Skeptiker 3/2022 erschienen

Donald Trump machte es vor: "Ich habe viel über Covid gelernt", twitterte er nach seiner überstandenen Corona-Infekion im Oktober 2020, "Ich habe es gelernt, indem ich wirklich zur Schule gegangen bin. Das ist die echte Schule, dies ist nicht die 'Lasst-uns-die Bücher-lesen-Schule'." Mit solchen Sprüchen steht der ehemalige US-Präsident nicht allein. Etwa jede fünfte Person in Deutschland vertritt genau diese Einstellung, so eine repräsentative Studie der Erfurter Psychologen Tilmann Betsch, Lennard Pfersich und Niclas Tannert, nachzulesen in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Skeptiker.

Wenn eigene Erfahrungen und Beobachtungen über anerkannte Forschungsergebnisse gestellt werden, kann man auch von einem autokratischen Zugang zur Erkenntnis sprechen. Ein Beispiel: Von den 1078 Befragten lehnten 20 Prozent ausnahmslos alle naturwissenschaftlichen Aussagen ab, zum Beispiel: "Befunde aus wissenschaftlicher Forschung sind verlässlicher als die Erfahrungen Einzelner". Dafür bejahten sie autokratische Aussagen wie: "Ich vertraue lieber meinem Bauchgefühl als Expertenaussagen."
Das habe durchaus gesellschaftliche Relevanz, schreiben Betsch und seine Co-Autoren. "Denn die Autokraten klumpen an den Rändern des Parteienspektrums, bei AfD vor allem und den nicht im Bundestag vertretenen Parteien." Dagegen erreichten die Grünen-Wähler die höchsten Werte für einen naturwissenschaftlichen Zugang, vergleichbar mit den Ergebnissen der GWUP-Studie von 2021.

Problematischer als die Korrelation von autokratischem Zugang und Parteipräferenz werten die Autoren jedoch die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Haltung: "Die Tendenz zur Selbstermächtigung in Bezug auf Erkenntnis, bei gleichzeitiger Ablehnung der empirischen Forschungsmethodik, erschwert jeden argumentativen, evidenzbasierten Versuch der Überzeugung oder macht ihn gar unmöglich. Autokratisch motivierte Wissenssucher sind im Kern immer dogmatisch." Was tun? Betsch und seine Co-Autoren setzen auf Bildung, denn mit höherem Bildungsstand sinkt tendenziell die Zustimmung zu autokratischen Positionen.

Ein weiterer Beitrag der Ausgabe widmet sich am Beispiel der Klimaforschung einer Standortbestimmung von Wissenschaft zwischen fachlicher Beschränkung und politischer Herausforderung. Ausgerechnet engagierte Forscherinnen und Forscher neigten angesichts der Bedrohung durch Hitzewellen, Dürren und Unwetter dazu, ihr Fachgebiet Wissenschaftskommunikation mit politischer Agenda zu vermengen, kritisiert der renommierte Klimaforscher Hans von Storch. Er schreibt hier von einer postnormalen Lage, in der wissenschaftliches Wissen dann als "gut" gilt, "wenn es für gesellschaftliche Anwendung geeignet ist – nicht nur im technischen Sinne, sondern auch in der Stärkung kultureller Wissensansprüche. Andererseits treten Tugenden wie methodische Solidität oder Offenheit gegenüber alternativen Erklärungen in den Hintergrund."
Storch appelliert an Wissenschaft und Politik, sich auf ihre jeweilige gesellschaftliche Rolle zu besinnen: die Wissenschaft auf die Suche nach besten Erklärungen für komplexe Vorgänge; während Politiker und Politikerinnen die Aufgabe haben, bei ihren Entscheidungen die Interessen verschiedener Gesellschaftsgruppen zu berücksichtigen.

Ergänzend betrachtet der GWUP-Vorsitzende Amardeo Sarma dieses auch für die GWUP hoch relevante Thema aus seiner Perspektive. "Die Ergebnisse des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses sind nicht normativ, sondern deskriptiv", stellt er fest. "Auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnis können – abhängig von den jeweiligen Interessen und Prioritäten – sehr unterschiedliche politische Entscheidungen getroffen werden."

Für Wissenschaft und kritisches Denken engagiert sich die GWUP seit nunmehr 35 Jahren, angeregt durch Vorbilder aus den USA. Für das Skeptiker-Magazin unterhielt sich Chefreporter Bernd Harder mit den Gründungsmitgliedern Amardeo Sarma, Dr. Martin Mahner, Manfred Körkel und Dr. Carl Heinz Roß über die Motivation der ersten Aktiven: kritische Informationen über Falschbehauptungen zu verbreiten und außergewöhnliche Behauptungen in eigenen Tests zu prüfen.

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