Skeptiker 4/2022 erschienen

Ist Akupunktur die neue Homöopathie? Auf den ersten Blick mag das seltsam klingen: bei der einen Methode kommen schließlich Zuckerkügelchen zum Einsatz, bei der anderen werden Nadeln in die Haut gestochen. Dennoch legt hpd-Autor Udo Endruscheit in der neuen Ausgabe des Skeptiker deutliche Parallelen zwischen diesen Therapieformen offen.

Beide verfügen über keinerlei plausible Erklärungen für ihre Methoden und beanspruchen dennoch eine Rolle im Gesundheitssystem. Der Akupunktur kommt dabei zugute, dass sie hier im Westen vom hohen Ansehen "fernöstlicher Weisheiten" profitiert – soziokulturelle Faktoren haben bis heute mehr zu ihrem Erfolg beigetragen als die wissenschaftliche Beleglage, wie der Medizinhistoriker und Sinologe Paul Unschuld schreibt. Und selbst mit dem Traditionsargument ist es nicht weit her, vielmehr handelt es sich bei der gegenwärtigen Akupunktur um ein Sammelsurium aus unterschiedlichen Ansätzen, maßgeblich geprägt vom China der Mao-Ära. Die WHO hat die Verbreitung der Akupunktur als Teil der sogenannten Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) sogar unterstützt – allen Protesten von evidenzorientierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zum Trotz. Doch, wie Udo Endruscheit im Skeptiker schreibt, dürfe "schiere Präsenz […] nicht über fehlende Validität und Evidenz hinwegtäuschen".

Ein weiteres Thema der aktuellen Skeptiker-Ausgabe ist die Angewandte Verhaltensanalyse oder Applied Behavior Analysis (ABA), eine verbreitete Therapieform bei Autismus. Obgleich sie von allen Behandlungsmethoden die beste Beleglage aufweist, wird sie dennoch mitunter als manipulativ und missbräuchlich kritisiert. Dem komplexen Thema hat das Heft mehrere Beiträge gewidmet. So erläutert der Psychologe Stuart Vyse die Grundlagen von ABA und die klinische Psychologin Karola Dillenburger nimmt im Interview zu Vorwürfen gegen die Methode Stellung. Abschließend betrachtet Dr. Jan Oude-Aost, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, die ethischen und therapeutischen Aspekte. Auf die Erfahrungen, die einige Menschen mit auf ABA basierenden Methoden gemacht haben, nur mit der Antwort "ABA ist nachweislich wirksam" zu reagieren, wäre falsch, betont Oude-Aost. Doch "ebenso falsch wäre es, diese wirksamen Methoden abzuschaffen, weil einige Menschen sie falsch anwenden".

Homöopathie als wirksame Therapie bei Lungenkrebs – diesen Eindruck vermittelte eine Studie, die das Fachblatt The Oncologist vor zwei Jahren veröffentlichte. Die Ergebnisse waren sensationell und schürten große Hoffnungen: In einer Gruppe von Lungenkrebspatienten im fortgeschrittenen Stadium lebten demnach diejenigen mit homöopathischer Zusatzbehandlung 70 Prozent länger und gewannen zudem erheblich an Lebensqualität, während es den restlichen zusehends schlechter ging. Doch eine kritische Prüfung ließ die Studie wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Die Ergebnisse seien nur durch Datenmanipulation oder Fälschung erklärbar, hieß es in diesem Jahr von der Österreichischen Agentur für Wissenschaftliche Integrität (ÖAWI). Damit bestätigte sie den Befund, den eine Arbeitsgruppe des Informationsnetzwerks Homöopathie (INH) und der Initiative für wissenschaftliche Medizin erbracht hat. Norbert Aust und Viktor Weisshäupl vom INH skizzieren in ihrem Beitrag, wie das Studienprotokoll im Verlauf der Untersuchung verändert und Teilnehmer mit bestimmten Merkmalen post hoc ausgeschlossen wurden.

Mit der Rolle der Kernkraft bei der Energieversorgung Deutschlands schneidet das Skeptiker-Magazin auch ein kontroverses Thema an, das eine wissenschaftliche Betrachtung lohnt. Anna Veronika Wendland ist Mit-Initiatorin einer Petition für Laufzeitverlängerung beziehungsweise Prüfung der Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke und hat diese kürzlich vor dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vertreten. Nikil Mukerji sprach mit ihr über die Reaktionen auf diese Initiative und über verbreitete Mythen zum Thema Kernkraft. So werde die Kernenergie von Kritikern fälschlich als "Hochrisikotechnologie" bezeichnet, während sie in Wahrheit, wie Luftfahrt oder Hochleistungsmedizin, zu den "Hochzuverlässigkeitssystemen" zähle. Vielfach werde auch der positive Effekt der Kernenergie auf das Klima geleugnet, unter anderem von der Bundesregierung. Anna Veronika Wendland ist auch Autorin des 2022 erschienen Buches "Atomkraft? Ja, bitte!", in dem sie näher auf technische Details eingeht. Eine Rezension des Bandes findet sich ebenfalls in der aktuellen Skeptiker-Ausgabe.

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