Notizen aus Polen

Der Konflikt eskaliert

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PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński und das Land
PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński und das Land

WARSCHAU. (hpd) Jede Woche bringt eine weitere Eskalation des Konflikts zwischen den PiS-Machthabern und der politischen und bürgerlichen Opposition. Das "Komitee zur Verteidigung der Demokratie" (KOD), bisher der einzige Veranstalter massenhafter Protestkundgebungen, hat Unterstützung bekommen. Die liberalkonservative Partei Nowoczesna hat zur Verteidigung des Verfassungstribunals aufgerufen.

Sowohl das KOD als auch andere politische Parteien sind einem Aufruf gefolgt und so marschierten am 12. März mindestens 60.000 Menschen allein in Warschau vom Sitz des Verfassungsgerichtes bis zum Präsidentenpalast. Auch in einigen anderen Großstädten gingen Tausende Polen am Wochenende auf die Straßen, um gegen die Regierung zu protestieren.

Über die Demonstration hat der Sender TVP Info berichtet. Die Redakteure, die darüber berichteten, haben am darauffolgenden Tag ihre Jobs verloren, weil zur gleicher Zeit die Bischöfe eine Beratung u.a. über den bevorstehenden Besuch des Papstes in Polen führten und der Sender – nach Meinung der TV Chefs – hätte über dieser Beratung berichten und nicht die Demonstration auf die Bildschirme bringen dürfen.

Die Teilnehmer der Protestkundgebung hatten guten Grund, ihre Unzufriedenheit und ihren Ärger öffentlich zu zeigen: am 9. März hat das Verfassungsgericht die PiS-Gesetze, die zur Lähmung des Tribunals führen sollten, als verfassungswidrig verurteilt. Die Regierungschefin Beata Szydlo hatte abgelehnt, das Urteil im Gesetzblatt zu veröffentlichen, weil ihrer Meinung nach "das Tribunal …illegal und gesetzwidrig tagen" würde. Die Venedig-Kommission verlangte von der polnischen Regierung, die jüngsten Urteile des Verfassungsgerichtes bedienungslos zu respektieren und unverzüglich zu veröffentlichen. Die Regierung erwiderte, dass Beschlüsse dieser Kommission lediglich fakultativ und für die polnische Regierung unverbindlich sind.

Am Mittwoch, dem 16. März sind Bauern vor den Sejm (das polnische Parlament) gezogen, um gegen das angekündigte "Gesetz zum Verkauf von ländlichen Grundstücken" zu protestieren. Im Sommer 2016 läuft das Moratorium für ein Verkaufsverbot der Grundstücke an Ausländer ab. Das neue Gesetz soll den Verkauf weiterhin verhindern; Ackerland dürfen nur diejenigen kaufen, die in dieser Ortschaft bestimmte Zeit leben und von Beruf Bauern sind. Danach würden sogar Kinder, die diese Kriterien nicht erfüllen, die Grundstücke von den Eltern nicht erben dürfen. Obwohl sich bei diesem Protest nur einige hundert Leute versammelten ist das die nächste Gesellschaftsgruppe, die gegen die PiS-Regierung protestiert. Man muss dabei betonen, dass die ländliche Wählerschaft bei den letzten Wahlen massenhaft die PiS unterstützte.

Der Verteidigungsminister, Antoni Macierewicz, hat die besondere Fähigkeit, internationale Skandale zu erwecken. In seiner Rede in der Hochschule des Pfarrers Tadeusz Rydzyk in Toruń sagte er, dass das Flugzeugunglück bei Smoleńsk, bei dem polnischer Präsident Lech Kaczyński ums Leben kam, ein internationaler Terrorismusakt war. Die russischen Medien und der Kremlsprecher haben sofort auf die Anspielung Macierewicz reagiert. Bisher hörte man aus Moskau so gut wie keine Kritik der neuen polnischen Regierung, weil die von der PiS verursachten Unruhen und die Spaltung der Gesellschaft im Interesse der russischen Machthaber sind.

Der gleiche Minister hatte auch die Amerikaner belehrt, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Polens einzumischen, weil die polnische Demokratie eine wesentlich längere Tradition als die amerikanische hat. Man darf sich deshalb nicht darüber wundern, dass das Gespräch des amerikanischen Botschafters mit Präsident Duda in frostiger Atmosphäre verlief.
Man darf sich auch nicht wundern, dass immer mehr Stimmen in Europa und in den USA für eine Verlegung des diesjährigen NATO Gipfels aus Warschau woandershin zu hören sind.

Der ehemalige Ministerpräsident von Polen, Jarosław Kaczyński, hat seine Strategie geändert: Als mächtigsten Gegner der regierenden PiS sieht er nun nicht mehr die parlamentarische Opposition an (die praktisch machtlos ist), sondern das KOD, das die Massenproteste gegen die PiS-Regierung organisiert. Kaczyński und seine Leute nutzen alle Möglichkeiten, um das KOD zu diskreditieren und seine Aktivisten persönlich anzugreifen.

Der Konflikt spitzt sich zu.