Tierheilpraktische Quacksalberei

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Vom 7.-9. Juli finden in einem 4-Sterne-Tagungshotel in der hessischen Kuppenrhön die sogenannten "Tierheilpraktikertage 2017" statt, ein mittlerweile zum 19tenmale veranstaltetes Stelldichein alternativveterinärer Heilkundiger und all derer, die sich dafür halten.

Unter der Schirmherrschaft einer als "Berufsverband" firmierenden "Kooperation deutscher Tierheilpraktiker e.V.", dem mithin die "Deutsche Gesellschaft der Tierheilpraktiker und Tierphysiotherapeuten e.V.", die "Deutsche Tierheilpraktiker-Union e.V.", der "Verband freier Tierheilpraktiker e.V.", der "Verband der Tierheilpraktiker für klassische Homöopathie e.V." sowie der "Berufsverband klassischer Tierhomöopathen Deutschlands e. V." angeschlossen sind, tauscht man sich drei Tage lang über "Phytotherapie nach Gesichtspunkten der Traditionellen Chinesischen Medizin", die "Energetische Verbindung von festem und feinstofflichem Körper" oder auch die Wirkung von "Heilpilzen in der Krebstherapie" aus.

Bemüht bedienen die Vortragsankündigungen sich wissenschaftlicher Terminologie, um dem geballten Nonsens, der da aufgetischt wird, den Anschein seriöser Tierheilkunde zu verleihen. Auch wenn es zunächst verwunderlich erscheint, dass sich unter den Referenten auch eine ganze Reihe promovierter und approbierter Veterinärmediziner findet, erklärt ein Blick auf die jeweiligen Lebensläufe, weshalb die Damen und Herren Doktores ausgerechnet auf einem Tierheilpraktikerkongress auftreten: eine "Dr. med.vet." beschreibt sich als "klassische Homöopathin", eine andere als "begeisterte Homöopathin" und eine dritte, ebenfalls auf Homöopathie spezialisiert, glaubt gar, ihrer Vita ihr Sternkreiszeichen mitanfügen zu müssen. Eine andere Dr. med. vet. führt Bach-Blüten und Schüßler-Salze für Hunde im Sortiment, während eine als "Dr. rer. nat." auftretende Kinesiologin energetische Osteopathie für Pferde anbietet. Eine weitere "Dr. rer. nat"-Referentin stellt sich gar als Reiki-Meisterin und Geistheilerin vor. Von alledem, was die tierheilpraktischen Referentinnen als fachlichen Hintergrund und Schwerpunkte ihrer heilerischen Tätigkeit angeben, ganz zu schweigen.

Was genau sind eigentlich Tierheilpraktiker?

Obwohl es den Beruf des Tierheilpraktikers in engerem Rechtsverständnis gar nicht gibt, bieten doch zahllose Tierheilpraktiker und Tierheilpraktikerinnen ihre kostenpflichtigen Dienste an. Das Netz quillt über vor alternativveterinären Heil- und Therapieverfahren: von Akupunktur, Bach-Blüten- und Craniosakraltherapie hin zu Kinesiologie, Spagyrik und Zytoplasmatischer Zellverjüngung.

Obwohl Tierheilpraktiker veterinärmedizinisch zu nichts befugt und nur zu wenig befähigt sind - die entsprechenden Ausbildungsgänge an eigens geschaffenen Tierheilpraktikerschulen vermitteln nicht einmal die elementarsten Grundlagen zu einer auch nur ansatzweise ernstzunehmenden Heilbehandlung gleich welchen Tieres -, dürfen sie sich doch nach Belieben niederlassen und nach Gutdünken ordinieren. Der Grund liegt darin, dass kein rechtliches Reglement für tierheilpraktische Erwerbstätigkeit existiert. Tierheilpraktiker sind in einem juridischen Freiraum tätig: sie dürfen im Rahmen der für jedermann geltenden Tierschutz-, Arzneimittel- oder Seuchengesetze praktizieren, dürfen also all das, was jeder Hunde- oder Pferdehalter mit seinen Tieren auch darf, und dürfen all das nicht, was jedem sonstigen veterinärmedizinischen Laien auch untersagt ist.

Die Frage nach veterinärmedizinischer Qualifikation eines Tierheilpraktikers beziehungsweise deren Überprüfung stellt sich dem Gesetzgeber nicht. Es ist also noch nicht einmal erforderlich, einen der zahlreich angebotenen Ausbildungsgänge zum Tierheilpraktiker zu durchlaufen: jeder, der sich berufen fühlt, kann sich ein Messingschild gravieren lassen, das ihn als "Tierheilpraktiker" ausweist, es an die Haustür montieren und hinfort alternativveterinäre Behandlungen anbieten. Niemand stellt die Frage nach fachlicher Qualifikation, niemand überprüft die Praxisgepflogenheiten und niemand kann den Tierheilpraktiker für seine Ratschläge und Maßnahmen zur Rechenschaft ziehen.

Dutzende privater Ausbildungseinrichtungen bieten in Deutschland Kurse zum "Tierheilpraktiker" an. Vielfach treten diese Einrichtungen unter Begriffen in Erscheinung, wie sie im Hochschulbereich üblich sind: sie nennen sich "Akademien" oder "Institute", bieten "Seminare" und "Studiengänge" an, bezeichnen ihre Teilnehmer als "Studenten" und verleihen "Diplome". Es läßt sich indes aus diesen Bezeichnungen weder auf ein höheres Niveau der Ausbildungsangebote schließen noch darauf, dass die einzelnen Einrichtungen irgendetwas mit wissenschaftlicher oder wissenschaftsähnlicher Arbeit zu tun hätten. Die Verwendung dieser gesetzlich nicht geschützten Begriffe dient vor allem der Absicht, Seriosität und abgesicherte Lehrinhalte zu suggerieren. Die Lehrgänge reichen von ein paar photokopierten Seiten im Fernkursus hin zu mehr oder minder umfänglichen Wochenendprogrammen, selbst der "anspruchsvollste" dieser Kurse muss indes als schlechter Witz gelten, gemessen an den Erfordernissen einer seriösen veterinärmedizinischen Praxis. In anderen europäischen Ländern gibt es derlei nicht-akademische Ausbildungsgänge für Tierheilkunde nicht, in Österreich ist tierheilpraktische Quacksalberei sogar unter Strafe gestellt.

All die beeindruckenden "Urkunden", "Zertifikate" und "Diplome", die einen Tierheilpraktiker - dito: Tiertherapeuten, Tierhomöopathen, Tiernaturheilbehandler und dergleichen. - als solchen ausweisen, haben keinerlei Rechtsrelevanz, sie sind, juristisch besehen, gerade einmal das Papier wert, auf das sie gedruckt stehen. Es ist dabei völlig egal, ob sie von einem Fernlehrinstitut, einer Tierheilpraktikerschule oder einer Privatperson verliehen wurden oder ob ein Tierheilpraktiker sich seine Zertifikate auf dem PC oder einem Photokopiergerät selbst hergestellt hat.

Tierschutz? Fehlanzeige.

Konsequent umgesetzter Tierschutz - seit 17. Mai 2002 ist Tierschutz Teil des Grundgesetzes (Artikel 20a GG) - müsste längst auch Schutz vor unzureichend qualifizierten Tierheilern bedeuten, die ohne die geringste Ahnung von seriöser Diagnosestellung, ohne Ahnung von Indikation und ohne Ahnung von klinisch wirksamen Heil- und Hilfsmaßnahmen mit irgendwelchen Pseudodiagnostik- und Pseudoheilverfahren herumdilettieren, die dem behandelten Tier im besten Fall nicht schaden, die aber eine Gesundheitsgefährdung mittelbar dadurch zur Folge haben können, dass das rechtzeitige Erkennen eines ernsten Leidens beziehungsweise der rechtzeitige Einsatz einer sinnvollen Therapie womöglich verzögert wird, weil der Tierheilpraktiker über die hierzu erforderliche veterinärmedizinische Fachkenntnis nicht verfügt.

Vielfach setzen sich Tierheilpraktiker mit aktivem Tierschutz in eins. Sie suggerieren, die von ihnen vertretene "sanfte" und "nebenwirkungsfreie" Heilkunde bewahre das erkrankte Tier vor den invasiven Apparaten und prinzipiell schädlichen Pharmaprodukten entseelter Schulveterinäre, denen sie jedes persönliche Interesse am Wohlergehen ihrer Patienten absprechen. Selbst wenn diese Kritik generell zuträfe - worauf es trotz der unsäglichen Rolle, die (Amts-)Tierärzte etwa in der Haltung und Verwertung sogenannter "Nutztiere" oder für den Betrieb von Zoos und Zirkussen spielen, keinen Hinweis gibt -, wäre die alternative Tierheilkunde keine Alternative: Die eingesetzten Verfahren sind durch die Bank untauglich (und werden nicht tauglicher dadurch, dass sie, wie etwa Akupunktur, Homöopathie oder Neuraltherapie gelegentlich auch in den Praxen approbierter Veterinärmediziner anzutreffen sind). Die ständig angeführten "Erfolge" der alternativen Tierheilverfahren beruhen in der Regel darauf, dass unterschiedlichste Beeinträchtigungen der Gesundheit nach einer Zeit "von selbst" wieder verschwinden, ohne dass sie in irgendeiner Weise behandelt worden wären. Besitzer oder Halter von Tieren mit derlei Beeinträchtigung suchen häufig "alternative" Heiler auf, die dann, ebenso wie sie selbst, natürliche oder spontane Heilungsverläufe oder zyklische Besserungen als Ergebnis der jeweiligen "Behandlung" interpretieren.

Esoterischer Nonsens

Als gänzlich indiskutabel sind all die Esoterikverfahren zu werten, die über die Tierheilpraktik Eingang in die Veterinärheilkunde gefunden haben: von Astrologie, Aura-Healing und Edelsteintherapie über Feng-Shui und Magnetfeldbehandlung hin zu Radiästhetischer Diagnostik mit Pendel oder Wünschelrute. Nicht zu vergessen: Telepathische Kommunikation mit dem erkrankten Tier, bei der die Tierheilpraktikerin - es ist dies eine fast ausschließlich weibliche Domäne - auf "medialem Wege" mit dem erkrankten Tier in Kontakt tritt. Derlei Kontaktnahme geschieht in der Regel über einen Hausbesuch, bei dem die Heilerin sich - angeblich - in Trance versetzt und mit dem Tier in "mentale Verbindung" tritt. Sie übermittelt diesem auf telepathischem Wege von der Tierhalterin - auch die zahlende Kundschaft ist überwiegend weiblich - zuvor aufgelistete Fragen und gibt dessen auf gleichem Wege zurückübermittelte Antworten verbal an die Tierhalterin weiter. Insbesondere sei es möglich, das Tier nach seinem Befinden zu fragen und danach, welches Medikament es benötige: Tiere seien in der Lage, das für sie jeweils erforderliche Bach-Blütenpräparat oder Homöopathikum selbst zu bestimmen und mitzuteilen. Eine 15- bis 30-minütige Tierkommunikation "vor Ort" kostet bis zu 250 EUR, zuzüglich anfallender Spesen. Preisgünstiger ist da eine telepathisches Gespräch mit dem Tier via Telephon; wahlweise auch eine Fernbehandlung durch Gesundbeten oder Handauflegen über einem eingesandten Photo oder Haarbüschel.