Diese Woche sind die katholischen Bischöfe in Deutschland zu ihrem Herbsttreffen zusammengekommen. Missbrauchsbetroffene und Medien scheinen nichts mehr zu erwarten. Das Interesse war gering, die Ergebnisbilanz auch. Da hilft nur noch Zynismus.
Fast auf den Tag genau fünf Jahre ist es nun her, dass die Deutsche Bischofskonferenz die erste Missbrauchsstudie vorstellte, die sogenannte "MHG-Studie". Das mediale Interesse war enorm, die Erschütterung groß. Zahlreiche weitere dieser Studien für einzelne Bistümer sollten folgen und den Eindruck verfestigen, dass die Kirche es einfach nicht gebacken kriegt, was ihr der Staat überlassen will, anstatt selbst tätig zu werden: eine echte Aufarbeitung des Skandals, der nicht nur die katholische Kirche in die wohl größte Krise der neueren Geschichte stürzen sollte. Unlängst wurde konkreter, was man natürlich längst ahnte – dass Vorwürfe sexueller Gewalttaten wohl bis in die Kardinalsebene hinaufreichen, wie der Verdachtsfall Hengsbach aus Essen zeigt. Und dann wäre da noch ein Missbrauchsfall, der sich erst 2011 zutrug und immerhin mal vor Gericht verhandelt wurde. Als das große Schweigen bereits gebrochen war, war dies also nicht das Ende des Missbrauchs; man fragt sich unwillkürlich: geht das bis zum heutigen Tag so weiter?
Mit diesen beiden Kapiteln der Horrorgeschichte im Hinterkopf, was erwartet man da also, wenn sich die deutschen Bischöfe zur Herbstvollversammlung treffen? Richtig – gar nichts. Das Betroffenheitsgeseier kann sowieso keiner mehr hören, schon gar nicht die Betroffenenverbände: "Untersteht euch! Euch zu entschuldigen, uns um Vergebung zu bitten", stellte etwa MissBiT (Missbrauchsopfer im Bistum Trier) seiner Pressemitteilung bereits im Vorfeld des Bischofstreffens voran. Die übrigen Zeilen wirken verzweifelt, verbittert. Von "Hinterfotzigkeit" ist die Rede. "Nehmt der Täterorganisation endlich die Aufarbeitung aus der Hand. Sie täuschen uns seit Jahren. Ihre 'Leuchtturmprojekte' bestehen aus Nebelkerzen, die sie gut zu werfen wissen."
Dies ließ sich auch diesmal wieder gut beobachten. Wer als Ex-Katholik die Selbstgeißelung vermisst, dem sei der Pressebericht der Herbstvollversammlung ans Herz gelegt. Wortreich und unverständlich, wie es nur Theologen beherrschen, wird dort auf drei Seiten das Nichts-Tun umschrieben: Etwa, dass man den Vorschlag des Betroffenenbeirats zur Umstrukturierung des Anerkennungsverfahrens ablehnt. Dieser hatte unter anderem dafür plädiert, dass die Unabhängige Kommission zur Anerkennung des Leids (UKA) künftig eine Einordnung in tatorientierte Grundpauschalen vornimmt und es keine individuellen Prüfungen mehr gibt oder ein Rechtsbeistand für das Anerkennungsverfahren finanziert wird. Im Weiteren wird eifrig von Austausch und Neustrukturierungen, von einzubringenden Perspektiven und Weiterentwicklung geschwärmt. Auch Gratis-Floskeln wie "Vernetzung ist ein zentrales Thema in der Betroffenenarbeit. Die Bedeutung der Vernetzung hat die Vollversammlung nochmals explizit unterstrichen." dürfen nicht fehlen. Dass der Kaiser nackt ist, kann man ja nicht sagen.
Nichts Neues also. So sahen es wohl auch die Medien, denn im Gegensatz zu früheren Bischofskonferenzen, wo immer eifrig berichtet wurde und selbst, wenn die Bischöfe andere Schwerpunkte setzen wollten, immer der Missbrauch in den Vordergrund gerückt wurde, ist diesmal kaum etwas zu lesen. Man weiß wohl einfach nicht, was man dazu noch sagen soll. Vielleicht aber das: während die Bischöfe ursprünglich ja mal der Meinung waren, der Staat habe sich nicht in ihre Angelegenheiten einzumischen, selbst wenn diese Straftaten umfassen, wird jetzt der Schwarze Peter ebendiesem Staat zugeschoben: "Wir unterstützen ausdrücklich [das] Anliegen, Aufarbeitung auch gesetzlich zu stärken. Eine solche gesetzliche Regelung wäre auch ein wichtiger Ausdruck staatlicher Verantwortungsübernahme." Die Gesetze sind da. Und sie gelten auch für die Kirchen. Man müsste sie nur anwenden.