesen Eigenschaften entspricht.
3) Ein Test der Welt ist Naturwissenschaft.
Schlussfolgerung:
Jeder Gott ist naturwissenschaftlich überprüfbar.
So, jetzt bringen Sie mal bitte Ihr Argument.
"Für die metaphysische Definition ist das wesentliche, dass Gott "da ist", dass er existiert - der Rest ist von untergeordneter Bedeutung."
Absolut gar nicht. Weil schließlich der Großteil der Weltbevölkerung ihr Verhalten nach den angeblichen Eigenschaften ihres Gottes ausrichtet. Das Wesentlich für unser tägliches Zusammenleben ist also alles andere als nur die Existenz eines Gottes.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Da besteht ein riesiger Handlungsbedarf, denn Glauben und Wissen sind ein eklatanter
Gegensatz, denn nur wer weiss kann richtig handeln alles andere ist Gefühlssumpf.
Peter Bordych am Permanenter Link
Die Abgrenzung von Glauben und Wissen finde ich problematisch, die Zuordnung von Gefühlen zu Glauben (Nicht-Wissen) ebenfalls.
Sven F am Permanenter Link
Natürlich können sich Axiome aber indirekt bewähren, wenn ein auf ihnen errichtetes Gedankengebäude stimmig die Welt erklärt.
Nun zeige mir mal jemand einen religiösen Glauben, der das vermag.
Dann sind Axiome und Glauben wieder auf dem gleichen Level.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Axiome sind feststehende Wahrheiten Laut Duden und keine Glaubensartikel