Die antisemitische Bewegung der "Reichsbürger" gründet "jüdische Gemeinschaften" als Tarnung und behauptet, es sei ein Holocaust am deutschen Volk im Gang.
Reichsbürger gehören zur wachsenden Szene der unheimlichen Patrioten, die während der Corona-Pandemie Aufwind bekamen. Die rechtsextremen, nationalistischen Verschwörungstheoretiker lehnen den Staat ab und planen den Umsturz.
Schmelztiegel der militanten und terroristischen Bewegung, die auch zu uns herüberschwappt, ist Deutschland. Die Anhänger zeichnen sich (...) durch eine braune Gesinnung aus, (...) durch einen beinharten Antisemitismus.
In ihrem Judenhass vollführen die deutschen Reichsbürger einen geistigen und ideologischen Salto, der an Perfidie kaum zu überbieten ist. Sie bezeichnen sich selbst als Gläubige, die zum Judentum konvertiert seien.
Reichsbürger gründen jüdische Gemeinden zur Tarnung
Deshalb fühlen sie sich berechtigt, jüdische Gemeinden zu gründen, die sie offiziell im Vereinsregister eintragen lassen. Der hessische Verfassungsschutz bestätigte, dass Reichsbürger jüdische Gemeinschaften gründen würden, um sich zu tarnen.
Die braunen Rädelsführer schrecken auch nicht davor zurück, sich Oberrabbiner zu nennen. Als Beobachter fragt man sich, was in den Köpfen der Reichsbürger vorgeht. Den Schlüssel muss man im deutschen Nationalsozialismus, dem Zweiten Weltkrieg und dem Naziregime suchen. Und natürlich im Holocaust.
Die Revisionisten wollen damit die Vernichtung der Juden verharmlosen. Gleichzeitig setzen sie sich als die "neuen Juden" in Szene, die angeblich vom Staat verfolgt werden. Durch diese Geschichtsklitterung verharmlosen sie den Holocaust und legitimieren den Widerstand gegen die Regierung.
Dieser Widerstand hat es in sich. Die rund 30.000 Reichsbürger horten Hunderte Schusswaffen und planen den militanten Umsturz. Dies veranlasste die deutsche Bundesanwaltschaft, im Dezember vergangenen Jahres Razzien mit 3.000 Polizisten in elf Bundesländern durchzuführen. Dabei wurden 25 Personen festgenommen.
Im März dieses Jahres führten Polizisten eine weitere Großrazzia wegen Verdachts auf Unterstützung oder Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Organisation durch. In sieben Bundesländern wurden über 20 Häuser und Wohnungen durchsucht. Parallel kam es auch in St. Gallen zu Hausdurchsuchungen, gegen zwei Schweizer Reichsbürger wurden Strafverfahren eingeleitet.
Bei einer Durchsuchung schoss ein Reichsbürger auf einen Polizisten und verletzte ihn. Die deutsche Bundesanwaltschaft ermittelte unter anderem gegen einen Soldaten des "Kommandos Spezialkräfte" (KSK) der Bundeswehr und gegen mehrere Reservisten.
Unter den Verdächtigen war auch die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Sie saß von 2017 bis 2021 im Bundestag und arbeitete danach als Richterin beim Landgericht Berlin. Sie wurde nach der Razzia in Untersuchungshaft genommen und wegen des dringenden Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung und der Staatsstreich-Planung festgenommen.
Bei einer Razzia im April 2022 in Boxberg-Bobstadt schoss ein Reichsbürger einen Polizisten des Spezialeinsatzkommandos nieder.
Doch zurück zu den Fake-Juden in Deutschland. Enttarnt hat sie die von den deutschen Sendern ARD und ZDF betriebene Plattform "Strg-Funk". Der Beitrag beginnt mit der Aussage eines Reichsbürgers, der bei einer Demo in Magdeburg vom Podium herab sagte: "Das ist ein Holocaust am deutschen Volk."
Der Journalist hat zehn jüdische Gemeinden identifiziert, die einen Bezug zu Antisemiten haben und offensichtlich von den unheimlichen Patrioten gegründet worden sind. Wahrscheinlich sind es noch mehr.
Für die militanten Staatsverweigerer existiert die BRD nicht
Die Reichsbürger behaupten, Deutschland sei immer noch von den Alliierten der Nachkriegszeit besetzt. Sie lehnen deshalb die Existenz der Bundesrepublik Deutschland ab. Ebenso die Regierung, die Gesetze und Gerichte. Für sie existieren immer noch die Weimarer Republik und das Deutsche Reich (1871–1945). Daher auch der Name "Reichsbürger".
Die Staatsverweigerer schieben die Verantwortung für den Holocaust kurzerhand den Juden in die Schuhe. Ein Reichsbürger, der sich heute Oberrabbiner nennt und eine Kippa trägt, behauptet, die Juden hätten Hitler finanziert. Außerdem seien viele Nazi-Schergen Juden gewesen. Zum Beispiel der Nazi-Propagandaleiter und Vertraute des Führers Joseph Goebbels und der Holocaust-Verantwortliche Adolf Eichmann.
Das sind irrwitzige Behauptungen. Erstens stimmen sie nicht, und zweitens stellt sich die Frage, weshalb sie ihre "jüdischen" Glaubensbrüder und -schwestern zu Hunderttausenden hätten umbringen sollen.
"Das ist ein Holocaust am deutschen Volk. Das können wir nicht zulassen"
Sie behaupten außerdem, dass viele Politiker der aktuellen Regierung Juden oder von jüdischen Kreisen abhängig seien. Ein führender Exponent der Reichsbürger formuliert es im Film so: "Man will zwingend das Dritte Reich mit dem Deutschen Reich vermischen und uns unsere Geschichte nehmen."
Wenn man einem Volk die Geschichte nehme, sterbe es aus. "Das ist ein Holocaust am deutschen Volk. Das können wir nicht zulassen. Es ist ein Volkstod", sagt er. Das Volk werde ausgerottet. Außerdem seien sechs Millionen Deutsche nach Kriegsende von den Alliierten in den Gefangenenlagern ermordet worden. Auch diese Behauptung ist frei erfunden.
Die Taktik ist klar: Die Reichsbürger geben sich als Fake-Juden aus, um sich zu tarnen und vermeintlich ungehindert gegen wirkliche Juden hetzen zu können. Sie hoffen, damit glaubwürdige "Zeitzeugen" zu sein und strafrechtlich nur schwer belangt werden zu können.
Was für Spinner, könnte man denken. Doch damit würde man die Reichsbürgerszene verharmlosen. In Wirklichkeit ist es eine unheimliche Bewegung, die sich nicht scheut, zu den Waffen zu greifen.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.