Weil sie die russische Regierung unterstützen soll, hat das Parlament der Ukraine die ukrainisch-orthodoxe Kirche verboten. Nach offizieller Lesart soll das Verbot die "geistliche Unabhängigkeit" des ukrainischen Staates schützen. "Ein unabhängiges Land muss auch spirituell unabhängig sein", schrieb dazu Präsident Wolodymyr Selenskij auf X. Das Parlament verabschiedete den Gesetzentwurf am 20. August mit 265 von 322 Stimmen.
Der ukrainische Abgeordnete Roman Losynskyi schrieb dazu auf Facebook: "Wir haben heute den unvermeidlichen Weg eingeschlagen, das Agentennetzwerk des Kremls, das sich seit Jahrhunderten hinter der Maske einer religiösen Organisation versteckt, von innen heraus zu säubern." Tatsächlich gab es bereits Gerichtsurteile gegen Angehörige der Kirche wegen Spionage, Kollaboration oder Unterstützung des Krieges.
Die ukrainisch-orthodoxe Kirche (UOK) gehören gut 13 Prozent der ukrainischen Bevölkerung an (Stand: 2016). Im Mai 2022 löste sie sich von der russisch-orthodoxen Kirche, die ihren Sitz in Moskau hat. Als Grund nannte man Differenzen mit dem Moskauer Kirchenchef, dem Patriarchen Kyrill I. Die UOK verurteilte Russlands Überfall auf die Ukraine im Februar desselben Jahres und rief zu Verhandlungen zwischen beiden Staaten auf.
Die Loslösung sei jedoch nur unvollständig erfolgt, erklärte die Theologin Regina Elsner im Deutschlandfunk. Zwar unterstehe die UOK nicht mehr den Weisungen des Moskauer Patriarchats. Jedoch gebe es bisher kaum öffentliche Kritik der Kirchenleitung an der russisch-orthodoxen Kirche, und Stillschweigen über Kollaborateure aus den eigenen Reihen. Dagegen würden Priester, die für eine stärkere pro-ukrainische Orientierung plädierten, teils aus dem Amt geworfen. All das sorge für Unmut in der Bevölkerung, sagte die Theologin weiter. Nach ihrer Einschätzung schränke das neue Gesetz zwar die Religionsfreiheit ein. Die weitaus größere Gefahr für die Religionsfreiheit auf dem Gebiet der Ukraine ginge jedoch von Russland aus, das Priester gefangennehme und Kirchen zerstöre.
Nach dem Verbot meldete sich das Oberhaupt einer anderen bedeutenden Glaubensgemeinschaft im Land zu Wort. Die "Orthodoxe Kirche der Ukrainer" wird von Kiew unterstützt. Ihr Oberhaupt, der Metropolit Epifanij, forderte die Angehörigen der nun verbotenen Kirche zum Übertritt in seiner Glaubensgemeinschaft auf. In den ukrainischen TV-Nachrichten sagte Epifanij: "Das Gesetz ermöglicht allen religiösen Strukturen, die dies noch nicht getan haben, sich vollständig von der Kontrolle Moskaus zu befreien."
Massive Kritik am Verbot kommt von der russisch-orthodoxen Kirche. Deren Sprecher Wladimir Legoida schrieb auf Telegram von einem "illegalen Akt" und einer "groben Verletzung der Grundprinzipien der Glaubensfreiheit und der Menschenrechte". Die Anwendung dieses Gesetzes könne laut Legoidas "zu massiver Gewalt gegen Millionen von Gläubigen führen". Auch die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, äußerte sich kritisch. Ziel sei es, "die zutiefst kanonische, wahre Orthodoxie zu vernichten."
Besorgt reagierte auch der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) . Wie der Vorsitzende des ÖRK-Zentralausschusses, Heinrich Bedford-Strohm, und der ÖRK-Generalsekretär Jerry Pillay erklärten, sieht das Gremium durch das neue Gesetz die Glaubens- und Religionsfreiheit in Gefahr. Andererseits hätten die ukrainischen Behörden das Recht, die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu schützen und Personen zu verfolgen, die Verbrechen gegen die Interessen der Ukraine begangen hätten.
Nun muss das Gesetz noch von Präsident Selenskij unterzeichnet werden. Es trete 30 Tage nach Veröffentlichung in Kraft, so der Parlamentsabgeordnete Jaroslaw Schelesnjak. Anschließend hätten die betroffenen Kirchengemeinden neun Monate Zeit, sich von der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau zu trennen. Schon früher können Staat und Kommunen den UOK-Gemeinden die Mietverträge für Kirchen und andere Einrichtungen kündigen, wenn die Gruppe Verbindungen zu Russland unterhält. Gerichtliche Verbote von einzelnen Kirchengruppen seien erst im August 2025 zu erwarten, schrieb dazu das Internetportal katholisch.de unter Berufung auf nicht näher genannte Beobachter. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche besteht aus mehreren, relativ eigenständigen Gruppierungen und kann deshalb nicht als Ganzes verboten werden.
9 Kommentare
Kommentare
G.B. am Permanenter Link
Dies wäre eine Chance für Religionsfreiheit in der Ukraine, da nur absolute Freiheit von Religionen dem Frieden dient, ansonsten sind alle Religionen Kriegstreiber wie uns die Geschichte lehrt, nur ohne den erfundenen
Wann erkennt die Menschheit dies endlich!
G.B. am Permanenter Link
Religionsfreiheit verstehe ich als Frei von jeglicher Religion sein und nicht als Freiheit für alle Religionen jeglicher Couleur.
Rainer Haselberger am Permanenter Link
Religionen wurden nur dazu erfunden, Macht über Menschen auszuüben!
Der Tango von Putin mit Kyrill zeigt, wie eine Hand die andere wäscht.
Bernie am Permanenter Link
Das gilt aber genauso für die ukrainische Gegenseite, was Sie da schreiben ;-)
Schon einmal darüber nachgedacht?
Übrigens der, leider schon vor Jahren verstorbene, Kirchenkritiker Karlheinz Deschner sagte ja schon, dass es im 1. Weltkrieg um einen Konflikt zwischen römisch-katholischer Kirche (die ukrainische Kirche steht übrigens auch heute Rom näher als Moskau - genau die, die sich von der russisch-orthodoxen Kirche abgespalten hat, war damals schon damit gemeint) und der russisch-orthodoxen bzw. serbisch-orthodoxen Kirche. So nachzulesen in seinem Standardwerk "Die Kriminalgeschichte des Christentums".
Ich bleib übrigens dabei, es ist etwas anderes wenn jemand freiwillig eine andere Religion oder Konfession wählt, oder aus der Kirche austritt (was ich getan habe), und nicht von Staats wegen - siehe Selenskijs Ukraine z.B. dazu gezwungen wird.
Auch beim angestrebten EU-Beitritt der Ukraine müßte diese sich an die EU-Grundwerte halten, die unter anderem auch jedem EU-Bürger "Religionsfreiheit" gewähren - sollte das keine Heuchelei der EU sein, dann hat Selenskijs Ukraine hier verdammt schlechte Karten.
Wie schon gesagt man mag zur Religion stehen wie man will, aber auch wir Religionskritiker, Agnostiker und Atheisten sollten für die Religionsfreiheit sein.
Sorry, meine Meinung dazu ;-)
Bernie am Permanenter Link
Danke, denn gerade einen solchen Artikel habe ich beim Humanistischen Pressedienst vermißt - man mag zur russisch orthodoxen Kirche in der Ukraine stehen wie man will, aber für einen EU-Beitritt, denn die Ukraine ja a
Dennoch danke, da ja sonst das Thema medial weitgehend totgeschwiegen wird. Übrigens kein geringerer als Papst Franziskus hat schon gegen dieses Vorhaben protestiert. Bin selber kirchenfern, aber es ist etwas anders wenn man das aus freien Stücken ist, oder dazu gezwungen wird.....und als Religionskritiker sollten wir genau dies kritisieren, denn Zwang aus einer Kirche auszutreten 2024 - eine Tat in der Ukraine übrigens, die nicht einmal die echten Religionsfeinde der UDSSR wagten.....tja, Selenskij wagt es eben.....aber Religion, so zeigt die Geschichte überall, läßt sich eben nicht verbieten....ganz im Gegenteil, ein Verbot macht die nur stärker.....der Schuss könnte also nach hinten losgehen, und wie schon gesagt, es ist etwas anderes wenn eine Kirche sich freiwillig auflöst als wie wenn die Kirche von Staats wegen aufgelöst wird.....
Gruß
Bernie
A.S. am Permanenter Link
Auch bei Religion geht es nur um Macht und Geld, um Macht und Geld für die Gottesverkünder selbst.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Wo immer er kann versucht dieser Papst, der Ukraine ans Bein zu pinkeln (sorry, aber heiliger kann ich das nicht ausdrücken).
»„Also lasse man alle, die beten wollen beten, und zwar gemäß der Kirche, die sie als die ihre sehen. Bitte, keine christliche Kirche sollte direkt oder indirekt verboten werden: Die Kirchen sind unantastbar!" mahnte das katholische Kirchenoberhaupt unter dem Beifall der Pilger…«
Nun ja, dass Pilger auf dem Petersplatz zu allem was irgendein Papst zu irgendeinem Thema sagt, in heiligigen, ekstatischen Jubel ausbrechen, kann man ihnen kaum übelnehmen; dafür sind sie ja hergekommen.
„die Kirchen sind unantastbar“ In dieser Pauschalität ist es geradzu eine Unverschämtheit und die Forderung nach einem gefährlichen Freibrief, wenn man bedenkt, was sich alles Kirche schimpft, und wenn man bedenkt, was sich an ungeheuerlichen Verbrechen innerhalb der katholischen Kirche abgespielt hat.
»„Wer wirklich betet, betet immer für alle".« sagt er des weiteren.
Nun ist doch wohl die Frage, ob „in der UOK“ für alle gebetet wird oder nur für die Russen. Könnte es sein, dass dort gar nicht WIRKLICH gebetet wird ?
Aber lassen wir mal das alberne Beten, das ja sowieso nutz- und wirkungslos ist. Nach dem Motto Ober sticht unter übergeht er geflissentlich diese Meinung:
»Noch am Freitag hatte das Oberhaupt der größten mit Rom verbundenen Kirche in der Ukraine, Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, das neue Gesetz verteidigt. Das Oberhaupt der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche erklärte, Russland habe die mit Moskau verbundene Kirche in der Ukraine als ein Werkzeug der Militarisierung benutzt.« !!!
PS: kann man nicht einfach mit Gott reden ? DAS sei beten, habe ich noch als kleiner Bub gelernt !
G.B. am Permanenter Link
Der letzte Satz Ihres Kommentars zeigt jedem logisch denkenden Menschen das Problem
mit Gott, er kann und wird NIE antworten, weil es Ihn nicht gibt, folglich ist Beten völlig
Eckhardt Fritsche am Permanenter Link
Und der da oben auf seinem Thron beguckt sich das Schauspiel, wie die Menschen sich in seinem Namen bekriegen und amüsiert sich über die Dummheit der Menschen. Oh Gott, lass Hirn regnen.