BONN. (hpd) Die beiden Politikwissenschaftler Herfried Münkler und Grit Straßenberger legen mit dem Buch "Politische Theorie und Ideengeschichte" eine Einführung zum Thema vor, welche nicht in eine Aneinanderreihung von Klassikern sondern an einer Diskussion von Leitbegriffen orientiert ist. Die Kapitel zu den jeweiligen Fragen sind von hoher Sachkompetenz und Souveränität der Autoren geprägt, hätten aber gerade für eine Einführung mehr an Systematik und Zuspitzung bedurft.
Was ist im Irak oder in Syrien als zerfallenden Staaten wichtiger – die Beteiligung an Demokratie oder das Gewaltmonopol des Staates? Zunächst Hobbes und dann Locke antwortete jüngst auf diese Frage der Philosoph Julian Nida-Rümelin. Demnach bedarf es zuerst einer Garantie des Gewaltmonopols des Staates bevor über eine Garantie für die Einhaltung von Menschenrechten gesprochen werden kann. Man mag diese Auffassung unschön finden, in der Realität kommt man daran nicht vorbei. Dieses Beispiel macht die fortwährende Notwendigkeit deutlich, sich mit Fragen der politischen Philosophie zu beschäftigen. Die Klassiker haben auch heute noch viel zu sagen. Deutlich zeigt dies der Band "Politische Theorie und Ideengeschichte. Eine Einführung", der von Herfried Münkler und Grit Straßenberger vorgelegt wurde. Beide Autoren lehren Politische Theorie an der Humboldt-Universität zu Berlin bzw. der Rheinisch Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn. Ihr Buch mit einer besonderen Konzeption ist nicht nur für Studierende von Interesse:
Denn darin findet man keine Auflistung von Klassikern von Platon bis Habermas mit Ausführungen zu Biographie und Werk. Münkler und Straßenberger wählen einen anderen Ansatz: Politisches Denken wird von ihnen vorgeführt als "Bestandteil politischer Konflikte und Auseinandersetzungen, in denen eine bestimmte Antwort stelten die einzige war und fast nie ungeteilte Zustimmung gefunden hat" (S. 10). Die Autoren wollen über eine paarweise Gruppierung von Leitbegriffen die jeweiligen Problemfelder konturieren. Gleichzeitig soll damit eine Brücke zu jüngeren politiktheoretischen Entwürfen aufgezeigt werden. Demgemäss gliedert sich jedes der 13 Kapitel wie folgt: Zunächst gibt es einen kurzen Auftakt für den Gegenstandsbereich, wobei aktuelle Problemstellungen deren Relevanz veranschaulichen sollen. Danach geht es ausführlicher um die Auffassungen ausgewählter politischer Denker und die Inhalte wichtiger Kontroversen. Am Ende sind dann nach dem Anmerkungsapparat noch Empfehlungen für die weiterführende Lektüre aufgelistet.
Es geht dann um folgende Leitbegriffe, Die Politik und das Politische, Staat und Nation, Herrschafts- und Verfassungsformen, Souveränität und die Infrastruktur der Macht, Republikanismus und Liberalismus, Kontraktualismus und Narration als Legitimationsformen, Freiheit und Gerechtigkeit, Tyrannis und Diktatur, Idealstaat und Utopie, Rebellion und Revolution, Staatenkrieg und Bürgerkrieg, Imperium und Staatensystem und Religion und Politik. Dabei folgen die Autoren methodisch dem "Challange-and-Response-Ansatz". Dessen Anliegen ist es, "Theorien als Antworten auf politische und gesellschaftliche Herausforderungen zu begreifen, also die Texte der politischen Ideengeschichte und in ihnen entwickelten Argumente im Wechselspiel zwischen Bestandsaufnahme, Problemdiagnose und dem Entwurf von Lösungsstrategien zu analysieren, um einen neuen Blick auf die Gegenwart zu gewinnen" (S. 18). Es geht also um eine Transferleistung mit zeitdiagnostischem Anspruch und therapeutischem Programm.
Bei der Lektüre des Bandes fällt indessen schnell auf, dass diese Versprechen nicht immer eingelöst wird. Die jeweiligen Kapitel beeindrucken durch die hohe Fachkompetenz von Münkler und Straßenberger, die seit Jahrzehnten im Bereich der Politischen Theorie arbeiten. Bei einzelnen Detailfragen kann man gelegentlich eine andere Sicht anmahnen. Gleichwohl handelt es sich um meist faire und souveräne Darstellungen. Die erwähnte Kombination mit gegenwärtigen Problemstellungen geht indessen mitunter verloren. Auch springen die Autoren häufig thematisch hin und her. Dies sei am Beispiel des Kapitels zu "Religion und Politik" verdeutlicht. Ohne eine Einführung zu Begriffen und Fragestellungen geht es erst einmal um "Martin Luther und Thomas Müntzer über Widerstand und revolutionären Umsturz", dann kommt man direkt zur Frage nach der "Religion als Konfliktverschärfer oder Konfliktbegrenzer". Dies wirkt dann mitunter etwas zu assoziativ für eine Einführung, was aber nicht gegen den Erkenntnisgewinn durch die einzelnen Kapitel spricht.
Herfried Münkler/Grit Straßenberger, Politische Theorie und Ideengeschichte. Eine Einführung, München 2016 (C. H. Beck-Verlag), 426 S., ISBN 978–3–406–59985–9, 19,95 Euro