Nach Kippen des Paragraphen 217 – keine Änderungen in der Praxis?

Für suizidwillige Patient*innen hat sich in Bezug auf ihre Ärzt*innen zunächst so gut wie nichts getan. Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) präsentierte einen Gesetzentwurf mit konkreten Neuregelungen, welche die Patientenautonomie hervorheben und in der Praxis durchsetzen sollen.

Darüber und über einen Gegenentwurf von vier Hochschulprofessoren wird es im August jeweils ein öffentlich zugängliches Videogespräch geben – mit der FDP-Abgeordneten Katrin Helling-Plahr, welche das parlamentarische Verfahren in liberaler Richtung in Bewegung bringen will.

Im Februar/März kam Corona – gerade war das strafrechtliche Verbot der Suizidhilfe gekippt. Es gibt aber zu einer Veränderung bisher nur diese eine wichtige Meldung des Vereins Sterbehilfe: Durch ihn wurde erstmals völlig legal einem Pflegeheimbewohner zum Freitod verholfen – gut drei Monate nach dem spektakulären Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Seitdem habe man, gibt Vereinsgeschäftsführer Jakub Jaros in der taz an, über diesen speziellen Fall hinaus deutschlandweit 24-mal Mitgliedern Suizidhilfe geleistet – ausschließlich mithilfe von "ihren" (mit dem Verein kooperierenden) Ärzt*innen und Apotheker*innen zwecks Begutachtung und Beschaffung der notwendigen Medikamente.

Währenddessen gründeten der Sterbehilfeverein Dignitas Deutschland und die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) eine gemeinsame sogenannte Suizidversuchs-Präventionsberatung, die an Wochentagen jeweils zwei Stunden telefonisch zu erreichen ist, um vor allem "kurzschlüssige und riskante Suizidversuche zu verringern". Von den beiden Organisationen wird, wie hier vom Dignitas-Generalsekretär (und -Gründer) Ludwig A. Minelli, jegliche Neuregelung als gesetzliche Begrenzung der Freiheit abgelehnt oder deren Notwendigkeit (wie hier von der DGHS) zumindest stark in Zweifel gezogen. Paradoxerweise stellt die DGHS dabei gleichzeitig fest, dass sich ohne den (auch rechtlichen) Rückhalt konkreter Verfahrenskriterien weiterhin kaum ein Arzt oder eine Ärztin zur konkreten Suizidhilfe bereitfindet – selbst, wenn sie diese moralisch prinzipiell nicht ablehnen.