Max Sievers zum 75. Todestag

Freidenker und Freiheitskämpfer

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Grabmal von Max Sievers auf dem Urnenfriedhof Gerichtstraße (Berlin-Wedding)
Grabmal von Max Sievers

Am 17. Januar 1944 wurde der Freidenker, Sozialdemokrat und Antifaschist Max Sievers in Brandenburg/Havel ein Opfer der Nazi-Diktatur. Max Sievers gehört zu den bedeutenden Vertretern unserer humanistischen und freiheitlichen Traditionen. Er setzte sich stets für ein starkes Bündnis aller freigeistigen und humanistischen Organisationen ein und wirkte an der Spitze der "Reichsarbeitsgemeinschaft freigeistiger Verbände der deutschen Republik" aktiv mit. Anlässlich seines diesjährigen 75. Todestages ehrt der Humanistische Freidenkerbund sein Leben und Wirken gegen extremistisches Denken und Handeln, für das Zusammenwirken der demokratischen Kräfte und freigeistigen Gemeinschaften in Deutschland, für Humanität und freies Denken.

Am 11. Juli 1887 wurde Max Sievers in Berlin-Tempelhof in eine Arbeiterfamilie geboren. Aufgrund seiner sozialistischen Grundauffassungen und seiner Erfahrungen im 1. Weltkrieg engagierte er sich politisch, nahm aktiv an der Novemberrevolution 1918 teil und wurde 1919 auch Abgeordneter in Berlin. Er setzte sich mit seinem ganzen Wirken als späterer Vorsitzender des Freidenkerverbandes und als sozialdemokratischer Abgeordneter gegen Unfreiheit und Ausgrenzungen Andersdenkender, für die Gleichbehandlung aller Menschen unabhängig von konfessioneller und politischer Bindung, für die Trennung von Staat und Kirche, für Demokratie und Humanismus ein.

Die Freidenkerbewegung in Deutschland ist mit dem Namen Max Sievers eng verbunden. Am 1. Oktober 1922 wurde Sievers Geschäftsführer des 1905 in Berlin gegründeten Vereins der Freidenker für Feuerbestattung. Er veröffentlichte 1923 die Schrift "Warum Feuerbestattung?", startete 1925 die Herausgabe des Freidenker-Zentralorgans "Der Freidenker" und wurde 1927 zum Verbandsvorsitzenden der deutschen Freidenker gewählt. 1930 wurden die Freidenker in "Deutscher Freidenker-Verband" umbenannt, der sich in der Weimarer Republik zu einer großen Kulturorganisation und Weltanschauungsgemeinschaft mit über 600.000 Mitgliedern entwickelte. 1933 wurde der "Deutsche Freidenker-Verband" von den Nazis verboten.

Max Sievers
Max Sievers, Foto: Kulturhistorisches Archiv des Humanistischen Verbands Deutschland, Landesverband Berlin-Brandenburg

Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 wurde Sievers im Berliner SA-Gefängnis Papestraße in "Schutzhaft" genommen, wo er misshandelt wurde. Im April 1933 wurde er überraschend freigelassen und emigrierte nach Brüssel. Am 23. August 1933 vollzog Deutschland die Ausbürgerung Sievers' – er war eine der 33 Persönlichkeiten, die auf der am 25. August veröffentlichten Ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs von 1933 standen. Sievers arbeitete unterdessen weiter. Von Saarbrücken aus erschien weiterhin "Der Freidenker". Nach dem Sieg der Nationalsozialisten bei der Volksabstimmung im Saargebiet 1935 gab er von Brüssel aus die Sievers-Korrespondenz (SIKO) und ab Anfang 1937 die Wochenzeitung "Freies Deutschland" heraus. Alle diese Publikationen wurden illegal in Deutschland verbreitet. Sein immer stärker werdendes antifaschistisches Engagement machte ihn zu einem Teil des politischen Widerstandes.

Sievers und seine Mitarbeiter agitierten gegen die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus, kritisierten das Konkordat des Vatikans mit Hitlerdeutschland von 1933 als Bündnis des Römisch-katholischen Klerus mit den Nationalsozialisten, warben für Widerstand und den Sturz des Regimes. Nach Sievers' Überzeugung müsste nach dem Sieg über den Nationalsozialismus eine sozialistisch-demokratische Ordnung in Form einer Rätedemokratie folgen. In seinem Buch "Unser Kampf gegen das 'Dritte Reich'" von 1939 führte er diese Überlegungen aus. Er übte scharfe Kritik an der Politik von SPD und KPD in den Jahren vor 1933. Im Februar 1939 emigrierte das Ehepaar Sievers in die USA, kehrte aber im selben Jahr zurück nach Belgien, nachdem die Schweiz das Visum verweigert hatte.

Am 17. Mai 1940 besetzte die deutsche Wehrmacht Brüssel und Sievers wurde verhaftet. Er konnte fliehen und versteckte sich mit seiner belgischen Frau unter falschem Namen in Chéreng in Nordfrankreich. Er wurde enttarnt und am 3. Juni 1943 durch die Gestapo verhaftet. Am 17. November 1943 wurde Max Sievers vom Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Roland Freisler wegen sogenannter Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung zum Tode verurteilt. Freisler begründete das Todesurteil gegen Max Sievers wie folgt: "Wenn ... Sievers meint, sein Verschulden bestehe darin, daß er anders ist als der Nationalsozialismus, so ist das völlig gleichgültig. Auch das ist ein Verschulden, wenn man diesem Anderssein gegen den Nationalsozialismus Ausdruck verleiht. ... Eine andere politische Weltanschauung, noch dazu feige vom Ausland mit den Mitteln der Gewalt und der Zersetzung unserer Wehrmacht propagieren; zu organisatorischem Zusammenschluß um der Erreichung dieses Ziels aufrufen, uns die Welt als Feinde auf den Hals hetzen, indem man uns als Friedensstörer, Kriegstreiber und kulturlose Barbaren hinstellt, das ist solcher Verrat am deutschen Volke, daß er nur mit dem Tode gesühnt werden kann." Diese Worte sprechen für sich, für das menschenverachtende System und die antihumanistische, faschistische Ideologie.

Im Zuchthaus Brandenburg-Görden wurde Max Sievers nach zweimonatiger Vollstreckungshaft von den Nazis mit dem Fallbeil hingerichtet.

Erst im Februar 1946 konnte seine Urne auf dem Friedhof in Berlin-Wedding in der Gerichtstraße 38 beigesetzt werden. Am 10. Februar 1952 errichtete die Stadt Berlin für Max Sievers ein Ehrengrab.

Das Landgericht Berlin hat erst Ende 1996 das Todesurteil aufgrund seiner Rechtswidrigkeit aufgehoben und Max Sievers ausdrücklich als Teil des politischen Widerstandes gegen den Faschismus gewürdigt.