Rezension

Die Beschwörung des Feindes in der populistischen Rhetorik

Der Philosoph Reinhard Olschanski untersucht in "Der Wille zum Feind. Über populistische Rhetorik" die Rhetorik von Populisten hinsichtlich ihrer Besonderheiten, wobei ihm die Feindbildprojektion als zentraler Punkt erscheint. Der Autor benennt zahlreiche wichtige Erkenntnisse, auch zur Differenzierung von demokratischer und populistischer Rhetorik, hätte aber insgesamt dem Buch mehr Struktur und Systematik zukommen lassen können.

Durch die Wahlerfolge der AfD in Deutschland, des "Front National" in Frankreich, der "Freiheitlichen Partei Österreichs" oder Donald Trump in den USA ist "Populismus" zu einem der besonders intensiv diskutierten Thema geworden. Doch die Debatte ist nicht ganz einfach, was allein schon daran deutlich wird, dass es keine allgemein anerkannte Definition hierzu gibt. Diese will auch der Philosoph Reinhard Olschanski, langjähriger Mitarbeiter in der Fraktion von "Bündnis 90/Die Grünen" im Deutschen Bundestag, nicht liefern. In seinem Buch "Der Wille zum Feind. Über populistische Rhetorik" untersucht er einen bestimmten Teilbereich des Themas, nämlich die Beziehung des populistischen Akteurs zu dem von ihm umworbenen Publikum. Und hierbei nimmt er die genutzte Rhetorik genauer in Augenschein. Dies ist seine Perspektive. Insofern darf man auch nicht mehr, aber nicht weniger von der Lektüre erwarten. Es soll um eine "inhaltlich-formale Rekonstruktion" darüber gehen, "was den Populismus antreibt und gefährlich erfolgreich macht" (S. 13).

Zunächst geht der Autor auf die klassische politische Rede mit dem rhetorischen Dreieck, bestehend aus Redner, Inhalt und Publikum, ein. Davon unterscheide sich die populistische Rede gleich in mehrfacher Hinsicht. Und genau diese Besonderheiten sollen in dem Buch benannt und untersucht werden. "Auch wenn sie unter demokratischen Bedingungen gehalten wird", so Olschanski, "hat sie eine Tendenz zur autoritären Schmährede und Invektive. Sie ist eine Rede, die nach Form und Inhalt die offene Gesellschaft in Frage stellt. Sie kennt deutlich voneinander geschieden nur Gute und Böse, zwischen denen kein Dialog möglich erscheint" (S. 28). Bürgerkriegsideen und Eskalationsrhetorik gehörten beispielsweise dazu. Auch in Faktenverachtung und Remythisierung erblickt er solche Strukturmerkmale. Es gebe auch eine Art Doppelerzählung von einer Welt heiler Identität und ihrem historischen Niedergang, welche eine Art Hintergrundfolie für die populistische Rhetorik sei. An den Beispielen von Björn Höcke und Donald Trump zeigen sich diese Mechanismen exemplarisch.

Das Hauptaugenmerk wird aber entsprechend des Titels auf etwas anderes gelegt: "Unter Missachtung der normativ-rationalen Standards, denen die klassische politische Rede hier unterliegt, ist die populistische Rede vor allem eines: Erzählung und These von einem Feind, scheinbarer Beweis für dessen Feindlichkeit sowie rhetorische Bekämpfung des Feindes" (S. 77). Es werde ständig das Bild beschworen, wonach das Idyll des eigenen Herzlandes gefährdet und der Feind für Bedrohung und Niedergang verantwortlich sei. Dabei weist der Autor auf formale und strukturelle Gemeinsamkeiten vieler Reden mit Westernfilmen hin: "Sie orientiert sich an der Revenge Story, wie man sie aus Kriminalfilm und Western kennt, mit einer Dramaturgie, die von heiler Eigenwelt über den Einbruch eines Feinds hin zu dessen siegreicher Überwindung führt" (S. 117). Die damit einhergehende Feindbildzeichnung präge die populistische Rhetorik bis hin zu einer regelrechten Hasssprache, welche sich gegen die politische Elite ebenso wie gegen soziale Minderheiten richte.

Der Autor präsentiert seine Botschaft mehr in Essayform. Demnach fehlt es dem Buch an Systematik. Auch arbeitet Olschanski über weite Strecken ohne Fallbeispiele, die zwar ab und an kommen. Aber es gibt viele theoretische Ausführungen, die eben nicht aus den konkreten Untersuchungsobjekten abgeleitet wurden. Deswegen müssen sie nicht falsch sein. Und das sind sie auch nicht! Gleichwohl hätte man sich schon ein Mehr an Systematik und Veranschaulichung gewünscht. Letzteres geschieht bei der Darstellung und Erörterung einer Rede von Höcke oder eines Wahlkampfauftritts von Trump. Aber diese Fallstudien wirken eher zufällig in den ansonsten sehr theorielastigen Text hinein geschrieben. Er enthält durchaus eine Fülle von Anregungen und Reflexionen, welche derartige Agitation in den kritischen Blick nehmen. Dazu gehören bereits zu Beginn die Differenzierungen von einer demokratischen und einer populistischen Rhetorik. Auch wird die Feindbildprojektion als wichtiges Propagandamittel gut herausgearbeitet. Man kann somit viel daraus lernen.

Reinhard Olschanski, Der Wille zum Feind. Über populistische Rhetorik, Paderborn 2017 (Wilhelm Fink-Verlag), 200 S., ISBN: 978-3-7705-6216-9,  24,90 Euro