Steffen Lehndorff beschreibt in seinem kurzen Buch "New Deal heißt Mut zum Konflikt. Was wir von Roosevelts Reformpolitik der 1930er Jahre heute lernen können" auf engem Raum die Politik, welche die damalige US-Regierung gegen die Weltwirtschaftskrisenfolgen unternahm. Kenntnisreich werden die verschiedenen Aspekte der damaligen Reformmaßnahmen, auch bezogen auf die Interaktion von Regierung und Volk, thematisiert, woraus durchaus Merkmale für eine tragfähige Reformpolitik ableitbar wären.
Um tiefgreifende Krisen zu überwinden, sind staatliche Investitionsprogramme wieder "in". Dies merkt man bei der aktuellen Frage, wie die Corona-Krisenfolgen angegangen werden sollen. Bereits zuvor war von einem "Green Deal" die Rede, um gegen die Folgen der Klimaentwicklung anzugehen. Diese Formulierung spielt auf ein historisches Projekt an: den "New Deal" der Roosevelt-Regierung in den USA. Bekanntlich wurde Franklin D. Roosevelt dort 1933 Präsident und musste die Folgen der Weltwirtschaftskrise bekämpfen. Dies geschah durch ein breit angelegtes Reformprogramm, das auch, aber nicht nur auf staatliche Investitionen in die Wirtschaft setzte. Der damalige Erfolg verdient gegenwärtiges Interesse, denn aus der Geschichte kann man für heutige Politik etwas lernen. Dies meint auch Steffen Lehndorff, Research Fellow am Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Entsprechend betitelt ist sein Buch "New Deal heißt Mut zum Konflikt. Was wir von Roosevelts Reformpolitik der 1930er Jahre heute lernen können".
Diese bewertet der Autor wie folgt: "Es war ein fortschrittlicher gesellschaftlicher Auf- und Umbruch, wie es ihn in den USA noch nicht gegeben hatte. Als die Roosevelt-Regierung nach über drei Jahren Großer Depression im März 1933 mit ihrer Arbeit begann, herrschten Massenarmut und tiefe Resignation. Doch dann wurde innerhalb weniger Wochen ein riesiges Wiederaufbau-Programm in Gang gebracht, und zwar auf Wegen und mit Instrumenten, die bis dahin zumindest in Friedenszeiten und mit demokratischen Mitteln noch nie erprobt worden waren" (S. 8). Wie das genau geschah, wird auf engem Raum beschrieben. Dabei macht der Autor deutlich, dass es keinen "Masterplan" für die Reformpolitik gab: "Alles war neu und fast alles war umstritten – auch innerhalb der Regierung. Nichts war perfekt, und einiges endete in Halbheiten und Misserfolgen." Entscheidend sei dabei gewesen, "dass der Funke des energischen Handelns ermutigend von der Regierung auf große Teile der Bevölkerung übersprang" (S. 15 und 20).
Es habe sich bei alldem auch um eine demokratische Dynamik gehandelt. Dabei scheute man auch nicht den Konflikt mit den Wohlhabenden, was an den späteren Steuergesetzen deutlich wurde. Von zentraler Bedeutung für die dynamischen Reformen sei gewesen: "Der Mut der Regierung zu einer Konfrontationspolitik gegenüber den mächtigsten Interessengruppen des Finanz- und Großkapitals" (S. 61). Ein damit einhergehender Konflikt wäre ursprünglich nicht erwünscht gewesen, habe sich aber angesichts der sozioökonomischen Gegebenheiten nicht vermeiden lassen. Genau dies meint der Autor auch mit dem Titel: "New Deal heißt Mut zum Konflikt". Was man hier für die Gegenwart aus der Geschichte lernen kann, fasst er am Ende in sechs Stichworten zusammen: das "tabufreie Suchen nach Lösungen", die "demokratische Führungsstärke", "Reformprojekte mit Symbolkraft", "Ausbau der öffentlichen Infrastruktur", "wechselseitige Verstärkung von Regierungspolitik und gesellschaftlichem Veränderungsdruck" und "Konfliktbereitschaft" (S. 82 bis 87).
Dem Autor gelingt es, die wichtigsten Informationen zum "New Deal" auf engem Raum zusammenzutragen. Dabei betont er immer wieder die Möglichkeiten staatlicher Reformpolitik, um eben grundlegende ökonomische Krisen anzugehen. Es wird aber auch deutlich, dass es dazu mit der Gesellschaft eine entsprechende Interaktion geben muss. All dies setzt die Bereitschaft zur Gestaltung und demnach zur Veränderung voraus. Aus diesen Ereignissen kann man sehr viel für die Orientierung der aktuellen Politik lernen und insofern ist die Aufmerksamkeit für den "New Deal" nicht nur von historischer Relevanz. Lehndorff hätte indessen noch auf Kritik eingehen können, welche es in der Forschungsliteratur zum Thema gibt. Da wird auf die herausragende Bedeutung des Krieges für die Wirtschaftsdynamik abgestellt. Hierzu gibt es bei dem Autor nur einen kurzen Hinweis (vgl. S. 80). Und dann entspricht Roosevelts Politik auch Poppers "Stückwerktechnologie", was eine interessante Beobachtung ist. Es handelt sich um ein kurzes aber wichtiges Buch.
Steffen Lehndorff, New Deal heißt Mut zum Konflikt. Was wir von Roosevelts Reformpolitik der 1930er Jahre heute lernen können. Eine Flugschrift, Hamburg 2020 (VSA-Verlag), 94 Seiten, 10,00 Euro