Offener Brief an Dr. Georg Bätzing

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Der Limburger Bischof Georg Bätzing – seit März 2020 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

Hermann Schell, erster Vorsitzender von MissBiT e.V. – Missbrauchsopfer & Betroffene im Bistum Trier, hat an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing einen Offenen Brief geschrieben. Der hpd gibt ihn hier im Wortlaut wieder.

An Dr. Georg Bätzing in seiner Rolle als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, als ehemaliger Generalvikar des Bistums Trier, als Kind und Jugendlicher in seiner Heimatgemeinde Niederfischbach.

Am 18. Juli 1987 wurden Sie zum Priester geweiht. Während Ihrer Weihe haben Sie sich vor Gott auf den kalten Boden im Trierer Dom gelegt.

Und in dem Moment, als Sie aufgestanden sind, haben Sie das Evangelium verraten, uns verraten, die Betroffenen sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier. Und jetzt in ihrer Rolle als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz alle Betroffenen in Deutschland, Bolivien, Afrika, weltweit.

Sie haben sich eingereiht in der Täterorganisation Kirche, Sie selbst tragen große Mitverantwortung am Vertuschen von Sexualstraftaten durch die Ihnen wohlbekannten Priester. Im Fall Otmar M. haben Sie gemeinsam mit Ackermann und Marx Fehler zugegeben. Unkonkret und nichtssagend. Bis zum Abschluss des Zivilverfahrens wollten Sie alle sich nicht mehr äußern. Otmar M. wurde mittlerweile auch aus dem Klerikerstand entlassen. Mit Spannung erwarten wir eine erneute Presseerklärung. Den Gläubigen und der Öffentlichkeit sind Sie diese Erklärung bisher schuldig geblieben.

Als Generalvikar im Bistum Trier haben Sie Kenntnis über eine Vielzahl von Tätern erlangt. Hier haben Sie fleißig mitgeholfen, die Täterorganisation zu schützen. Mittlerweile sind im Bistum Trier seit 1945 238 Täter und 711 Opfer bekannt. Den einen oder anderen Täter haben Sie sicherlich gesprochen, in den Personalsitzungen als Täter identifiziert, danach versteckt. Auch der Fall Weißenfels reiht sich hier nahtlos ein.

Wie viele Täter haben Sie gemeinsam mit Bischof Ackermann in Altenheime, Krankenhäuser verschoben, zum Studium beurlaubt? Wie viele Briefe haben Sie unterschrieben, die nur das eine Ziel hatten, Sexualstraftäter zu schützen. Die Aufarbeitungskommission im Bistum Trier beschäftigt sich aktuell mit Ihrer Verantwortlichkeit, der von Bischof Ackermann und von Kardinal Marx. Werden Sie gemeinsam Verantwortung übernehmen? Zurücktreten?

Bei "Anne Will" haben Sie live am 31.01.2022, gerade als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz gewählt, Akteneinsicht für die Betroffenen versprochen. Drei Jahre später weiterhin Fehlanzeige. Erwartbar.

Ich konnte am 16.01.2025 in Ihrer Heimatgemeinde Niederfischbach an einer außergewöhnlichen Veranstaltung teilnehmen. Der Missbrauch durch den Priester Brockschmidt wurde auf Initiative eines Betroffenen hin öffentlich diskutiert. Ich kann mir vorstellen, welchen Gegenwind die VeranstalterInnen vor der Veranstaltung erfahren haben.

Im Verlaufe des Abends  haben sich weitere Betroffene als Opfer geoutet. Nach meiner Zählung derzeit sechs bekannte Jugendliche. Und das ist nur das Hellfeld.

Sie werden viele der Opfer kennen, vielleicht waren Sie oder ihre Geschwister sogar unmittelbar selbst in Gefahr.

Über die Vorgänge um Pfarrer Brockschmidt haben Sie sich auch schon geäußert: Wie immer unkonkret, verklausuliert, nichtssagend. Eine Aneinanderreihung von Entschärfungsfloskeln, ja gar beleidigend: "…die Überlebenden, wie sie sich oft nennen…"

Ein aufrichtiger, mutiger Bischof würde eine Folgeveranstaltung in Niederfischbach organisieren und sich den Fragen der Gemeinde stellen. So könnten Sie nachholen, was Ihnen schon immer als diffuse Last erschien.

Zur Erinnerung hier ihre Aussage (Quelle: domradio.de):

"Ich komme selbst aus einer Pfarrei, in der es einen Priester gab, der Jugendliche missbraucht hat, Kinder missbraucht hat. Und ich könnte an diesem Beispiel alle Strukturelemente, die wir aufgedeckt haben, erkennen: Das Verschweigen, das Wegdrücken bei den jungen Leuten; das Schauen, den Täter sozusagen unschädlich zu machen. Was mit den Betroffenen ist, spielte kaum eine Rolle. Bis heute hat keine echte Kommunikation darüber stattgefunden. Das war in den 60er-Jahren – also gottlob, bevor ich Jugendlicher war. – Ich habe immer ein Wissen darüber gehabt, aber ein sehr unspezifisches, weil nicht darüber geredet wurde. Insofern habe ich im Grunde auch für mich persönlich den gesamten Lernprozess mitmachen müssen. Auch mit der Enttäuschung darüber, was Priester anrichten, wenn sie ihre Macht und ihre geistliche Macht in dieser Weise missbrauchen. Ich muss ehrlich sagen, das ist eben auch persönlich für mich als Priester eine Enttäuschung, dass man diese Macht nicht zum Fördern einsetzt, sondern missbräuchlich, Menschen damit für ihr ganzes Leben schädigt und ihnen den Glauben aus dem Herzen reißt.

Diesen Lernprozess und auch den Perspektivwechsel auf die Opfer, die Betroffenen, die Überlebenden, wie sie sich oft nennen, ihnen Aufmerksamkeit zu widmen, das habe ich wirklich erst lernen müssen. Mühsam lernen müssen."

Die Akten dieses Falles haben Sie sich doch sicherlich schon in ihrer Zeit als Generalvikar in Trier angesehen? Schon aus reiner Neugier, oder etwa nicht?

Wann gehen Sie nach Niederfischbach und stehen Ihren ehemaligen Spielkameraden und Freunden, ob betroffen oder nicht, zur Seite? Stellen Sie sich der Herausforderung?

Doch vorher sollten Sie sich wieder vor Gott auf den kalten Boden legen und genau überlegen, auf welche Seite Sie sich stellen wollen, wenn Sie sich wieder aufrichten.

Eine zweite Chance hat jeder, auch Sie.

Ich wette: Sie kneifen.

Gruß

Hermann Schell, MissBiT e.V., Trier

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