Die Marienwallfahrt in Kevelaer soll Weltkulturerbe werden

Das Gespenst der Säkularisation

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Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst der Säkularisation. So könnte man – frei nach einem Wort von Karl Marx – die Angst der Kirchen bezeichnen, die sich im Klerus angesichts leerer Gotteshäuser breit macht.

Die Idee, die Marienwallfahrt im niederrheinischen Kevelaer zum nationalen und vielleicht zum immateriellen Weltkulturerbe erheben zu wollen, ist ein Beweis für diese Sorge, die sich sogar in der Begründung des Antrages wiederfindet, wie die Rheinische Post erfahren haben will. "Die zunehmende Säkularisierung der westeuropäischen Gesellschaften führt vielerorts zu einer zunehmenden Abkehr in der kirchlichen Gemeinschaft“, heißt es dort.

Nun ist Kevelaer durch die Wallfahrt eher noch "gut katholisch" aufgestellt, jedes Jahr besuchen um die 800.000 Menschen die Stadt, wobei bezweifelt werden muss, ob das alles reine Pilger sind, die allein zum Beten kommen. Bis vor kurzem konnte man in dieser Stadt jeden Sonntag ganz gut einkaufen, auch wenn man so gar nicht an Marienverehrung und Heiligenkult interessiert war. Trotz der "vom Herrn verordneten" Sonntagsruhe, die in Deutschland Gesetz ist, waren viele Läden geöffnet. Das Argument der Allianz aus Stadt und Wallfahrtsleitung oder anders formuliert - Staat und Kirche – war, dass man die Pilger versorgen muss. Das beinhaltete dann außer den gastronomischen Einrichtungen und Devotionalienläden auch Schuhgeschäfte, Modeanbieter und andere, nicht dem geistlichen Sektor zuzurechnende, Läden. Der hpd berichtet bereits über diesen unheiligen Kommerz. Damit soll es nun vorbei sein, auch in Kevelaer soll künftig gelten: Einkaufen am Sonntag ist nicht!

Angesicht dieser Lage scheint es für die Verantwortlichen an der Zeit zu sein, neue Geschütze aufzufahren. Sollte es gelingen, die Marienwallfahrt Kevelaer in die nationale Liste des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen, hätte man vielleicht eine bessere Ausgangslage für Verhandlungen mit den Gesetzeshütern. Doch zunächst muss das Verfahren durchlaufen werden, welches dauern kann und es nicht sicher ist, ob dem Antrag bis zum Festjahr "375 Jahre Kevelaer-Wallfahrt" im Jahr 2017 oder überhaupt stattgegeben wird. In derartigen Fällen ist es ratsam, sich einen Lobbyisten zu suchen, welcher im Hintergrund etwas Druck macht.

Hilfe kommt in Sachen Wallfahrt aus der Politik. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) setzt sich ein und soll bereits ein mehrseitiges Empfehlungsschreiben verfasst haben. Unterstützung kommt zudem aus den eigenen Reihen, denn auch der Vorsitzende der Deutsche Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx plädiert für das Begehren aus Kevelaer.

Dass Menschen Orte aufsuchen, um Kraft zu tanken, Ruhe zu finden oder dem Alltagstress für eine Weile zu entfliehen, ist unabhängig von der Weltsicht eine ganz normale Sache. Für den religiösen Menschen ist es dann eben die Stille einer Kirche. Diese, von Menschen geschaffenen Orte und anderer in der Natur sollten ihre Stille und Abgeschiedenheit bewahren können und nicht zu Orten degeneriert werden, die eher Zirkusveranstaltungen gleichen.

In Kevelaer gibt es diesen Zirkus bereits, denn neben den "normalen" Pilgern, wird eine – alles andere als stille – Motorradwallfahrt veranstaltet, neben der Wallfahrt der Tamilen und der der Karnevalisten gibt es auch eine Dackelwallfahrt. Bei dieser Veranstaltung laufen Herrchen und Hund den Kreuzweg. Wer dabei andächtiger ist, wird ein Geheimnis bleiben.

Auch die zuletzt genannte Veranstaltung würde dann Teil des immateriellen Kulturerbes und das in Kevelaer ansässige Fachgeschäft für Tierbedarf dürfte möglicherweise zur Versorgung "religiöser" Dackel öffnen.

Das immaterielle Kulturerbe ist übrigens nicht so ideell, wie es den Anschein hat. Hinter diesen Bemühungen stehen sowohl handfeste wirtschaftliche Interessen auf Seiten der Institution Kirche als auch der Stadt Kevelaer, die den Wirtschaftsfaktor Wallfahrt nicht nur erhalten sondern ausbauen möchte. Ob hinter den teilweise schon skurril anmutenden Angeboten ein spiritueller Hintergrund steht, scheint angesichts des Geldes, welches die Wallfahrt in die Kassen spült, zweitrangig zu sein.

Dem Entscheidungsgremium, das auch den Antrag aus Kevelaer zu bearbeiten hat, gehören bis zu 114 Mitglieder an. Neben Angehörigen des Deutschen Bundestages, Vertretern der Bundesregierung etc. auch gewählte Vertreter von Institutionen und Experten. Nicht zu finden sind bis heute die Vertreter von säkularen Organisationen und Vereinen.

Das zu ändern, daran sollte man arbeiten – der Kultur zuliebe!