Gemeinsam mit den beiden Großkirchen will die CDU "die Verantwortung vor Gott" als Passus in die hessische Landesverfassung aufnehmen. Anlass dazu bietet die vor über einem Jahr eingerichtete Enquetekommission "Verfassungskonvent zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen". Bereits am Mittwoch, den 15. Februar, soll dazu eine öffentliche Anhörung stattfinden. Der Humanistische Verband sowie die Humanistische Gemeinschaft Hessen stellen sich als Interessenvertretung nichtreligiöser Menschen gegen diese Ausgrenzung und Bevormundung. Auch in Hessen machen Atheisten und nichtreligiöse Menschen einen immer größeren Teil der Bevölkerung aus.
"Gesetze mit ausdrücklichen Verweisen auf religiöse Vorstellungen widersprechen der Idee von einem demokratischen Staat als verfasstem Gemeinwesen aller Bürgerinnen und Bürger." Bereits letztes Jahr hatte Prof. Frieder Otto Wolf, Präsident des Humanistischen Verband Deutschlands (HVD), in einer Stellungnahme den Innen- und Rechtsausschuss des Landtags von Schleswig-Holstein ermahnt, auf einen Gottesbezug in der Landesverfassung zu verzichten. Mit nur einer Stimme scheiterte damals der Antrag an den Landtag in Kiel.
Nun wird auch in Hessen durch die CDU-Fraktion sowie das Kommissariat der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen und den Beauftragten der Evangelischen Kirchen in Hessen ein Versuch gestartet, die "Verantwortung vor Gott und den Menschen" sowie das Gedenken der "Geschichte und christlich-humanistischen Tradition" in die Präambel der Landesverfassung aufzunehmen.
"Die Bürgerschaft Hessens gründet auf kultureller Vielfalt, nicht auf religiöser Überzeugung oder einem Staatskirchentum", erklärt Dr. Holger Behr, Landessprecher der Humanistischen Gemeinschaft Hessen. "Die beabsichtigte Erwähnung Gottes und christlicher Wurzeln trägt nicht dazu bei, Menschen unterschiedlichen Glaubens oder Nichtglaubens miteinander zu verbinden, und behindert die kulturelle Integration."
Als in der Nachkriegszeit die Landesverfassung geschrieben wurde, waren noch weit über 95 % der Bürger und Bürgerinnen Mitglieder einer christlichen Kirche. Mittlerweile sind es nur noch knapp über 60 %. "In einer zunehmend säkulareren Gesellschaft einen Gottesbezug in die Verfassung aufzunehmen wirkt wie ein Versuch, sich mit Zwang gegen die Freiheit zum Nichtglauben zu stellen. Bei der aktuellen politischen Situation würde das Land Hessen damit ein bedenkliches Zeichen gegen eine offene Gesellschaft setzen", resümiert Dr. Florian Zimmermann, Landesvorsitzender des HVD Hessen.
Bereits 2005 gab es einen überparteilichen Antrag auf Verfassungsänderung in Hessen, der auch einen Gottesbezug beinhalteten sollte. Der Versuch scheiterte damals aufgrund unterschiedlicher Positionen bei anderen Aspekten. Mit dem Gottesbezug hatte damals keine im Landtag vertretene Partei unüberwindbare Schwierigkeiten. Der Humanistische Verband und die Humanistische Gemeinschaft rufen deshalb dazu auf, ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis zu bilden, um gemeinsam einen Gottesbezug in der hessischen Landesverfassung zu verhindern.
13 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Man kann keine Verantwortung an einen imaginären Gott abgeben. Es wäre ja auch irrsinnig, Verantwortung z.B. an Tarzan abzugeben.
Lea H. am Permanenter Link
Nun, Tarzan hat immerhin Jane gerettet.
Literarische Figuren in den Verfassungstext? Könnte den künstlerisch wertvoller machen. Und verdeutlichen, wie fiktional so manche Vorschrift ist, z.B. die der Trennung von Staats- und Kirchenfinanzen: die Artikel harren schon seit 1918 ihrer Umsetzung, wurden ausdrücklich ins Grundgesetz übernommen - und stehen da nun fast schon märchenhaft
Nicolai Roediger am Permanenter Link
Eine Petition gegen die Aufnahme des Gottesbezugs kann hier gezeichnet werden: https://www.openpetition.de/petition/online/kein-gottesbezug-in-die-hessische-landesverfassung
Holger Buntrock am Permanenter Link
Hier frage ich mich, ob unsere Damen und Herren Politiker wirklich nicht besseres zu tun haben als über des Teufels Schwanz zu diskutieren - da braucht man sich doch nicht zu wundern, wenn bei den Bürgern eine Politik
Kay Krause am Permanenter Link
Das Problem - lieber Holger B. - liegt wohl eher darin begründet, dass "des Teufels Schwanz" (die Herren in den schwarzen Kutten mit dem Pferdefuß) die Initiatoren dieser unseligen Diskussion sind.
Andrea Diederich am Permanenter Link
Die sind ganz einfach zu feige, sich der übermächtigen Kirchenlobby entgegen zu stellen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Es ist (wieder) an der Zeit. Aufzustehen.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Man kann davon ausgehen, dass auch in dieser Sache unter den hessischen Landtagsabgeordneten das "Gysi-Paradoxon" ("Ich glaube zwar nicht an den da oben, aber ich fürchte eine gottlose Gesellschaft"
"Ich selbst bin ja viel zu intelligent, um an Gott zu glauben, aber das dumme Volk, der gemeine Pöbel, kann nur durch Religion im Zaum gehalten werden."
N.m.M hat diese Einstellung die russische Revolution unterstützt und ihre antikirchliche Tendenz mitbestimmt, als Auflehnung gegen die heute auch in Russland wieder auflebende Kumpanei von Thron und Altar. (Zehntausende Kirchen wurden in Russland neu gebaut, wie der Kyrill-Bergoglio-Pakt stolz vermerkt; wahrscheinlich wurde für diese „Gottes-Häuser“ mehr Geld ausgegeben als für sowas sinnvolles wie sozialen Wohnungsbau.)
Mein fester Glaube ist, dass dieser atheistische, utilitaristische und überhebliche Irrglaube nicht nur unter Politikern sondern auch unter Klerikern weit verbreitet ist. Aussteiger wie z,B. Drewermann berichten gelegentlich von dem zynischen Atheismus, der in Klerikerkreisen gang und gäbe sei.
Mit der Aufnahme des Gottesbezugs soll diese esoterische und authoritäre Argumentation mit GOTT wieder hoffähig gemacht werden, die sich sonst gern, mit Kulturpessimismus nach Art des Gysi-Paradox tarnt. Man sollte sich nicht groß auf Scharmützel wegen dem „christlich“ einlassen, das ist sicher nur als Bauernopfer gedacht und sollte schnell vom Tisch sein, wenn man nur daran erinnert, welchen nationalistischen und kreuzzüglerischen Touch man damit in die Präambel bringt. Je unbestimmter dabei die Formulierung – was soll „Verantwortung vor Gott“ denn bedeuten ? -, desto lieber ist es natürlich den Kultbeamten des gehobenen Dienstes. Wie beim §217 können sie dann selbstherrlich alles mögliche als ihnen von Gott offenbart reklamieren.
Früher hatte ich mal die Hoffnung, dass sich wenigstens die SPD an die Zeit erinnert, als sie von den Kanzeln herab beschimpft wurde, und sich gegen den Einfluss der selbsternannten Verkünder „GÖTTLICHEN WILLENS“ zur Wehr setzt. Sie muss sich ja nicht als kirchenfeindlich oder gottlos inszenieren, sondern könnte sich als säkular, neutral in Glaubensfragen, und vernünftiger Argumentation verpflichtet profilieren.
Kay Krause am Permanenter Link
Ihr letzter Absatz - lieber Klaus Bernd - läuft mir runter wie Öl!
Rainer Bolz am Permanenter Link
Zur Erinnerung, Loki und Helmut Schmidt haben sich als Darwinisten und somit zur Evolutionstheorie bekannt.
Wer heute aber mit "Gott" an meiner Seite argumentiert, der sollte nicht Ehrfurcht, sondern nur noch Lachsalven hervorrufen.
Manfred Schleyer am Permanenter Link
Man sieht, wie hartnäckig Jesu Hirten und Schafe an ihren Zielen festhalten, der gesellschaftlichen Entwicklung zur religiösen Freiheit trotzend. Stete Wachsamkeit ist geboten!
Thomas am Permanenter Link
Es ist schier unglaublich, dass so etwas heutzutage noch ernsthaft diskutiert wird.
Ein religiös-weltanschaulich neutraler Staat (Bundesland analog) hat sich in der Frage ob es einen Gott, keinen Gott oder mehrere Götter gibt, komplett zu enthalten und jedes tendenziöse Verhalten zu unterlassen.
Eine Verfassung ohne Gottesbezug lässt alle Möglichkeiten offen, eine mit Gottesbezug nicht.
Es wäre übrigens interessant, zu erfahren, wie sich diese C-Politiker von einer Verfassung vertreten fühlen würden, in der z. B. von „den Göttern“ die Rede wäre.
Vermutlich würden sie sich in rechtschaffener Empörung auf das Neutralitätsgebot berufen…
Udo Frohnapfel am Permanenter Link
Ich bin selbst Atheist und lehne einen Bezug in der Verfassung ab. Warten wir mal ab, die Verfassung kann nur von uns, dem hessischen Volk geändert werden.