Verleihung des Feuerbach-Preises an Dr. Gerhard Czermak

Aus der Kritik der Religion wurde eine Kritik des Rechts

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Michael Schmidt-Salomon, Gerhard Czermak und Gerhard Rampp (v.l.n.r.)

Festlich, anregend, mal launig, mal besinnlich und schließlich zu Herzen gehend war der Festakt im gut besetzten Veranstaltungssaal der Stadtbücherei Augsburg. Im Anschluss gab der Preisverleiher Bund für Geistesfreiheit (bfg) Augsburg einen Stehempfang. Bei Sekt und Häppchen kam es hier zu regen Gesprächen zwischen Gästen, Preisträger und Laudator.

Nach einer musikalischen Einstimmung durch das Flötenduo Gislinde Nauy und Angela Frenkel begrüßte der Erste Vorsitzende des bfg Augsburg, Gerhard Rampp, die rund 60 Gäste im Büchereisaal. Persönlich hieß er Frederic Forkel als Landesvorstand der Partei der Humanisten und Rainer Rosenzweig als Vorstandsmitglied des Zentralrats der Konfessionsfreien und Präsident des Humanistischen Pressedienstes willkommen. Nach einem weiteren barocken Flötenduett brachte Rampp seine Verlegenheit darüber zum Ausdruck, dass der Feuerbach-Preis dieses Jahr an eine Persönlichkeit ging, die ihr seltenes Fachwissen und Engagement auf dem Gebiet des Religions(verfassungs)rechts nicht nur als Schriftsteller, Berater und Direktoriumsmitglied des Instituts für Weltanschauungsrecht fruchtbringend einsetzte, sondern auch viele Jahre im Vorstand des Bundes für Geistesfreiheit Augsburg tätig war. "Ehrt da am Ende nicht der bfg sich selbst?", fragte sich sein Vorsitzender kurz, um danach klarzumachen, dass ihm einfach im Laufe der Jahre bewusst geworden sei, dass Gerhard Czermak bundesweit eine derart immense Bedeutung als Religionsverfassungsrechtler habe, dass er schon allein deshalb den Preis hochverdient habe.

Von Ludwig Feuerbach über Karl Marx zu Gerhard Czermak

Danach sprach der Philosoph, Schriftsteller und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung Dr. Michael Schmidt-Salomon seine Laudatio. In ihr spannte er einen weiten Bogen von Ludwig Feuerbach, den er als Begründer der modernen Religionskritik in Deutschland bezeichnete, über Karl Marx zum Preisträger.

Schmidt-Salomon führte aus, dass Karl Marx meinte, es gebe keinen anderen Weg zur Wahrheit und Freiheit als durch Feuerbach und dass Ludwig Feuerbach "das Purgatorium der Gegenwart" sei. Er sagte: "Marx schrieb dazu: 'Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Religion in die Kritik des Rechts' und damit sind wir auch schon bei unserem heutigen Feuerbach-Preisträger angekommen: Denn wenn es irgendjemanden gibt, der aufgezeigt hat, wie aus der Kritik der Religion eine Kritik des Rechts erwächst, dann unser Freund Gerhard Czermak!"

Gerhard Czermak, Foto: © Heidi Jovanovic
Gerhard Czermak, Foto: © Heidi Jovanovic

Nach dieser Einleitung sprach Schmidt-Salomon ausführlich über Czermaks Werdegang und Bedeutung und stellte einige seiner zahlreichen Publikationen vor. Er würdigte sein Insistieren auf den weltanschaulich neutralen Staat und ging auf seine Bedeutung für den Ausgang von Gerichtsverfahren und Verfassungsbeschwerden ein, in die seine Expertise einfloss, wie beispielsweise die Anfechtung des Verbots einer "Heidenspaß-Party" an Karfreitag. Von Czermak habe er gelernt, dass wir in der gesellschaftlichen Debatte vor allem auch mit juristischen Argumenten punkten müssten, so Schmidt-Salomon. Als großen Verdienst des Preisträgers stellte er heraus, mit aller gebotenen Nachdrücklichkeit formuliert zu haben, dass nur wenn der Staat als neutraler, unparteiischer Schiedsrichter auf dem Spielfeld der Religionen und Weltanschauungen auftritt, er die notwendige Autorität besitze, um die für alle geltenden Spielregeln durchsetzen zu können.

Freude des Preisträgers und kritische Betrachtung des Religionsrechts

Darauf folgte die Übergabe der Preisurkunde und einer Medaille sowie eines symbolischen Schecks über das Preisgeld in Höhe von 2.000 Euro. Der Preisträger reagierte sichtbar gerührt und etwas verlegen auf die Lobeshymnen und Feierlichkeiten. Dann sprach er über Religionsrecht aus einer säkularen Perspektive. Dabei betonte er die Ideologielastigkeit dieser Materie und wies auf die Herausforderungen hin, faire Behandlung und Gleichberechtigung verschiedener Weltanschauungen sicherzustellen. Historische Bezüge, insbesondere zu Kriegen, in denen Religion eine Rolle spielt, wurden hergestellt. Der Fokus lag auf dem Grundgesetz und der Entwicklung des Religions- und Weltanschauungsrechts in Deutschland. Kritisch ging Czermak auf die Praxis der Kirchenprivilegien und die mangelnde Umsetzung weltanschaulicher Neutralität des Staates sowohl in der alten Bundesrepublik als auch in der aktuellen Rechtspraxis ein und schloss mit einem Hinweis auf die anhaltende Problematik der Kirchenprivilegierung und der fehlenden Umsetzung des Neutralitätsgebots.

Angstfrei lässt es sich nur in einer humanistischen, säkularen Gesellschaft agieren

Berührend war der musikalische Ausklang dieses kurzweiligen, feierlichen Abends. Die beiden Flötistinnen spielten das hebräische Lied, das sie am 15. Oktober in der Augsburger Synagoge hätten vortragen sollen, bevor das Konzert im Licht der aktuellen Situation und Ereignisse abgesagt wurde: "Ets Chayim Hi". "Eine humanistische, säkulare Gesellschaft ist die einzige Gesellschaft, in der man ohne Angst jedes Lied spielen kann", sagte die Flötistin Gislinde Nauy danach.

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