Tierethik: Ein Sach-Comic zur Einführung

Die Lektorin Julia Kockel und der Grafiker Oliver Hahnlegen mit "Tierethik. Der Comic zur Debatte" eine Einführung zu den ethischen Aspekten des Mensch-Tier-Verhältnisses vor. Angesichts von Konzeption und Umfang kann es sich dabei nur um eine Überblicksdarstellung handeln, gleichwohl enthält sie eine Fülle von Anregungen zur Reflexion – auch für Kenner der Materie.

Comics und Krimis galten lange als Schund. Mittlerweile hat sich da die Einschätzung geändert, können darin doch auch ästhetische und literarische Qualitäten ausgemacht werden. Beim Comic lässt sich sogar die Dimension einer Wissensvermittlung konstatieren.

Bereits in den 1970er Jahren erschienen auch in Deutschland einige Sach-Comics, die mit Bildern und Sprechblasen in bestimmte Denker aus Philosophie und Politik einführten. Mittlerweile liegt eine Fülle von derartigen Publikationen vor. Dazu gehört auch das Buch "Tierethik. der Comic zur Debatte", das die Lektorin Julia Kockel und der Grafiker Oliver Hahn vorgelegt haben. Darin thematisieren sie besondere Aspekte des Mensch-Tier-Verhältnisses, die zwar bereits vor tausenden Jahren philosophische Debatten bestimmt haben, aber erst in den letzten Jahrzehnten in das breitere Bewusstsein der Öffentlichkeit vordrangen.

Seit den 1970er Jahren wächst die Sensibilität für den menschlichen Umgang mit Tieren. Auch wenn es noch kleine Minderheiten sind, so steigt der Anteil der Vegetarier und Veganer.

Für die an damit einhergehenden ethischen Fragen interessierten Leser liefert der als Einführung konzipierte Sach-Comic einen guten Überblick. Ausgangspunkt ist dabei das ambivalente Verhältnis der Menschen zu Tieren, werden doch Hunde meist geliebt, Schweine dafür geschlachtet. Bezogen auf Lämmer lässt sich beides gleichzeitig konstatieren.

Seite 6 des Buches (aus der Leseprobe des Verlages)
Seite 6 des Buches (aus der Leseprobe des Verlages)

Bei der Darstellung tierethischer Positionen geht Kockel dann historisch–chronologisch vor, wobei es auch immer wieder Rückblenden oder Themenüberschreitungen gibt. Am Beginn steht die tierethische Debatte in der Antike, wo beispielsweise der aus dem Mathematikunterricht noch bekannte Pythagoras zu den ersten vegetarischen Philosophen gehörte. Dann geht es aber auch schnell in die Neuzeit: Denker wie René Descartes sahen in Tieren häufig nur lebendige Maschinen ohne wirkliches Schmerzempfinden. Und dann findet auch die utilitaristische Philosophie größere Aufmerksamkeit, gehörte doch Jeremy Bentham mit seinem Leidens-Ansatz zu den frühen dezidierten tierethischen Denkern mit Fernwirkung.

Kockel kommt in dem Sachcomic übrigens das Verdienst zu, an im deutschen Sprachraum bislang kaum bekannte Ansätze aus der englischsprachigen Welt zu erinnern. Von dem diesbezüglich bedeutsamen Denker Henry Stephens Salt gibt es leider keine einzige deutsche Übersetzung. Besondere Aufmerksamkeit finden danach die modernen Klassiker, also insbesondere Peter Singer mit seinem utilitaristischen und Tom Regan mit seinem kantianischen Ansatz.

Während sich Kockel meist auf die Darstellung von Positionen konzentriert, referiert sie über Bild und Text auch einige Einwände gegen Singers umstrittene Deutung. Und auch danach geht es mal um in der deutschen Debatte bekanntere Ansätze wie den von Martha Nussbaum wie unbekanntere Ansätze wie den von Carol Gilligan. Insofern bringt der Comic auch für die Kenner der Materie durchaus Neues.

Angesprochen werden darüber hinaus auch weniger philosophisch interessante Fragen wie die nach dem Biofleisch, der Jagd, der Nutztierhaltung oder den Tierversuchen.

Man findet außerdem Ausführungen zur Differenzierung von Tierschützern, Tierrechtlern und Tierbefreiern und Erörterungen zur Gewaltfrage hinsichtlich der "Animal Liberation Front" oder zur Rolle von Rechtsextremisten in der Tierrechtsbewegung.

Ganz am Ende stehen auch Ausführungen zu den Einstellungen des evolutionären Humanismus, wo etwa Michael Schmidt-Salomon als Comic-Figur vorkommt. Und dann geht es noch um die Grenzen der Gerechtigkeit, womit hier die Frage der Übertragbarkeit tierethischer Sichtweisen auf die Länder der Dritten Welt gemeint ist.

Der Band endet mit weiterführenden Literaturhinweisen. Damit wird auch der Gebrauchswert des Sachcomics noch einmal deutlich. Er kann nicht eine nähere Auseinandersetzung mit dem Thema ersetzen, lassen doch Bilder und Seitenzahl nur Raum für einen eher kursorischen Überblick. Deutlich wird bei all dem auch, dass es sich hinsichtlich der philosophischen Fragen nicht um eine leichte Materie handelt. Bei allen diesbezüglichen Einschränkungen handelt es sich doch um eine gelungene Einführung.

Julia Kockel/Olive Hahn, Tierethik. Der Comic zur Debatte, Paderborn 2017 (Wilhelm Fink-Verlag), 155 S., ISBN: 978-3-7705-6289-3, 19,90 Euro