Intensivchristen wünschen den verstorbenen Physiker in die Hölle. Wahrscheinlicher ist aber:

Stephen Hawking sitzt zur Rechten Gottes

benthebaptist.jpg

Stephen Hawking ist tot. Im Internet kübeln jetzt vollreligiöse Kommentatoren ihre ganze Verachtung über den bekannten Atheisten. Woher rührt dieser intensive Hass?

Stephen Hawking ist kein Atheist mehr. Denn Stephen Hawking schmort jetzt in der Hölle. Auf diese Formel haben sich radikal religiöse Menschen nach dem Tod des Physikers relativ rasch geeinigt, triefend von Häme, besonders gern in Medien, die dem geistigen Niveau dieser Gedanken angemessen erscheinen: in Tweets oder Facebook-Kommentaren. Hass und Sadismus, die aus diesen Äußerungen sprechen, sind oft so frappierend stumpf, dass man nicht einmal darüber schmunzeln kann. Die Barbarei spricht hier unverfälscht, es ist der Billigtriumph des lebenslang sich minderwertig Fühlenden: Der Hass auf Stephen Hawking ist verständlich nur als Hass auf den Intellekt und den neugierigen, wissenschaftlichen Geist, der manchem Menschen ein nie versiegendes Gefühl der rettungslosen Unterlegenheit beschert.

Was Religionen besonders für dumme Menschen attraktiv macht, ist ja eben die Schlichtheit und Märchenhaftigkeit ihrer Erzählungen, und was besonders unreife Seelen anspricht, ist das völlige Fehlen von Moral und menschlichem Anstand, das die skrupellosesten unter den Vorbetern auszeichnet: Religion macht noch die ärmste Seele zum Supermann, denn wer nur fest daran glaubt – und je einfältiger man ist, desto leichter fällt der Glaube –, dem kommt der allmächtige Gott zu Hilfe und der wird alle Feinde zerschmettern. Bedrückend ist es, etwa Ben the Baptist auf Youtube zuzuschauen, der sich in den imaginierten Höllenqualen des verstorbenen Physikers förmlich suhlt und dabei sogar auf Jesus beruft, jenen Wanderprediger, der sich von seiner Familie losgesagt hatte und gegen Gewalt predigte. Vielleicht ist es zu weit spekuliert, wenn man überlegt, ob Jesus selber familiäre Gewalterfahrungen gemacht hat. Ganz sicher aber lässt sich die Bibel als die Geschichte einer cholerischen, narzisstischen und kompromisslos brutalen Vaterfigur lesen, die in den Wolken wohnt und je nach Lust und Laune ihre Schöpfung mit Terror überzieht, bis hin zum Weltuntergang, der das Endziel dieser Schöpfung sein soll.

Apokalyptische Drohungen, maßlose Gewalt und die Forderung nach totaler Unterwerfung sind untrennbar mit dem biblischen Gott verbunden, seine Mission ist es, Furcht zu erzeugen. Diese Furcht erzeugt meist blinden Gehorsam, und beide gemeinsam unterbinden die Freiheit des Denkens. Ein solcher Gott aber ist mit allem, was wir über die Welt wissen, praktisch unvereinbar. Nirgends ist eine göttliche Einwirkung bisher nachgewiesen worden, alles Beobachtbare können die Wissenschaften weit besser erklären als irgendeine Religion. Der Zorn Gottes, dem wir uns unterwerfen sollen, ist nirgends ablesbar als in der Rhetorik und den Taten der verdunkeltsten religiösen Seelen, die sich fragen sollten, woher all der Hass in ihnen kommt.

Dem offenen, neugierigen Geist erlebbar hingegen ist die Natur in ihren immer aufs Neue staunenswerten und leider grundlegend moralfreien Abläufen, die das Nordlicht ebenso hervorbringen wie den Knochenmarkkrebs. Nähme man die Existenz eines Gottes für gegeben, so könnte man ihn sich nur als Wissenschaftler, als Experimentator vorstellen, der mit kindlicher Unschuld und Verantwortungslosigkeit Naturgesetze entwirft und seiner Welt bei ihrer Entwicklung zusieht mit Staunen und Faszination, frei von Zorn, Mitleid oder Dogmatik. Von einem solchen Gott hätten wir nicht viel zu erwarten, keine Empathie, aber eben auch keinen Furor der Eitelkeit. Seine Propheten wären nicht Mohammed, Jesus oder Joseph Smith. Einer wie er wäre eher stolz auf Menschen, deren Geist offen genug war, dieses Universum auf sich wirken zu lassen, und die versucht haben, so gut sie konnten, frei von Märchen und Angst, dieses große Wunderwerk zu verstehen – Menschen wie Isaac Newton, Albert Einstein oder Stephen Hawking, der an der Tafel eines solchen, des einzig denkbaren Gottes nun wohl an einem Ehrenplatz säße.