Im Iran werden wieder mehr Menschen hingerichtet. Mit dem neuen Präsidenten, Ebrahim Raisi, explodieren die Zahlen der zu Tode verurteilten. Im Januar warteten mehr jugendliche Straftäter auf ihre Hinrichtung als von 2009 bis 2020 hingerichtet wurden. Diese Hardliner-Politik wird von der Mehrheit der Bevölkerung nicht unterstützt.
Iran belegt weltweit den zweiten Platz: mit den meisten Hinrichtungen der Welt, China liegt noch vor der schiitischen Theokratie. Etwa 333 Menschen sollen im vergangen Jahr im Iran hingerichtet worden sein, hat die Organisation "Menschenrechte Iran" (IHRNGO) mit Sitz in Norwegen ermittelt. Während der letzten Amtsjahre des ehemaligen Präsidenten Hassan Ruhani war die Zahl der Hinrichtungen zuletzt gesunken. Seit dem Wahlsieg von Ebrahim Raisi im Juni 2021 wurden laut IHRNGO in der zweiten Jahreshälfte 2021 doppelt so viele Menschen getötet wie in der ersten.
Raisi war Chef der iranischen Justiz und 1988 an der Massenhinrichtung von "Gegnern der islamischen Revolution" beteiligt. Das Europa-Parlament rügte im Februar den Iran dafür, dass im Januar 2022 85 jugendliche Straftäter hingerichtet werden sollten. Zwischen 2009 und 2020 habe der Iran etwa 67 jugendliche Straftäter hinrichten lassen. Das Land verstoße gegen das Übereinkommen der Vereinigten Nationen über die Rechte des Kindes.
Minderheiten, LGBTIQ und Frauen besonders gefährdet
Zudem würde der Iran die Todesstrafe überproportional gegen Minderheiten verhängen und LGBTIQ-Personen mit dem Tode bestrafen. Zudem würden Frauen häufig gegen das Gesetz verstoßen, weil mehrere Gesetze nur Frauen betreffen würden. "Es ist ein komplett patriarchalisches, zurückgebliebenes, mittelalterliches System", sagt Natalie Amiri, ARD-Korrespondentin und von 2015 bis 2020 Leiterin vom ARD-Büro in Teheran, in einem Interview mit dem Tagesspiegel.
Um die Frauenrechte im Iran sei es katastrophal bestellt. Vor Gericht sei eine Frau als Zeugin nur halb so viel wert wie ein Mann. Im Iran werde jede Art von Protest, jede Form des Eintretens für Menschenrechte, jeder Ansatz politischer Opposition im Keim erstickt. Dabei habe eine Studie ergeben, dass nur 40 Prozent der iranischen Bevölkerung sich als muslimisch-schiitisch verstehen, sagt Amiri.
Studenten sind gegen Gewalt gegenüber Frauen
Dass die Werte des Mullah-Staates nur bedingt akzeptiert werden, belegt auch eine Studie, die in der Provinz Mazandaran durchgeführt wurde. Die iranische Provinz liegt im Norden des Landes am Kaspischen Meer und hat über drei Millionen Bewohner. 400 männliche Studenten wurden zu ihrer Einstellung zu Gewalt gegen Frauen befragt. Die Ergebnisse: 72,5 Prozent der Befragten sprachen sich gegen Gewalt gegenüber Frauen aus. 26 Prozent der Studenten zeigten sich nicht komplett abgeneigt und nur ein Prozent der jungen Männer befürwortet Gewalt gegen Frauen. Auch daran zeigt sich: Der Rückhalt gegenüber dem Staat und seiner Kultur gerät ins Wanken.
Hinweis der Redaktion: Amnesty International hat am heutigen Tage ihren jährlichen Bericht zur Todesstrafe weltweit vorgelegt. Der Iran ist danach (nach China, das keine Zahlen veröffentlicht) der Staat mit den meisten gezählten Hinrichtungen.