BONN. (hpd) Der von dem Sozialwissenschaftler Alexander Häusler herausgegebene Sammelband "Die Alternative für Deutschland. Programmatik, Entwicklung und politische Verortung" enthält eine Fülle von kritische Beiträgen zu deren Auffassungen von außenpolitischen bis zu familienpolitischen Fragen. Dem hohen Informationsgehalt stehen aber auch Lücken zu wichtigen Fragen gegenüber, wie etwa der, inwieweit hier von einer rechtsextremistischen Partei allgemein oder etwa bezogen auf den Höcke-Flügel gesprochen werden kann.
Die "Alternative für Deutschland" (AfD) kommt in den Umfragen der Wahlforschungsinstitute in mehreren Bundesländern mittlerweile schon auf Platz 3. Doch worum handelt es sich bei diese Partei? Wird da nur ein Platz rechts on den Unionspartien im demokratischen Spektrum eingenommen? Oder artikuliert sich eine Gefahr für Demokratie und Menschenrechte im Sinne des Rechtsextremismus oder Rechtspopulismus? Und: Wofür steht denn die AfD eigentlich – bezogen auf politische Grundpositionen und nicht auf propagierte Stimmungen?
Dies ist Grund genug, sich mit der Partei näher zu beschäftigen. Dies beabsichtigte der "Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus" der Hochschule Düsseldorf (FORENA) anlässlich einer Tagung zum Thema am 19. Februar 2015. Deren Beiträge finden sich in aktualisierter Form in dem Sammelband "Die Alternative für Deutschland. Programmatik, Entwicklung und politische Verortung", der von dem Sozialwissenschaftler Alexander Häusler herausgebeben wurde.
Zunächst geht es dabei um die parteipolitische Einordnung, wobei Frank Decker dies mit dem Blick der vergleichenden Parteienforschung und David Bebnowski bezogen auf die Kategorie des "Wettbewerbspopulismus" tun. In Argumentationen im letztgenannten Sinne "wird die Überlegenheit ökonomisch erfolgreicherer Gruppen – im Falle der AfD: Nationalstaaten - auf Grundlage ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit konstruiert und gleichzeitig mit kulturellen Stereotypen kurzgeschlossen. Auf diese Weise wird die Aufwertung der eigenen Position bei gleichzeitiger kultureller Abwertung des 'Anderen' erreicht" (S. 29).
Bezogen auf die außenpolitischen Positionierungen geht es Marcel Lewandowsky um die europapolitischen und Dieter Plehwe um die transatlantischen Dimensionen. Hinsichtlich der familien- und geschlechterpolitischen Auffassungen findet man dann Beiträge von Jasmin Siri über eben die geschlechterpolitischen Positionen, von Andreas Kemper über die Einbettung der Partei in antiemanzipatorische Netzwerke und von Ulli Jentsch in die "Lebensschutz"-Bewegung.
Der Kontext von AfD, Pegida und Muslimfeindlichkeit steht danach im Zentrum: Felix Korsch geht der Pegida-Debatte in der AfD zwischen Anziehung und Ablehnung und den personellen und inhaltlichen Konvergenzen zwischen AfD und Pegida nach. Er formuliert dabei eine differenzierte Einschätzung. "Im 'Protestkern' Pegidas lassen sich personelle AfD-Bezüge feststellen, aber in dem Hellfeld … sind sie rein nominell nicht dominant, sondern stehen in Konkurrenz zu anderen, teils stärkeren Einflüssen …" (S. 148).
Naime Cakir nimmt die Islamfeindlichkeit von Pegida in den Blick und Jonas Fedders erörtert die Erfolge der AfD im Kontext "rassistischer Hegemoniebestrebungen". Die Verbindungen von AfD und "Neuer Rechter" bilden danach den Schwerpunkt bei Helmut Kellershohn bezogen auf Flügelkämpfe in diesem politischen Lager und bei Anna-Lena Herkenhoff hinsichtlich der Nachwuchs-Organisation "Junge Alternative". Und schließlich werfen Christoph Kopke und Alexander Lorenz noch einen Blick auf die AfD in Brandenburg.
Die meisten Beiträge entstanden vor dem Parteitag am 4. und 5. Juli 2015, wo der Lucke-Flügel unterlag und fortan die AfD verlies. Insofern sind die neueren Entwicklungen noch gar nicht in den Sammelband eingearbeitet worden. Gleichwohl kommt den angesprochenen Aussagen und Einschätzungen auch danach noch große Bedeutung für die Einschätzung der Partei zu.
Erstaunlicherweise fehlen Aussagen zu Fragen, die vor dem Hintergrund des Namens des Veranstalters eigentlich erwartbar gewesen wären: Handelt es sich um eine rechtsextremistische Partei? Oder muss zumindest der Höcke-Flügel und die "Patriotische Plattform" so eingeschätzt werden? Was bedeuten hier die Kontakte zur "Neuen Rechten"? Erstaunlich ist auch, dass bei den Ausführungen zu den außenpolitischen Positionen die Putin-Sympathie nicht näher erörtert wird. Zwar ist der Sammelband wie nahezu jeder Sammelband etwas fragmentarisch. Aber auch zu diesen Aspekten hätte man sich schon gern Ausführungen und Einschätzungen in dem informativen Sammelband gewünscht.
Alexander Häusler (Hrsg.), Die Alternative für Deutschland. Programmatik, Entwicklung und politische Verortung, Wiesbaden 2016 (Springer VS), 251 S.
1 Kommentar
Kommentare
Andrea Diederich am Permanenter Link
Viele die denken das die CDU zu links steht und die Lücke des
Konservaritismus durch die AfD ausgefüllt wird.