Einmal als Hexe verschrien, bleibt Frauen in Ghana meist nur die Flucht in sogenannte Hexencamps. Dort herrscht Mangel an allem, was zum Leben benötigt wird. Obwohl die Politik es seit Jahren verspricht, ändert sich nichts. Die Betroffenen fristen ein elendes Leben. Eine Studie belegt das Ausmaß des Leidens und legt einen Forderungskatalog vor.
Sie sind alt, gebrechlich und werden für ihre Gemeinschaft zur Belastung. Ältere Frauen bei schlechten Ernten, Erkrankung einer anderen Person im Dorf oder sterbendem Vieh als Hexe und somit Schuldige zu bezeichnen und aus dem Ort zu jagen, ist daher nicht selten eine Lösung. Eine mehr als schlechte Zuflucht finden die Frauen – nur sehr selten treffen die Anschuldigungen auch Männer – in sogenannten Hexencamps. Mindestens sechs dieser Camps gibt es in Ghana. Und nur von März bis Anfang August 2022 wurden wieder zehn Frauen allein in ein Camp verbannt. Die Hexencamps sind Orte, an denen die Frauen, teilweise von jüngeren Frauen ihrer Familie zur Versorgung begleitet, meist ohne Strom, fließendes Wasser und ausreichende Ernährung leben müssen. Seit vielen Jahren wird nicht nur die Forderung einer menschenwürdigen Lösung für die Hexencamps an die Politik herangetragen, auch Politiker*innen fordern selbst ein Ende der Camps. Ein Plan zur Umsetzung mit Zeitangaben, Maßnahmen und Finanzierung wurde bisher jedoch nicht veröffentlicht.
Menschenrechtsorganisationen versuchen, die Not in den Camps zu lindern und bieten zum Beispiel Hilfe für die mentale Gesundheit der Bewohnerinnen an. Zu ihnen gehören unter anderem Actionaid Ghana und Songtaba. Actionaid hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich für soziale und Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen und gegen die Armut zu kämpfen. Einen Schwerpunkt bildet dabei der Einsatz gegen die Hexenbeschuldigung und die Hexencamps. Im Andenken an Akua Denteh, die 2020 als 90-Jährige der Hexerei beschuldigt und ermordet worden war, hielt Actionaid eine Mahnwache ab, bei der die Forderungen an die Politik bekräftigt wurden. Eine dieser Forderungen umfasst ein Verbot und die Bestrafung von Hexereibeschuldigungen. Eine Forderung, die bei Umsetzung eine Verbannung in Hexencamps unmöglich machen würde.
97 Prozent der Befragten berichten von geringer Lebensqualität
Die Organisation Songtaba leistet nicht nur Hilfe im Bereich mentaler Gesundheit, sondern prüft auch immer wieder den Status der Bewohnerinnen. Im Rahmen einer Studie konnte nun eine Auswertung präsentiert und mit einem Stufenplan zur Umsetzung einer Abschaffung der Hexencamps an die Gesundheits- und Menschenrechtsbehörden übergeben werden.
Von den geschätzt 800 Frauen und etwa 500 Kindern in den Camps konnten im Rahmen der Studie 277 Personen aus vier Camps befragt werden. Dabei kamen die Fragebögen "Patient Health Questionniare-8 (PHQ-8)" und "World Health Organisation Quality of Life (WHOQOL) Questionnaires" zum Einsatz, um mentale Gesundheit und Lebensqualität der Camp-Bewohnerinnen auswerten zu können.
Obwohl die Ergebnisse der Befragung kaum anders ausfallen konnten, schockieren sie dennoch: Mehr als 93 Prozent der Menschen in den Camps sind weiblich. Die meisten, über 66 Prozent von ihnen, sind verwitwet. Während alle befragten Frauen von Misshandlungen im Rahmen der Hexerei-Beschuldigungen berichteten, blieben die männlichen Beschuldigten von körperlicher Gewalt verschont. Depressionen haben mehr als die Hälfte der Bewohnerinnen. 97 Prozent haben eine geringe oder sehr geringe Lebensqualität. Trotz des Umgangs ihrer Gemeinschaft mit ihnen wünschen sich über 73 Prozent der Befragten eine Wiedereingliederung in ihre alte Umgebung.
Für Songtaba und die Unterstützer*innen der Studie ergeben sich aus den Ergebnissen Forderungen, die sie als Empfehlungen an Politik, Gesundheits- und Menschenrechtsbehörden sowie Stellen gegen häusliche Gewalt und Polizei weitergeben. Diese umfassen sofortige Verbesserungen der Lebensbedingungen von Frauen in Hexencamps inklusive der Unterstützung in Bezug auf mentale Gesundheit, einen Plan zur Auflösung der Camps und Wiedereingliederung der Frauen in ihre Gemeinschaften bis 2030, eine Kampagne zur Aufklärung über Hexenglauben inklusive Sensibilisierung der Polizei, eine Bestrafung der Hexereibeschuldigungen wie auch Actionaid sie fordert, die Bildung und Ausbildung von Mädchen, um Aberglaube und Armut den Boden zu entziehen sowie weitere Untersuchungen zu Dynamiken, die Gemeinschaften dazu bringen, Mitglieder als Hexen zu brandmarken und zu verstoßen.