Das Anfang Februar ausgelieferte Heft 4/16 der Zeitschrift MIZ wirft einen Blick zurück auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum bayerischen Feiertagsgesetz und dem langen Weg zu dieser Entscheidung. Auskunft aus erster Hand erteilt dabei Assunta Tammelleo, als Vertreterin des Bundes für Geistesfreiheit (BfG) München, der den Stein ins Rollen gebracht hatte.
Sie schildert, welche Überlegungen eine Rolle gespielt hatten, die Religionsfreie Zone am Karfreitag 2007 mit "Freigeistertanz" anzukündigen und somit zumindest ein teilweises Verbot der Veranstaltung zu provozieren. Angesichts des Ergebnisses ist sie der Auffassung, dass der zehnjährige Marsch durch die Instanzen sich gelohnt hat.
Etwas zurückhaltender beurteilt Gerhard Czermak den Richterspruch in seiner juristischen Analyse. Zwar bewertet er die Tatsache positiv, dass das Gericht die Weltanschauungsfreiheit der Nichtreligiösen nicht der Religionsausübungsfreiheit der Dominanzreligion unterordneten (wie die die Verwaltungsgerichte noch getan hatten). Doch sieht er den rechtspolitischen Kampf um das Feiertagsschutzgesetz noch nicht als gewonnen an.
Ebenfalls mit einem rechtspolitischen Thema setzt sich Vera Muth auseinander: Vor zehn Jahren lief die Debatte über die Aufhebung des Verbots der religiösen Voraustrauung (und letztlich wurde dieses auch abgeschafft). Interessant an ihrer Darstellung ist nicht zuletzt, dass damals ein beachtlicher Teil der Abgeordneten offenbar nicht verstanden hatte, dass die juristische Gültigkeit einer von einem Religionsvertreter geschlossenen Ehe und die Wirksamkeit einer solchen Zeremonie im sozialen Umfeld zwei völlig unterschiedliche Dinge sind (und somit vor allem Frauen betreffende Probleme gar nicht in den Blick kamen).
Arzu Toker berichtet über die Rahmenbedigungen für die Aktivitäten von Ateizm Derneği, einem türkischen atheistischen Verein, der den IBKA-Preis Sapio erhalten wird. Ihr Fazit: die Islamisierung der Türkei schreitet voran und der zunehmende Druck auf Ateizm Derneği ist ein Kennzeichen dafür. Mit einer anderen Art des islamischen Fundamentalismus setzt sich der französische Film Salafistes auseinander, den Assia Maria Harwazinski vorstellt.
Als Beitrag zur aktuellen Humanismus-Debatte verstehen sich die fünf Thesen von Horst Groschopp. Darin beklagt der ehemalige Präsident des HVD die "grundsätzliche Distanz derjenigen, die sich als Atheisten organisieren", gegenüber dem Humanismus. Im Atheismus sieht der Autor des Buches Pro Humanismus keine Weltanschauung, doch für die politischen Herausforderungen unserer Zeit hält er eine "ordentliche Weltanschauung" für die beste Grundlage diese erfolgreich zu bestehen.
Abgerundet wird das Heft durch zwei Erinnerungen an Persönlichkeiten mit aufklärerischer Wirkung. Gottfried Beyvers stellt den deutsch-französischen Philosophen Paul Henri Thiry d’Holbach vor und Rüdiger Vaas gratuliert Stephen Hakwing zum 75. Geburtstag.
Daneben gibt es die üblichen Rubriken Internationale Rundschau, Netzreport und Zündfunke sowie Buchbesprechungen und eine sehr treffende Glosse von Daniela Wakonigg zum Lutherland.
MIZ - das bedeutet Materialien und Informationen zur Zeit. Das Vierteljahresmagazin des IBKA (Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten) erscheint seit 1972 und kann über den Alibri-Verlag Aschaffenburg bezogen werden.
1 Kommentar
Kommentare
Kay Krause am Permanenter Link
Selbstverständlich ist Atheismus keine Weltanschauung.
Humanismus ist meiner Ansicht nach mit beidem vereinbar: mit Atheismus ebenso wie mit Gottesglauben. Unter Humanismus verstehe ich (vereinfacht) Menschenfreundlichkeit. Und ein Menschenfreund, ein Helfer in der Not, ein guter Nachbar (u.s.w.) kann doch schließlich jeder sein, auch wenn so manches Bibelwort dem entgegensteht. Auch Nazis können Atheisten sein, oder umgekehrt. Aber welcher Schwachkopf behauptet, der National-Sozialismus basiere auf dem Atheismus? Die Zusammenarbeit zwischen Nazis und den deutschen Kirchen hat doch von 1933 bis 1945 wunderbar funktioniert?! Selbst der kleine Maler mit der großen Klappe aus Österreich war Zeit seines Lebens Katholik! Und selbst nach dem Krieg hat die katholische Kirche die Flucht der verantwortlichen Nazis nach Argentinien organisiert! Auch heute sind bei Organisationen, welche Asylantenheime anzünden, diverse Kirchgänger dabei, denen die Alltagssünde am Sonntag wieder vergeben wird. Wunderbare Welt!