Rechtliche Lage bei aktiver, indirekter und passiver Sterbehilfe sowie der Suizidbeihilfe

Italien: Debatte über die Zulassung von Sterbehilfe

Im Herz des Katholizismus, in Italien, wird gerade aktuell eine angeregte Debatte über das Thema Eutanasia (Sterbehilfe) geführt. Im Deutschen kann man den Begriff Euthanasie (Griechisch für "schöner Tod") nicht mehr so ohne weiteres verwenden, ist dieser Begriff doch seit der NS-Zeit mit der massenhaften Wegsperrung und Tötung von Menschen mit Behinderung assoziiert. In Italien wie auch in Belgien und den Niederlanden, steht der Begriff jedoch für die ethisch-philosophische Debatte um das Zulassen von aktiver oder passiver Sterbehilfe.

Dass es in Italien eine solche Debatte gibt, ist umso bemerkenswerter, als das von der sehr einflussreichen katholischen Kirche eigentlich eines der absoluten Tabuthemen ist, da dies einen Eingriff in einen angeblich, wie auch immer vorherbestimmten, Plan Gottes bedeute. Da der Auffassung der katholischen Kirche nach nur Gott über Leben und Tod bestimmen darf.

Insofern ist es schön zu erfahren, dass verschiedene Organisationen auch in Italien zunehmend Bewegung in die Debatte bringen und sich ideologiefrei dem Thema "Selbstbestimmtes Leben und Sterben" widmen und eine ethische Diskussion über das Recht und die Würde eines jeden Menschen, der aus ganz verschiedenen Gründen als nur todkrank zu sein, seinem Leben in Würde und selbstbestimmt ein Ende setzen möchte.

Ist es für einen Menschen aus dem deutschen Sprachraum erst mal ungewohnt, unbelastet mit dem Begriff Euthanasie zu hantieren, ist auf der Seite der UAAR ein anregender und ambivalenter Artikel über Sterbehilfe lesbar.

Die Unterteilung wird dabei wie im Deutschen in aktive, passive und aktiv-assistierte Sterbehilfe vorgenommen und ist auch juristisch von zentraler Bedeutung, da alle drei Formen zwar gesetzlich nicht erlaubt sind, aber unterschiedlich stark oder drakonisch geahndet werden.

Für aktive Sterbehilfe kann dabei eine Strafe zwischen sechs und 15 Jahren fällig werden. Auch die unterstützende oder begleitende Sterbehilfe gilt nach Art. 580 des italienischen Strafgesetzbuchs als Verbrechen und wird juristisch verfolgt.

Die passive Sterbehilfe – auch wenn die Beteiligung daran sicherlich am Schwierigsten nachweisbar sein dürfte – kann im Falle einer Ermittlung ebenfalls juristische Sanktionen nach sich ziehen.

Den Stein zum Anstoß einer energisch geführten Debatte brachten laut UAAR drei Fälle von Sterbehilfe im Frühjahr 2000, welche in den Medien eine seitenweise und sehr ausführliche Debatte auslösten.

Das Parlament beschäftigte sich 2006 erneut kurz mit der Thematik, als ein muskeldystrophiekranker Patient (eine Lähmungserkrankung der Muskeln, bei der nach und nach immer weniger bis keine Bewegung mehr möglich ist, die mittelfristig bis zum Tod führt) den damaligen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano um Erlaubnis zur Sterbehilfe anfragte und dieser daraufhin das Parlament um Beratung bat. Das Parlament kam dieser Bitte jedoch nicht nach und ließ die Anfrage unbearbeitet verhallen. Seit dem gibt die nationale Kommission für Bioethik immer wieder Stellungnahmen ab, indem sie Bewegung in die Debatte bringen, aber schieben eine Entscheidung immer wieder auf. Die nur sieben Jahre nach Gründung der Kommission für Bioethik (1989) gegründete Organisation "Exit-Italia" (gegr. 1996) bemüht sich seit mittlerweile 20 Jahren darum mit Studien, Stellungnahmen von Medizinern, durch Einbindung kirchlicher Organisationen, allen voran der katholischen und protestantischen Kirche, durch Kampagnen in den Medien und durch Unterschriftenaktionen und Bevölkerungsinitiativen die Politik dazu zu bewegen, einen legalen Weg für aktive und passive Sterbehilfe wie in Belgien zu erreichen.

Die UAAR ist sogar der Meinung, dass bei einer Volksabstimmung mittlerweile sogar die Mehrheit für eine Legalisierung der Sterbehilfe stimmen würde. In Deutschland ist einer Umfrage der Krankenkasse DAK ebenfalls eine Mehrheit von 70 % inzwischen dafür im Falle bestimmter Krankheiten "auf ärztliche Hilfe bei der Selbsttötung zurückgreifen zu können" (siehe DAK-Report nach einer Forsa-Umfrage vom Januar 2014).

Vor dem Hintergrund der Tatsache, wie schwer der italienischen Politik eine adäquate Behandlung mit dem Thema fällt, war die Stellungnahme des Gesundheitsministers im Juli 2000 ein Erfolg, der verkündete, dass "Euthanasie (Sterbehilfe) kein Tabu mehr ist." Zwischen Dezember 2012 und März 2013 gelang es der gleichnamigen Organisation "Luca Coscioni", nach dem 2006 an multipler Lateralsklerose gestorbenen und benannten Gründer, in Kooperation mit Exit-Italia und der UAAR (Unione degli Atei e degli Agnistici Razionalisti) eine Bürgerinitiative mit mehr als 65.000 Unterstützern (50.000 hätten ausgereicht) beim Parlament und der Präsidentin der Kammer einzureichen. Mit Stand heute ist die Debatte zur Sterbehilfe noch immer im Gange und es hat sich an der juristischen Klärung zur Frage der Legalisierung nichts weiter getan.


Kurzüberblick zum Stand der Gesetzgebung in verschiedenen Ländern bei der Frage 'Legalisierung von Sterbehilfe':

Australien: Einige Staaten hatten die Sterbehilfe im Nordterritorium mit einem Beschluss zur Legalisierung der aktiven, freiwilligen Sterbehilfe 1996 erlaubt, die jedoch zwei Jahre später von der Länderkammer annulliert und gekippt wurde.

Belgien: Am 25. Oktober 2001 beschloss der Senat mit 44 Ja- und 23-Nein-Stimmen ein Gesetz zur Legalisierung der Sterbehilfe. Am 16. Mai 2002 schloss sich das Parlament, mit 86 Ja-, 51 Nein- und 10 Enthaltungen dieser Entscheidung an.

Kanada: In Kanada ist am 16. Juni 2016 ein Gesetz zur Erlaubnis der betreuten Sterbehilfe angenommen worden.

China: In China ist es in den Krankenhäusern seit 1998 erlaubt, Sterbehilfe bei todkranken Patienten durchzuführen.

Kolumbien: Die Praxis der Sterbehilfe ist seit 2015 erlaubt.

Dänemark: Etwas komplizierter, aber durch erweiterte Richtlinien ist passive Sterbehilfe erlaubt. Eltern eines kranken Patienten können das Unterlassen weiterer Behandlungs- und Heilungsversuche anordnen.

Frankreich: Seit März 2015 ist ein Gesetz beschlossen, dass es einem Patienten auf Nachfrage und selbst geäußertem Wunsch ermöglicht, von Medizinern verabreichte "regelmäßige und andauernde Sedativa" zu erhalten, die das Leben verkürzen.

Luxemburg: Im März 2009 wurde die Sterbehilfe legalisiert.

Niederlande: Die Niederlande ist in Sachen Sterbehilfepolitik sehr berühmt. Seit 1994 ist diese entkriminialisiert worden: dennoch blieb es offiziell ein Verbrechen doch ist es nicht mehr möglich, einem Arzt mit strafrechtlichen Konsequenzen zu drohen, wenn der Arzt auf Wunsch des Patienten handelte. Folglich war der Beschluss des Parlamentes zur Legalisierung der Sterbehilfe am 28. November 2000 die Konsequenz einer in der medizinischen Behandlung längst durchgeführten Praxis (die Niederlande waren der erste Staat der Welt, die die Sterbehilfe formell legalisierten). Seit dem 1. April 2002 ist das Gesetz offiziell in Kraft.

Spanien: Die betreute Sterbehilfe ist keine strafbare Handlung.

Schweiz: Die betreute, begleitete Sterbehilfe ist hier nach den Gesetzen des Europäischen Gerichtshofs der Menschenrechte zulässig und ständig in der Diskussion. Daher ist es auch für Ausländer zulässig (nach oben genannten Regelungen). Der Arzt darf dem Kranken dabei die Arzneimittel zur Verfügung stellen.

USA: In den USA variiert die Gesetzgebung zu Sterbehilfe von Staat zu Staat. Es gibt bestimmte Richtlinien, die allgemein, rechtsverbindlichen Charakter haben. Erlaubt ist die betreute und begleitete Sterbehilfe in Oregon, Vermont, Montana, Kalifornien und Washington.

Schweden: Die Sterbehilfe ist entkriminalisiert. Allerdings besteht kein Gesetz zur Legalisierung von Formen der Sterbehilfe.