Der Bund für Geistesfreiheit Regensburg wendet sich mit einer Kunstpostkarte zu Kindesmissbrauch in den Großkirchen an die Öffentlichkeit. Mit der sehr provokanten Darstellung will er Aufmerksamkeit erregen und auf die noch immer sehr schleppende Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche hinweisen.
Insbesondere das überwiegende Fehlen von Urteilen staatlicher Gerichte legt nahe zu verdeutlichen, worum es bei sexuellem Missbrauch seitens Mitarbeitern von Religionsgemeinschaften geht. Denn genaue Einordnungen durch die Justiz und angemessener Ausgleich über sie hätten Signalwirkung, auch auf weitere Straftaten. Zunächst einmal um etwas vom Wesen einschlägiger Unrechtstaten aufzuzeigen, hat der Künstler Uwe Molkenthin ein Postkartenmotiv gestaltet. Unterstützung hierfür gab es vom Bund für Geistesfreiheit (bfg) Regensburg.
Zusammen mit den Worten "Komm spielen" sind Kopf und Gliedmaßen einer Kinderpuppe sowie ein herausgebrochenes Teil zu sehen, das an den Penis eines Erwachsenen erinnert. Befestigt sind die Elemente in einer wirklichkeitsnahen Anordnung an einem x-förmigen schwarzen Kreuz, wie es zur Folter verwendet wurde und im BDSM-Bereich Einsatz findet. Der Bereich des frühkindlichen Unterleibs bleibt ausgespart. Um die Schwere des Unrechts und die Banalität der Verbrämung zu verstehen, kann man sich dem Werk aussetzen, der Montage und den Worten dazu.
Einschließlich höherer Altersgruppen Minderjähriger und anderer Formen sexuellen Missbrauchs beziehungsweise sexualisierter Gewalt gehen die Auftragsstudien der hiesigen römisch-katholischen und der evangelischen Großkirche von wenigstens 3.677 beziehungsweise 2.225 Betroffenen aus. Sie beziehen sich auf die Zeiträume 1946 bis 2014 beziehungsweise August 1945 bis 2020. Fachleute wie der Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. Jörg Fegert haben Aussagen in einer Befragung hochgerechnet auf eine Gesamtzahl, die ein oder zwei Größenordnungen darüber liegt.
In Folge der Belastungssituation treten psychische Erkrankungen sehr unterschiedlicher Art mit erhöhtem Risiko auf. Uwe Molkenthin macht in diesem Zusammenhang sowohl bis zur Notfallreaktion gehende sofortige Abläufe im Gehirn als auch Dauer- und Spätschäden plausibel, vor allem eine mögliche Zerrissenheit und gestörte Sexualität. Dabei soll die Feststellung, Dokumentation und Anerkennung des Unrechts Ausgangspunkt für dessen letztliche Verarbeitung sein.
Der Kontrast von kindlichen und rohen Elementen wirkt beklemmend und unmittelbar. Zu Tage tritt auch ein Widerspruch zwischen sakralem Schein und triebhafter Realität, einem so interpretierbaren Andreaskreuz und überhaupt religiösem Kreuz einerseits und einer genitalen pädophilen Tat andererseits. An der Stelle des üblichen Korpus sind einzelne Puppenteile fixiert. Das Augenmerk gilt dem Betroffenen, nicht der vermeintlichen Respekts- und Vertrauensperson, die an ihm handelt. Aufschlussreich sind auch Farbwahl und Typographie.
Zu vielen anderen, differenzierten und mitunter koloristischen Werken von Uwe Molkenthin bildet "Komm spielen" einen Gegensatz. Es handelt sich um eine seiner heftigsten Arbeiten. Der Westfale kennt Hochschule und Care-Arbeit, sein gestalterisches Können speist sich auch aus Pressefotografie und Fortbildungen. Engagiert hat er sich bereits mit einer Ausstellung gegen die Beschneidung von Frauen, die wie im Begleittext der Postkarte angedeutet religiöse Hintergründe haben kann. Er sieht darin einen "barbarischen Akt".
Weil das Thema an der Schnittstelle von Menschenrechtsarbeit, Religions- und Kirchenkritik liegt, zentralen Betätigungsfeldern des Bundes für Geistesfreiheit, bringt sich der Verband bereits länger zivilgesellschaftlich diesbezüglich ein. Er ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts den großen Religionsgemeinschaften gleichgestellt.
Der Betroffene Andreas Perr führt einen Prozess um Schmerzensgeld vor dem Landgericht Traunstein. Der Bund für Geistesfreiheit München unterstützt ihn dabei finanziell. In Zusammenarbeit mit neun Betroffeneninitiativen wurde überdies in München am 27. Januar 2022 anlässlich der Vorstellung des dortigen Missbrauchsgutachtens eine Demonstration gegen die Vertuschung solcher Taten organisiert. Als das geschützte Rechtsgut oder eines von mehreren wird häufig die ungestörte sexuelle Entwicklung genannt.
Um Ursachen anzugehen und nicht nur Symptome abzumildern stehen säkular-humanistische und wissenschaftliche Inhalte bereit. Dass sexuelle Unrechtstaten gegen Kinder sowie deren Verheimlichung speziell in der katholischen Weltkirche weit verbreitet waren, ist lange klargelegt. Der Kirchenhistoriker Dr. Karlheinz Deschner beschrieb in seiner Sexualgeschichte des Christentums "Das Kreuz mit der Kirche" von 1974 beziehungsweise 1992 bereits eine regelrechte Tradition klerikalen Missbrauchs detailliert im 17. Kapitel "Die Zölibatsmoral". Wer Dokumentationen wie die von Deschner als nur für die ferne Vergangenheit relevant betrachtet, dem kann man die Postkarte von Uwe Molkenthin und vom Bund für Geistesfreiheit Regensburg entgegenhalten.