Humanists at Risk – weltweit für verfolgte Humanisten

hpd_-_article_-_humanists_at_risk_-_cover_german.jpg

Emma Wadsworth-Jones: "Oftmals sind es die kleinen Dinge."
Emma Wadsworth-Jones

"Mit dem Sieg der Taliban in Afghanistan ist die Zahl der bedrohten Humanist:innen sprunghaft gestiegen", sagt Emma Wadsworth-Jones. Bei Humanists International im schottischen Glasgow koordiniert sie die weltweite Unterstützung für Verfolgte. Dem hpd hat sie erklärt, wie man kompetente Hilfe organisiert.

"Derzeit erreichen uns monatlich 14 bis 16 Hilfsgesuche aus aller Welt", sagt Emma Wadsworth-Jones. "Doch das hat sich im letzten Monat geändert. Da waren es 39." Verantwortlich dafür war der Fall Kabuls am 15. August. "Seitdem haben wir 26 Hilfsanfragen von nichtreligiösen Menschen aus Afghanistan erhalten." Zuvor wären es im laufenden Jahr 2021 lediglich sieben Anfragen gewesen, die aus Afghanistan stammten.

"Die nackten Zahlen", erläutert Wadsworth-Jones, "erzählen uns jedoch nicht die ganze Geschichte. Das Umfeld, in dem die gefährdeten Menschen leben, ist meist sehr in sich geschlossen. Deshalb wissen die Hilfesuchenden oft nicht, dass wir existieren, oder sie werden davon abgehalten, uns zu kontaktieren."

Emma Wadsworth-Jones hat Masterabschlüsse in Psychologie, Spanisch und vergleichender Politikwissenschaft (Lateinamerika). Sie verfügt über mehr als sieben Jahre praktische Erfahrung in der Verfolgtenhilfe, die sie als Kampagnen- und Fallmanagerin bei PEN International erworben hat. Bei Humanists at Risk hat sie im April 2020 angefangen. Seitdem hat Wadsworth-Jones knapp über 300 Hilfsanfragen von Humanists International bearbeitet. Hier koordiniert sie auch die Kampagne "End Blasphemy Laws" und gibt den "Freedom of Thought Report" heraus.

Emma Wadsworth-Jones

Emma Wadsworth-Jones möchte auch Helferinnen und Helfer dabei unterstützen, bessere Maßnahmen zum eigenen physischen, digitalen und psychosozialen Schutz ergreifen zu können. (Foto: © privat)

"Ich benutze den 'Freedom of Thought Report' bei meiner Arbeit fast täglich", erklärte Wadsworth-Jones bei einer Präsentation am 14. August. "Nur mit akkuraten Fakten lassen sich Fälle priorisieren", betont sie auf hpd-Nachfrage. Zudem wäre eine faktenbasierte Kommunikation entscheidend für die Glaubwürdigkeit der Hilfsorganisation: "Wenn wir bei Regierungsvertretern oder der UN intervenieren, müssen wir sicher sein, dass die Informationen, die wir bereitstellen, akkurat sind."

Deshalb widmet sich Wadsworth-Jones dem gründlichen Überprüfen der Fälle, die sie erreichen. Fortlaufend aktualisierte Kenntnisse über die Lebenswirklichkeiten in den entsprechenden Ländern sind dabei unverzichtbar. Auch hier gilt es, Hintergrundsituationen richtig zu bewerten, um Dringlichkeiten gegeneinander abwägen zu können. Dabei sieht Wadsworth-Jones ihre Aufgabe auch darin, die Abläufe in der Hilfsarbeit zu systematisieren. So zeigt sich: Erfolgreiche Fallarbeit besteht aus verschiedenen Phasen.

"Ich würde niemals ohne Zustimmung der Betroffenen handeln"

Wenn Emma Wadsworth-Jones in einem ersten Arbeitsschritt die Fakten eines Falls gründlich zu Tage gefördert hat, kann sie die zu erbringende Hilfsleistung einschätzen. In einem zweiten Schritt stimmt sie das Ziel und einen Handlungsplan mit dem oder der Hilfesuchenden ab. "Es ist von allergrößter Wichtigkeit für die Betroffenen, dass sie die Kontrolle über die Vorgänge und damit über ihre eigene Sicherheit haben", erklärt Wadsworth-Jones. "Wir arbeiten auf Basis eines 'informierten Konsens'." In einem nächsten Schritt geht es dann darum, den Hilfsplan gegebenenfalls mit weiteren Partnern umzusetzen. Dabei entstehen neue Situationen, die wiederum erneut geprüft und bewertet werden müssen. So beginnt die Schrittfolge von Neuem. Dabei erscheint das Aufrechterhalten des informierten Konsens als der eigentliche Akt der Humanität in einem systematisierten Ablauf. Hier zeigen sich Wahrheitsliebe, Respekt und Achtung vor den Selbstbestimmungsrechten. Am Ende des Hilfsprozesses steht das Ziel, einen vertretbaren Zustand von Sicherheit zu erreichen.

Gelebte Solidarität bedeutet: Menschen fühlen lassen, dass sie ein Teil von etwas sind

"Die kleinen Dinge sind so wichtig", sagt Emma Wadsworth-Jones. Echte Hilfe könne schon etwas sein, das wir selbst als ganz oberflächlich empfänden. Das wäre zum Beispiel eine Antwort auf die Frage: Wo finde ich das nächste Telefon oder das günstigste Essen? Solidarität bedeute in diesem Zusammenhang auch, "die Menschen in ein Netzwerk zu integrieren, und diese Menschen, die so lange isoliert gelebt haben, fühlen zu lassen, dass sie ein Teil von etwas sind".

"Für Menschen, die Verfolgte willkommen heißen möchten, besteht ein erster Schritt in das Netzwerk darin, sich an eine Organisation in ihrer Nähe zu wenden. Dort sollten Sie angeben, welche Art von Hilfe Sie anbieten möchten. Ihre Organisation kann mir dann mitteilen, dass Sie jemand sind, an den ich mich in bestimmten Fällen wenden kann."

Unterstützen Sie uns bei Steady!