Die Labour-Partei fordert eine Reform des britischen Oberhauses. Eine Reform, bei der die Church of England ihre traditionellen Sitze in der Parlamentskammer verlieren würde. Kirchenvertreter protestieren.
Verfassungsrechtlich besteht das britische Parlament aus drei Teilen. Dem Oberhaus, dem Unterhaus und dem regierenden Monarchen. Ein Relikt aus dem Mittelalter. Während dem König ursprünglich nur ein Parlament aus Adeligen und Geistlichen zur Seite stand, führte das Erstarken des Bürgertums ab dem 13. und 14. Jahrhundert dazu, dass auch Bürgerliche im Parlament mitreden durften. Über die Jahrhunderte wuchs daraus ein Parlament mit zwei Kammern: Das Oberhaus – House of Lords – in dem Adelige und Geistliche sitzen, und das Unterhaus – House of Commons –, der vom Volk gewählte Teil des Parlaments.
Allerdings wurden die offiziellen Befugnisse des Oberhauses vor allem im Laufe des 20. Jahrhunderts immer weiter beschnitten und die Einführung des Life Peerages Act von 1958 sorgte dafür, dass im Oberhaus immer mehr Erbadelige durch Adelige auf Lebenszeit ersetzt wurden. Seit der Labour-Regierung unter Tony Blair ist die Anzahl der Erbadeligen im Oberhaus sogar auf nur noch 92 – von derzeit rund 800 Mitgliedern – begrenzt.
Ein fest zementierter Teil des britischen Oberhauses sind die geistlichen Lords, die Lords Spiritual, die dort neben den adeligen, sogenannten weltlichen Lords ihren festen Platz haben: 26 Bischöfe und Erzbischöfe der englischen Staatskirche Church of England, deren Sitz im Parlament an ihr geistliches Amt gebunden ist. Bis 2015 waren die geistlichen Lords der sogenannten "Bischofsbank" übrigens durchweg männlich, erst nachdem seit 2014 Frauen in der Church of England auch Bischöfinnen werden durften änderte sich das.
Auch wenn sich die Machtbefugnisse zwischen den beiden Kammern des britischen Parlaments im Verlauf der Jahrhunderte zugunsten des Unterhauses stark verschoben haben, hat das Oberhaus bis heute großen Einfluss auf die britische Politik und kann beispielsweise Gesetzesvorhaben verhindern.
Die britische Labour-Partei fordert deshalb eine grundlegende Reform des Oberhauses, konkret: das Haus soll durch eine zweite, gewählte Kammer ersetzt werden. Eine Forderung, die nicht nur bei Adeligen mit Oberhaussitz schlecht ankommt, sondern auch bei der Church of England, denn natürlich würde auch sie durch eine solche Reform ihre traditionellen Sitze in der Parlamentskammer verlieren – und mit ihnen erheblichen politischen Einfluss.
Das Vereinigte Königreich ist unter den westlichen Demokratien das einzige Land, das Vertretern religiöser Gruppen automatisch Sitze in der Legislative einräumt. 2021 ergab eine Umfrage, dass die meisten Briten der Meinung sind, die Bischofsbank solle abgeschafft werden. "Die Bischofsbank hat keinen Platz in einer modernen Demokratie – schon gar nicht in einem weitgehend nicht-religiösen und religiös vielfältigen Land, in dem die Christen heute in der Minderheit sind", erklärte hierzu Megan Manson von der National Secular Society (NSS). "Der Widerstand der Bischöfe gegen die Pläne für eine demokratischere zweite Kammer zeigt, wie selbstsüchtig die Lords Spiritual sind. Nach den Plänen der Labour-Partei ist es unvorstellbar, dass die Bischofsbank Teil der Legislative bleiben könnte, denn sie ist eine der archaischsten, undemokratischsten und am wenigsten legitimierten Gruppierungen im Oberhaus."
5 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
In England sitzt der Klerus offiziell im Parlament, in der BRD wirkt dieser auf Umwegen
Da aber die Menschen deren Lügen und Betrügereien immer mehr durchschauen, wird
sich auf lange Sicht ein Machtabbau des Klerus nicht verhindern lassen, trotz energischen Wiederstandes, die Menschen lassen sich nicht weiter belügen.
wolfgang am Permanenter Link
So eine Art Reformhaus, mit besonderen Zutaten, gelle?
A.S. am Permanenter Link
Dass die Kirche selbstsüchtig ist, erlebt man immer wieder auch in Deutschland.
Roland Fakler am Permanenter Link
Wenn Herrschaft nicht vernünftig legitimiert ist, war das immer Anlass zu Streit und Krieg. Warum sollte z.B.
Andreas Leber am Permanenter Link
Es ist ja so einiges böse schief gegangen in der deutschen Geschichte. Aber nicht alles, denn eines haben wir dann doch geschafft, schon vor über 100 Jahren: Da haben wir den sog.
"Gottesgnadentum" - wusstet ihr, dass es das heute(!) noch gibt? Genau darauf beruft sich der britische Monarch: Durch "Gottes" Gnade wurde ihm sein Amt verliehen, daher seine Souveränität, und über ihn die Souveränität des brit. Staates.
Unglaublich. Nicht Mittelalter, nicht frühe Neuzeit, sondern 21. Jahrhundert!