Das Kruzifix muss weg

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Das Kruzifix, also das Kreuz, an dem Jesus hängt, ist eines der bekanntesten religiösen Symbole. Man findet es praktisch in allen katholischen Kirchen. Kruzifixe stehen oft auch an Pilgerwegen oder auf Berggipfeln. Sie sollen zur stillen Einkehr ermuntern. Auch bei manchen Prozessionen wird das Kruzifix als urchristliches Symbol um die Kirche getragen. Vor allem an Karfreitag. Es gibt aber auch Schulen und Spitäler, in denen der gekreuzigte Heiland die Wände ziert und an das Leiden von Jesus erinnern soll. Eher speziell ist, dass zumindest früher viele Katholiken ein Kruzifix über das Ehebett hängten. Die Überwachung durch den Sohn Gottes war quasi umfassend und hautnah.

Anders bei den Protestanten. Sie versuchen, sich kein Bildnis von Gott zu machen und hängen in der Regel auch keine Bilder in den Kirchen auf. Somit finden sich auch keine Kruzifixe in ihren Gotteshäusern.

Doch wurde Jesus tatsächlich gekreuzigt? Manche Historiker und Theologen bezweifeln es. So auch der schwedische Theologe Gunnar Samuelsson, der zahlreiche historische griechische, römische und hebräische Texte jener Zeit ausgewertet und die 400-seitige Schrift "Crucifixion in Antiquity: An Inquiry into the Background of the New Testament Terminology of Crucifixion" verfasst hat.

Kaum Hinweise auf Kreuzigung

Der Theologe fand kaum Hinweise, dass zur Zeit von Jesus Hinrichtungen durch Kreuzigung vorgenommen wurden. Viel wahrscheinlicher ist demnach, dass Hingerichtete an einen Pfahl oder Stamm gebunden wurden. Allenfalls auch an einen T-Balken.

Nach Samuelssons These wurden viele Verbrecher mit anderen grausamen Methoden getötet und anschließend zur Schaustellung und Abschreckung an einen Balken geknüpft. Als sehr unwahrscheinlich taxieren Experten die Vorstellung, dass die Verurteilten mit Nägeln festgemacht worden sind.

In katholischen Gegenden waren früher Kruzifixe in Schulen und Gemeindehäusern praktisch die Norm. Im Zug der Säkularisierung regte sich Widerstand dagegen. Kritiker monierten, das christliche Symbol in öffentlichen Gebäuden verletze die Religionsfreiheit.

Zwar verstoßen Kruzifixe in Klassenzimmern nach Ansicht des Bundesgerichts gegen die Pflicht zur religiösen Neutralität (BGE 116 Ia 252 ff.), das veranlasst aber die Behörden in einzelnen katholischen Gemeinden nicht, ihre Kruzifixe abzuhängen. Das Bundesgericht hat nämlich kein generelles Verbot erlassen. Kritiker müssten also in jedem Fall aktiv werden. Ob dies auch für schlichte Kreuze gilt, haben die obersten Richter nicht entschieden.

Die Auseinandersetzung um das Kruzifix hat aber auch eine pädagogische Seite, schließlich ist es eine Gewaltdarstellung. Der Sohn Gottes, der an großen Nägeln am Kreuz hängt und aus einer Wunde im Oberkörper blutet, ist kein erbaulicher Anblick.

Er kann speziell sensible Kinder ängstigen, die den religiösen Kontext und die Symbolik des Kruzifix' nicht erfassen können. Sie sind auch nicht fähig, den kulturellen Aspekt und die religiöse Tradition zu erkennen. Auch auf depressive oder psychotische Gläubige kann der Gekreuzigte, von dem sie eigentlich Trost und Hoffnung erwarten, traumatisierend wirken. Da ihre Wahrnehmung oft getrübt ist, kann es für sie ein verstörendes Paradox sein, dass der Erlöser ohnmächtig am Kreuz hängt.

Das Kruzifix ist aus heutiger Sicht verstörend

Die religiöse Erlösung durch den martialisch dargestellten Kreuztod von Jesus ist aus heutiger Sicht verstörend. Man kann einwenden, dass dies ein althergebrachtes Symbol sei, doch dadurch wirkt der Anblick nicht sanfter oder erträglicher.

Wenn die Hoffnung auf Erlösung sinnbildlich mit dem grausamen Tod am Kreuz verbunden wird, läuft etwas ziemlich schief. Da wäre eine Anpassung an das heutige moralische und ästhetische Empfinden dringend gefordert. Zumal ja das Kruzifix den Tod von Jesus höchstwahrscheinlich nicht korrekt abbildet.

Doch es dürfte Wunschdenken bleiben, dass sich die katholische Kirche in dieser Sache bewegt. Sie schaufelt sich lieber das eigene Grab, als auf die Bedürfnisse und Ängste der Gläubigen einzugehen. Das sehen wir auch exemplarisch bei der Frauenordination und der Verhütung.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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