30. Januar 1933: Machtübernahme Hitlers

"Führer befiehl, wir folgen Dir…"

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Reichskanzler Adolf Hitler verneigt sich vor Reichspräsident Paul von Hindenburg, (Potsdam, 21. März 1933)
Reichskanzler Adolf Hitler verneigt sich vor Reichspräsident Paul von Hindenburg, (Potsdam, 21. März 1933)

Am 30. Januar 1933 wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt. Durch Terror und halblegale Methoden war den Nationalsozialisten in kürzester Zeit die Ausschaltung des Rechtsstaats und der Übergang zur Diktatur gelungen. Juden und politische Gegner sahen sich Terror und Willkür ausgeliefert. Die Mehrheit der Deutschen hat der Tyrannei zugestimmt. Mehr noch: sie beteiligte sich aktiv daran.

Es ist ein nasskalter Wintertag in Berlin, der 30. Januar 1933. Joseph Goebbels notiert in seinem Tagebuch, "Es ist fast ein Traum! Die Wilhelmstraße gehört uns. Der Führer arbeitet bereits in der Reichskanzlei." Ein großer Tag für die Partei – und für Goebbels. Nach dem Rücktritt des bisherige Reichskanzlers Kurt von Schleicher war die Wahl des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg auf Hitler gefallen. Formal war die Ernennung zum Reichskanzler durchaus legal, aber der Verfassung der ersten deutschen Republik entsprach sie nicht. Schon in den Jahren zuvor war die Verfassung durch die Praxis der Präsidialkabinette, die nur mit der Notverordnungsautorität des Reichspräsidenten regierten, unterhöhlt und de facto außer Kraft gesetzt worden. Das gewählte Parlament war seither von den politischen Entscheidungen ausgeschlossen: die Weimarer Republik schon vor der Machtübernahme Hitlers von einer parlamentarischen Demokratie zur Diktatur mutiert.

Nun gingen die Nationalsozialisten daran, die neu gewonnene Macht zu festigen, um sie nie mehr aufzugeben. Ihr Ziel: Deutschland radikal umgestalten. Nur drei Tage nach seiner Ernennung zum Reichskanzler erklärte Hitler vor den Befehlshabern des Heeres und der Marine die Marschroute: "Ziel der Gesamtpolitik ist die völlige Umkehrung der gegenwärtigen innenpolitischen Zustände in Deutschland. Keine Duldung der Betätigung irgendeiner Gesinnung, die diesem Ziel entgegen steht … Wer sich nicht bekehren lässt, muss gebeugt werden… Ausrottung des Marxismus mit Stumpf und Stiel. Beseitigung des Krebsschadens der Demokratie!" Starke Worte, klare Absichten – und kalkulierte Einschüchterungen und Androhungen. Es herrschte ein neuer Ton in Berlin.

Am 1. Februar löste Reichspräsident Hindenburg den Reichstag auf und beraumte Neuwahlen für den 5. März an. Sie sollten mit einem demonstrativen Sieg für die Nationalsozialisten enden, dafür wurde alle staatliche Macht eingesetzt. "Kampf gegen den Marxismus" hieß die Wahl-Parole, alle Mittel waren dabei erlaubt. Gegendemonstrationen von SPD und KPD wurden gestört oder ganz verboten, deren Zeitungen konnten tagelang nicht erscheinen, Wahlplakate wurden überklebt. Daneben setzte bereits die staatliche Verfolgung ein. Der Feind stand links. Da kam der Reichstagsbrand vom 27. auf den 28. Februar 1933 der neuen Regierung gerade recht. Es war Brandstiftung. Ein politisch links orientierter junger Arbeiter mit niederländischem Pass wurde am Tatort festgenommen. Sein Name: Marinus van der Lubbe. Bis zu seiner Hinrichtung – er wurde am 23. Dezember1933 durch das Reichsgericht in Leipzig wegen "Hochverrats in Tateinheit mit vorsätzlicher Brandstiftung" zum Tode verurteilt; das Urteil knapp drei Wochen später vollstreckt – beharrte van der Lubbe darauf, den Reichstag allein in Brand gesetzt zu haben. Seine Alleintäterschaft schien unwahrscheinlich, doch für die Nationalsozialisten bot die "Lex van der Lubbe" eine willkommene Rechtfertigung, gegen Anhänger von KPD und SPD massiv vorgehen zu können. Über den Verdacht einer unmittelbaren Tatbeteiligung der Nationalsozialisten wollte niemand mehr öffentlich sprechen.

Noch am Nachmittag des 28. Februars unterschrieb Reichspräsident Hindenburg eine "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat", mit der wesentliche Grundrechte der Verfassung wie Freiheit der Person, die Unverletzbarkeit der Wohnung, das Post- und Telefongeheimnis, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit außer Kraft gesetzt wurden. Jetzt begannen die Verhaftungen nach vorbereiteten Listen. Tausende Kommunisten und Sozialdemokraten wurden festgenommen und interniert. Bis zum Ende des NS-Regimes sollte diese "Reichstagsbrandverordnung" die formale Legitimation der Gestapo für deren Verhaftungen und Verfolgungen Gültigkeit haben.

Trotz des Terrors gelang der NSDAP bei den Wahlen am 5. März 1933 nicht der erwartete Erfolg. Zwar steigerten die Nationalsozialisten ihren Anteil noch einmal beachtlich und erhielten 43,9 Prozent der Stimmen, aber die erhoffte absolute Mehrheit errangen sie nicht. Die NSDAP blieb auf die Stimmen der Deutschnationalen angewiesen. Das katholische Zentrum (14 Prozent) und die Sozialdemokraten (18,3 Prozent) konnten trotz Unterdrückung immerhin ihren Stimmenanteil halten und selbst die KPD bekam noch 12,3 Prozent der Stimmen. Dennoch: die Wahlerfolge der NSDAP waren eindeutig, vor allem in Nord- und Ostdeutschland, wo sie deutlich über 50 Prozent der Stimmen bekam. Zusammen mit der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot, einem von der DNVP dominierten Wahlbündnis, hatte die Regierung nach der Wahl eine parlamentarische Mehrheit und konnte darauf gestützt den Weg in die Diktatur ebnen.

Deutschland war jetzt ein "Führerstaat" und die Mehrzahl der Deutschen hatte den Führer gewählt. Und sie wollten dabei sein, beim nationalen Aufbruch in ein neues "Tausendjähriges Reich". Wer noch kein Nationalsozialist war, wollte es werden. Hatte die NSDAP im Januar 1933 noch rund 850.000 Mitglieder besessen, beantragten nach dem 30. Januar und vor allem nach dem 5. März Hunderttausende die Aufnahme in die Partei. Bei einem Stand von 2,5 Millionen Mitgliedern musste die Parteiführung zum 1. Mai erst einmal einen Aufnahmestopp verfügen.

Ein Reich, ein Volk, eine Partei. Deutschland unterm Hakenkreuz.

Die kollektive Losung: "Führer befiehl, wir folgen Dir…". Joseph Goebbels, mittlerweile Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, trug dieser nationalen Stimmungslage Rechnung. Er organisierte und zelebrierte die Dramaturgie der neuen Macht. So die Eröffnung des neuen Reichstages – ohne die sozialdemokratischen und kommunistischen Abgeordneten – am 21. März in der Potsdamer Garnisonskirche: ein Tag der nationalen Einigung mit Festgottesdienst, Salutschüssen und Aufmarsch von Reichswehr, SA und SS. Dazu das Bild des Kanzlers, der sich ehrerbietig vor dem greisen Reichspräsidenten verbeugt, der Handschlag zwischen dem Gefreiten und dem Feldmarschall, das war der Höhepunkt der Goebbels'schen Inszenierung. Die Mehrheit der Deutschen war beglückt ob der Bilder und bejubelte Hitler. Aufmärsche, Fackelzüge, Freudentaumel von Kiel bis Berchtesgaden. Die deutschen Volksgenossinnen und Volksgenossen arrangierten bereitwillig. Mehr noch: sie beteiligten sich aktiv daran. Als Parteimitglied, Beamter und Soldat.

30. Januar 1933: Ein System von Gewalt, Willkür und Wahn nahm seinen Anfang. Mit deutscher Gründlichkeit wurde geplant, organsiert, vollstreckt. Gleichschaltung, Ausschaltung, Verfolgung. Rassenlehre, Blutschutzgesetze, Bücherverbrennung, Euthanasie, Konzentrationslager. Angriffskriege, die Ermordung von Millionen jüdischer Menschen – der Holocaust. Hitlers Deutschland, ein Zivilisationsbruch.

Nein, Hitler war nicht über die Deutschen gekommen, die Deutschen waren zu Hitler gekommen. Sie hatten ihn gewählt, verehrt und bejubelt. Bis zum Untergang.

Von Helmut Ortner erschien zuletzt: Volk im Wahn, Hitlers Deutsche oder: Die Gegenwart der Vergangenheit, Edition Faust, 294 Seiten, 22 Euro

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