Als wäre Religion nicht schon Verschwörungsmythos genug, verbreiten Angehörige der christlichen Orthodoxie im Südosten Europas, in Griechenland und Zypern, neben ihrem Glauben auch krude Hypothesen zur Impfung gegen das Coronavirus. Andere orthodoxe Kirchenvertreter halten an infektionsfördernden Riten fest und rebellieren gegen Schutzmaßnahmen der Regierung.
Dass religiöse Veranstaltungen regelmäßig zu Superspreader-Events werden, ist seit Beginn der Pandemie bekannt, der hpd berichtete mehrfach darüber. Sogar wenn es ihresgleichen trifft, reicht das nicht aus, um gewisse Glaubensvertreter zur Vernunft zu bringen: Bereits Ende November berichtete die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) von zwei Beerdigungszeremonien für hohe Kleriker aus Serbien und Montenegro, die jeweils zu großen Menschenansammlungen führten. Das Oberhaupt der serbischen Orthodoxie war wenige Wochen nach dem prominenten Geistlichen aus Montenegro verstorben – beide in Folge einer Covid-19-Infektion.
Der serbische Kirchenvertreter hatte den im offenen Sarg aufgebahrten Leichnam seines Kollegen bei der Beerdigungszeremonie dem Ritus entsprechend geküsst – zahlreiche Gläubige machten es ihm nach. Nachdem er selbst der Krankheit erlegen war, wurde er – immerhin – in einem gläsernen Sarg aufgebahrt, bei dem es sich andere Kirchenmänner wiederum nicht nehmen ließen, auch diesen mit den Lippen zu berühren. Als zusätzlicher Infektionsanreiz wurde noch das Ritual der Gruppenkommunion vollzogen, bei dem der Messwein mit ein und demselben Löffel eingenommen wird. In strenggläubigen Kreisen herrsche "mitunter die Auffassung, der Glaube allein schütze vor dem Virus", so die NZZ. Und über den Leib Christi könne man sich ja keinesfalls anstecken.
Diese Haltung ging in einem Einzelfall so weit, dass ein Geistlicher im Norden Griechenlands eine 74-jährige Frau aus dem Gottesdienst warf, weil sie einen Mund-Nasen-Schutz getragen hatte; in die Kirche gehe man in anständiger Kleidung, zitierte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) die Begründung des örtlichen Priesters, ein Gottesdienst sei "kein Maskenball".
In Griechenland ist die orthodoxe Kirche so einflussreich, dass sie sich staatlichen Maßnahmen zum Infektionsschutz einfach widersetzen kann. So geschehen anlässlich des Epiphaniafests, das zu Ehren der Taufe Jesu am 6. Januar begangen wird. Auch dort gibt es ein Ritual, das besonders zur Krankheitsverbreitung geeignet ist: Bei der Segnung drücken Gläubige nacheinander das Gesicht in einen Basilikumzweig, den das Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche vorab in Weihwasser getaucht hat. Es fand statt, zwar mit weniger Menschen, Masken und Abstand, aber eigentlich hatte die griechische Regierung Anfang Januar auch die Kirchen für Gottesdienstbesucher schließen lassen. Doch die Kleriker hielten sich nicht daran – eine öffentliche Machtdemonstration: Schon einen Tag nach der Corona-Maßnahmen-Verschärfung verkündete der Sprecher der "Heiligen Synode" laut tagesschau.de unbeeindruckt, dass die Kirchen zum Tauffest offen bleiben würden "für die Beteiligung der Gläubigen an den Messen". Der griechische Orthodoxen-Chef Hieronymus verwies auf die Maßnahmen, welche die Kirche ergriffen habe und ist der Meinung, dass die Menschen nicht gefährdet würden. Er selbst hatte sich im November infiziert und musste einige Tage ins Krankenhaus.
Ein Ausweg aus dem Spannungsfeld Religion und Corona könnte die Impfung gegen das Virus sein. Während der eine Kirchen als Test- oder Impfzentren vorschlägt, funken andere Religionsvertreter auch hier dazwischen: Der Bischof von Kythera verlautbarte etwa, dass er gehört habe, der Impfstoff sei aus Zellen abgetriebener Föten hergestellt worden und riet davon ab, sich die Spritze geben zu lassen. In Zypern outete sich ein Bischof gar als NWO-Anhänger: "Ich werde kein genmanipuliertes Produkt der neuen Weltordnung", gibt die NZZ seine Aussage wieder, "die Menschen würden durch die Impfung krank und geschmacklos werden wie genmodifizierte Tomaten".
Insgesamt tut sich zumindest die griechische Orthodoxie mit ihrem Auftreten in der Krise keinen Gefallen, wie eine Umfrage aus dem Mai zeigt, auf die sich die Frankfurter Rundschau beruft: Lediglich fünf Prozent der befragten Personen gaben an, dass sie der Kirche in der Corona-Pandemie "ziemlich" oder "absolut" vertrauen würden. Auf der anderen Seite waren es 67 Prozent, die meinten, sie vertrauten der Kirche "überhaupt nicht". Das schien schließlich auch selbstkritische Stimmen auf den Plan zu rufen: "Wir glaubten, wir seien Übermenschen, wir haben unsere Infektionen verheimlicht, statt unsere Fehler einzugestehen – das bringt uns ins Grab", zitiert RND aus einem Brief des Bischofs von Alexandroupoli.
4 Kommentare
Kommentare
Stefan Dewald am Permanenter Link
Ich schätze, da geht es, wie auch beim gemeinsam genutzten Weihwasserbecken, um die mikrobiomische Gemeindekultur. https://lachsdressur.de/weihwasser/
Roland Fakler am Permanenter Link
Aus einem falschem d.h. unvernünftigem, unrealistischem Weltbild entsteht notwendigerweise falsches, oft verhängnisvolles Handeln. Deswegen darf man diesen Geisterfahrern, die Welt nicht überlassen.
Martin am Permanenter Link
"die Menschen würden durch die Impfung [...] geschmacklos werden wie genmodifizierte Tomaten"
Möchte Bischof Neophytos Masouras von Morphou die Menschen aufessen oder warum sorgt er sich darum, wie sie schmecken?
Hans Trutnau am Permanenter Link
Außerdem wird der Bischof durch seine Aussage nicht zu einem NWO-Anhänger, sondern Kritiker der angeblichen neuen Weltordnung, oder?