Hexenverfolgungen sind noch immer ein gewaltiges Problem

sadness-1783794_1280.jpg

Hexenverfolgung kann in Afrika jeden und jede treffen. (Symbolbild)

Wer an Verfolgungen wegen Hexerei denkt, hat meist Europa zu Zeiten des christlich geprägten Mittelalters und der frühen Neuzeit im Sinn. Doch auch heute noch gibt es Regionen, in denen Frauen aufgrund vermeintlich magischer Fähigkeiten verfolgt, gefoltert oder umgebracht werden. Unter anderem in Ghana und Nigeria ist diese Handhabung noch immer weit verbreitet. Nun begehren Teile der Politik, Wissenschaft und Gesellschaft jedoch auf, um dieses grausame Relikt aus der Vergangenheit einzudämmen. Bislang allerdings mit bescheidenem Erfolg.

Fast überall auf der Welt finden sich Länder, in denen Frauen mit dem Begriff "Hexe" stigmatisiert werden. In Lateinamerika ebenso wie etwa in Südostasien. Besonders betroffen ist aber der afrikanische Kontinent. Hier gibt es in einigen Ländern sogar ganze Hexendörfer und -camps, in denen hunderte Frauen zusammenleben, die von der Gesellschaft als Hexen gebrandmarkt und ausgestoßen wurden. Bereits gewöhnliche, wenn auch eher seltene Vorfälle wie der Tod eines jungen Familienmitglieds kann dazu führen, dass eine Frau, die sich lediglich in der Nähe des Verstorbenen aufhielt, angeklagt wird. Aber auch eine vertrocknete Ernte oder ein schlechter Traum kann als Grund herhalten. Selbst geistige oder körperliche Beeinträchtigungen oder schlicht altersbedingte Einschränkungen führen des Öfteren zu einer solchen Bezichtigung. Die meisten Frauen werden jedoch der Hexerei beschuldigt, wenn ihr Ehemann stirbt. Häufig wollen sich die Ankläger:innen mit dieser Strategie das Erbe der Witwen erschleichen. Sofern es sich um erfolgreiche Geschäftsfrauen handelt, wird diese Form der Denunziation aber auch genutzt, um unliebsame Konkurrentinnen auf dem Markt loszuwerden.

Gemäß dem Forschungsinstitut The Sanneh Institute gibt es im Norden von Ghana fünf jener Camps, in denen mindestens 536 vermeintliche Hexen wohnen. Laut dem Direktor des Instituts, Prof. John Azumah, werden fast alle Opfer solcher Beschuldigungen von ihren eigenen Familienmitgliedern angezeigt, anteilsmäßig folgen an zweiter Stelle entsprechende Vorwürfe durch den Gemeindehäuptling. Typisch für die patriarchalen Gesellschaftsstrukturen vor Ort sind die sogenannten "Tendanas". Dabei handelt es sich um ausschließlich männliche Priester, die für die Durchführung religiöser Rituale verantwortlich sind und als Aufseher in den Lagern fungieren. Zwar geben diese vor, dass es den Frauen freisteht, die Areale zu verlassen und nach Hause zurückzukehren, doch de facto geschieht das fast nie. Einige der Priester geben zu, dass ein Großteil der Anschuldigungen aus reiner Bosheit, Hass, Eifersucht, Armut und Unwissenheit frei erfunden sind. Die meisten kehrten demzufolge nicht zurück, weil sie sich vor den Ankläger:innen fürchteten und vermeiden wollten, nochmals die schreckliche Erfahrung einer Verbannung durchleben zu müssen.

Laut den Tendanas sind einzig die Häuptlinge und die Regierung dazu in der Lage, die Camps aufzulösen. Doch trotz des Drucks von Teilen der Gesellschaft sowie Forschungseinrichtungen und Menschenrechtsorganisationen ändert sich auf institutioneller Ebene bislang wenig. Einer der Gründe dafür ist der Mangel an Arbeitskräften auf den Feldern: Einige der verstoßenen Frauen leisten dort für einen Hungerlohn von umgerechnet etwa einem halben Euro am Tag schwere Arbeit, weshalb sie von manchen Landwirt:innen gerne gesehene Arbeitssklaven sind.

Auch in Nigeria werden Frauen regelmäßig der Hexerei und Zauberei bezichtigt. Verfolgung, Folter, Verstümmelung oder der Tod sind dabei mögliche Folgen. Dr. Emmanuel Abiama, ein leitender Dozent an der psychologischen Fakultät der Universität von Uyo, hat sich an die Regierung seines Landes gewandt, um darauf zu pochen, dass die neuen Gesetze gegen Hexerei und diesbezüglicher Gewalt auch tatsächlich umgesetzt werden. Dabei verwies er unter anderem auf die betroffenen Kinder, die durch solche Stigmatisierungen enorm benachteiligt würden. Ihm zufolge sei es eine Sache, ein Gesetz zu verabschieden, eine andere jedoch, dessen Erfüllung auch effektiv nachzukommen. Konkret forderte Abiama die Regierung etwa auf, längere und umfassendere Aufklärungskampagnen durchzuführen, um Menschen zu sensibilisieren und auf die Brutalität dieses Glaubens hinzuweisen.

Auch in weiteren afrikanischen Ländern versucht die Regierung Hexendörfer und -camps aufzulösen und die dort Wohnenden wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Bisher ist es jedoch keine Seltenheit, dass einmal verstoßene Frauen ihr gesamtes restliches Leben dort verbringen. Eine Verbesserung der Lage wird auch dadurch erschwert, dass eine Reihe westlicher Organisationen vor Ort aus einem fragwürdig konstruierten Konzept von Respekt vor religiösen und kulturellen Überzeugungen die Arbeit der Aufklärer:innen und Menschenrechtsaktivist:innen torpedieren. Insbesondere christliche Missionar:innen und islamische Glaubensvertreter:innen sowie vorgebliche spirituelle Heilsbringer:innen tragen sogar aktiv dazu bei, dass der Glaube an Übernatürliches, an Dämonisches und Okkultes und eben auch an Magie bestehen bleibt. Doch solange Hexerei nicht von einer großen Mehrheit eindeutig als verwerflicher Aberglaube eingestuft wird, können Expert:innen zufolge auch die weitreichendsten nationalen Gesetze auf lokaler Ebene kaum Erfolg haben.

Unterstützen Sie uns bei Steady!