Die Science Busters im Interview mit dem SKEPTIKER

"Überall steckt Wissenschaft drin"

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Neue Besetzung, neues Buch, neue Programme: Zehn Jahre nach der Gründung des Wissenschaftskabaretts haben sich die "Science Busters" neu erfunden. Skeptiker-Chefreporter Bernd Harder sprach mit ihnen über Männerstammtische, Game of Thrones und die erste Verhaltensbiologin in der Gruppe.

Bernd Harder/SKEPTIKER: Ihr seid mittlerweile zu siebt. Wie wird man eigentlich "Science Buster"?

Martin Puntigam: Das, was heute als die "Science Busters" auf der Bühne steht, geht noch auf das Mitwirken von Heinz Oberhummer zurück. Vor mehr als drei Jahren hatten wir angefangen, Leute anzusprechen, mit denen wir gerne zusammenarbeiten würden. Denn es war damals klar, dass Werner Gruber bald aussteigen und Heinz sich mehr und mehr zurücknehmen würde. Auch thematisch waren wir nach sieben Jahren Physik so ziemlich mit allem durch, während es in der Biologie und Astronomie viele neue und interessante Dinge zu erzählen gab. Natürlich hätten sich Heinz und Werner das aneignen können – aber warum nicht gleich die Leute auf die Bühne bitten, die sich damit auskennen?

2015 sind wir dann erstmals mit Florian Freistetter aufgetreten, der auch schon am Buch "Das Universum ist eine Scheißgegend" mitgearbeitet hatte. Zu dieser Zeit nahmen wir außerdem Kontakt zu Helmut Jungwirth, Gunkl, Martin Moder und Peter Weinberger auf. Einzig Elisabeth Oberzaucher habe ich erst nach Heinz’ Tod kontaktiert.

Beim "Skeptical" der GWUP im Mai in Berlin konnte man den Eindruck gewinnen, dass der Übergang zur neuen Besetzung relativ problemlos vonstattenging. War dem so?

Puntigam: Das Schwierige daran war, dass es so schnell gehen musste. Der Tod von Heinz Oberhummer im November 2015 kam ja völlig überraschend.

Bei unserem ersten Interview mit den "Science Busters" im Jahr 2010 sprach Professor Oberhummer noch darüber, dass er während seiner aktiven Zeit an der Universität nahezu unmöglich als Wissenschaftskabarettist hätte auftreten können – es sei denn, man möchte den Karrieretod riskieren. Hat sich das geändert?

Helmut Jungwirth: Es gibt schon noch viele Alteingesessene, die meinen, ich sei jetzt wohl so eine Art Clown geworden. Das ist natürlich falsch, denn auch im Kabarett müssen Wissenschaftler noch als solche wahrgenommen und dürfen nicht ins Lächerliche gezogen werden. Aber diese Leute wird man auch nicht mehr bekehrenkönnen. Das Gros der Kolleginnen und Kollegen jedoch findet das prima, was wir machen. Und viel wichtiger: Die "Science Buster" haben einen hervorragenden Ruf bei den Studierenden. Das sind die zukünftigen Wissenschaftler, und bei denen wird Wissenschaftskommunikation eine viel größere Rolle spielen als heute.

Florian Freistetter: Dass manche Leute im akademischen Bereich die "Science Busters" immer noch blöd finden, liegt auch weniger an unserem mangelnden Renommee, sondern ist ein grundsätzliches Problem der Akzeptanz von Wissenschaftskommunikation. Das Reden mit der Öffentlichkeit hat für den einen oder anderen Wissenschaftler immer noch etwas Anrüchiges. Man schreibt allenfalls für ein hochrangiges Laienmedium wie die FAZ oder Spektrum der Wissenschaft – aber Fernsehen oder Bühne, das geht gar nicht. Da setzt man sich schnell dem Verdacht aus, man wolle sich produzieren. In der Zeit, als ich viel an der Uni gearbeitet habe, bin ich häufig mit der Frage konfrontiert worden, ob ich denn neben dem Bloggen überhaupt noch Zeit für meine Forschungsaktivitäten hätte. Warum heißt es nicht mal umgekehrt: Hast du überhaupt noch Zeit für Öffentlichkeitsarbeit, wenn du ständig im Labor stehst? Das ändert sich erst langsam, weil die Unis und die Geldgeber erkennen, dass es genauso wichtig ist, die Forschung auch nach außen zu tragen.

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Was können – und wollen – die "Science Busters" denn konkret bewirken?

Freistetter: Ich treffe hin und wieder Leute, die jahrelang meinen Blog gelesen haben und die Thematik so cool fanden, dass sie jetzt Astronomie studieren. Aber das ist nicht Ziel und Anspruch der "Science Busters". Wir wollen einfach nur zeigen, dass es lohnenswert und interessant ist, über Wissenschaft Bescheid zu wissen, ebenso wie über Musik oder Literatur. Dass es Spaß machen kann, sich ein wissenschaftliches Forschungsergebnis anzuschauen, so wie man sich mit einem Film oder einem Theaterstück beschäftigt. Für mich wäre es ein Erfolg, wenn wir rüberbringen, dass Wissenschaft nichts Abgehobenes ist, vor dem man sich fürchten muss, sondern ein wichtiger und spannender Teil unseres täglichen Lebens.

Jungwirth: Dem kann ich mich nur anschließen. Wir müssen zeigen, dass Wissenschaft Alltag ist. Ich wurde mal als Kindergartenpädagoge bezeichnet. Das hat mich aber eher geehrt. An der sogenannten "7. Fakultät" der Uni Graz haben wir nämlich unter anderem die Mitmach-Labore für Interessierte aller Altersgruppen aufgebaut. Es kommen aber nicht nur Schüler zu uns, sondern auch viele ältere Menschen, die erst einmal fragen, ob sie überhaupt etwas anfassen dürfen und ob das gefährlich ist. Solche Ängste versuchen wir zum Beispiel mit unserer "molekularen Küche" zu nehmen. Wir haben sogar ein Rezeptbuch "Science Schmankerl" zusammengestellt.

Und wie bringt man dieses Anliegen nun auf die Kabarettbühne?

Puntigam: Wir sehen uns ja recht häufig, nicht nur bei den Auftritten, sondern auch bei unseren Radio-, Fernseh und Buchterminen oder diversen Einladungen. Gruppendynamisch darf man sich das dann so vorstellen wie ein Männerstammtisch, wo alle versuchen, sich übereinander lustig zu machen. Bei uns kommt als Hauptgesprächsgegenstand die Wissenschaft dazu.

Freistetter: Die meisten Gags denkt sich Martin aus, vieles entsteht aber auch spontan auf der Bühne. Das ist dann echte Situationskomik.

Jungwirth: Das ist ja auch das Erfolgsrezept – der Master of Ceremony. Wissenschaftler, die alleine auf der Bühne stehen und versuchen, witzig zu sein, sind es in der Regel eher nicht. So wie man die Wissenschaft den Wissenschaftlern überlassen sollte, braucht man für den Kabarettteil natürlich auch den Profi.

Puntigam: Es gibt auch Dinge, die mich interessieren. Die schlage ich vor, aber wenn ich merke, die Kollegen wären schon so nett und würden mir zuliebe auf der Bühne was darüber erzählen … dann lieber nicht. Das Publikum spürt natürlich, ob man das, was man vorträgt, gerne vorträgt. Deshalb richte ich mich unter anderem danach, wie leidenschaftlich die Frau Kollegin und die Herren Kollegen ihre Themen bei unseren Treffen vorbringen und darüber diskutieren. Das ist meistens schon die halbe Miete.

Den Männerstammtisch mit lauter Wissenschaftlern habt Ihr mit dem Bühnenformat "Battle Royal" sogar institutionalisiert.

Puntigam: Genau. Damit wir uns mit der ganzen Besetzung regelmäßig treffen, treten die sechs Gruppenmitglieder in einem "Battle Royal" gegeneinander an. Bei dieser Wissensschlacht geht es darum, wer ein Thema am besten erklären kann.

Freistetter: Jeder versucht natürlich, der Beste zu sein. Dabei entsteht eine tolle Dynamik.

Puntigam: Beim letzten "Battle Royal" kam zufällig heraus, dass einer von unseren sechs Wissenschaftlern nicht ausreichend geimpft ist. Dieser Umstand war ad hoc für ein paar Witze gut, ist aber ausbaufähig. Daraus machen wir demnächst eine Show, mit Live-Impfen. Vielleicht ist das ein gutes Beispiel für Ihre Frage, wie unser Bühnenprogramm zustande kommt.

Jungwirth: Und wir sind ja auch Freaks! Es ist ja nicht so, dass wir das, was wir da zeigen, nur spielen. Florian wäre der allererste, der auf einem Asteroiden durchs Weltall fliegen würde, wenn das möglich wäre. Wir sind einfach von dem begeistert, was wir machen, und da kommt es natürlich zu Sticheleien, nicht nur auf der Bühne, auch privat, weil man immer zu beweisen versucht, dass das eigene Fach am interessantesten ist. Das macht riesigen Spaß.

Das Interview fand am 14. Oktober auf der Außenterrasse der Halle 3 während der Frankfurter Buchmesse statt. Die Gesprächspartner waren Martin Puntigam, Dr. Florian Freistetter und Prof. Helmut Jungwirth. Kurz vor Ende der Interviewzeit kam unversehens noch Dr. Elisabeth Oberzaucher dazu.

Die "Science Busters" stellten auf der Messe ihr neues Buch "Warum landen Asteroiden immer in Kratern?" vor. Am selben Abend ging im Neuen Theater Höchst die Deutschlandpremiere der gleichnamigen Show über die Bühne.

Ist damit zugleich das umschrieben, was ein Wissenschaftler mitbringen muss, wenn er zu den "Science Busters" gehören will?

Puntigam: Es muss sozial funktionieren. Die Mitglieder sollen eitel sein, aber nicht empfindlich. Sie müssen sympathisch sein, dann kann man gut miteinander arbeiten. Wenn jemand eine extrem bedeutende Fachkraft auf seinem Gebiet ist und zu den fünf Koryphäen weltweit gehört, dann schreiben wir gerne von ihm ab – aber das ist noch keine Bühnenqualifikation. Die "Science Busters" sind, das darf man nie vergessen, in erster Linie ein Theaterprojekt, das im Theater stattfindet und im Theater funktionieren muss. Also ganz anders als ein wissenschaftlicher Vortrag. Deshalb müssen die Mitglieder gerne auf der Bühne stehen und sich wohlfühlen dabei. Und früher oder später müssen sie auch die Bühnengesetze intus haben.

Und, haben sie?

Jungwirth: Ich bin jetzt seit zwei Jahren bei den "Science Busters" und lerne immer noch dazu. Man braucht seine Zeit, um diese Dramaturgie zu verinnerlichen. Wir Wissenschaftler sind etwa gewohnt, gleich eingangs im Abstract alles zu verraten. Die Dramaturgie eines Wissenschaftskabaretts funktioniert umgekehrt: Man versucht, die Spannung möglichst lange aufrecht zu halten und die Auflösung, also das Forschungsergebnis, erst zum Schluss zu präsentieren. Das fällt mir manchmal noch schwer.

Zudem darf man auch keine Hemmungen haben, als Zwerg Tyrion Lannister oder als wasserstoffblonde Drachenmutter Daenerys Targaryan aufzutreten.

Puntigam: Das fing so an, dass Martin Moder bei einer Halloween-Party als Khal Drogo verkleidet auftauchte. Ich kannte weder die Figur noch die Serie, aber meine Tochter klärte mich auf. Und da wir immer schon gerne über popkulturelle Phänomene gearbeitet haben, fingen wir an, uns mit Game of Thrones zu beschäftigen. Eigentlich dachte ich, Martin Moder kennt sich damit super aus, der ist außerdem jung und muskulös und zieht die ganzen GoT-Fans ins Theater. Aber dann entpuppte sich Florian als der Experte dafür, auch Lisa hatte ein bisschen was dazu gelesen.

Wie aufs Stichwort betritt Dr. Elisabeth Oberzaucher die Terrasse der Messehalle. Die Verhaltensbiologin stellt an diesem Nachmittag ihr Buch "Homo urbanus" auf der Bühne des "Forums Wissenschaft und Bildung" vor. Nach einer herzlichen Begrüßung und kurzem Geplänkel mit ihren "Science Busters"-Kollegen geht das Gespräch weiter.

Puntigam: Ich habe mir dann alle Folgen anschauen müssen, denn unser Konzept war ja schon immer, Schokoladentorte in die Futterkrippe zu legen, dann kommt das Wild und wird angebunden.

Und wenn sich bei der Durchsicht der Fantasy-Episoden überhaupt kein Anknüpfungspunkt für die "Science Busters" gefunden hätte?

Freistetter: Völlig ausgeschlossen. Überall steckt Wissenschaft drin, auch im Tatort-Krimi oder in einer Fahrradtour von Jena nach Wien. Über beides habe ich bei Astrodicticum simplex schon gebloggt. Was Game of Thrones angeht, war von Anfang an klar, dass wir dort Stoff für mindestens fünf Shows finden würden. Bei "Winter is coming – Die Wissenschaft von Game of Thrones" ging es dann zum Beispiel um Alkohol, Wetter, Phantomschmerzen, feuerspeiende Drachen und um den Mythos der unbegrenzten Fortpflanzungsfähigkeit von Männern.

Letzteres war das Thema von Elisabeth Oberzaucher. Die "Science Busters" sind keine reine Boygroup mehr.

Oberzaucher: Zuallererst bin ich in der Gruppe die Verhaltensbiologin. Ob dieser Part von einer Frau oder einem Mann repräsentiert wird, ist unter uns eigentlich kein Thema.

Science Buster - Game of Throne, Foto: Büro Alba
Science Buster - Game of Throne, Foto: Büro Alba

Die verhaltensbiologische Sicht ist eine interessante Ergänzung zum Themenspektrum der "Science Busters". Sind denn noch weitere Verstärkungen geplant, um bestimmte Wissenschaftsbereiche gezielt abzudecken?

Puntigam: Es wollen tatsächlich mehr Forscher bei uns mitmachen, als wir sinnvoll einbauen können. Damit das Projekt "Science Busters" in jeder Besetzung funktioniert, müssen sich die Leute untereinander gut kennen beziehungsweise erst mal kennenlernen. Dafür ist die Gruppe mit jetzt sieben Personen schon an der Grenze.

Oberzaucher: Es gibt sogar eine Studie, in der die Zahl Sieben als Limit für das erfolgreiche Agieren in der Gruppe genannt wird. Bei mehr als sieben Personen wird’s unübersichtlich. In der Zusammenarbeit oder bei Abstimmungen kann dann kaum noch Einmütigkeit erzielt werden.

Sie haben 2015 den Ig-Nobelpreis gewonnen und plädieren schon länger dafür, dass Wissenschaftler viel mehr hinausgehen sollten, anstatt nur im Elfenbeinturm in der speziellen Fachsprache zu bleiben.

Oberzaucher: Unbedingt, ja. Wissenschaftskommunikation betrifft ja nicht nur die Außendarstellung, sondern auch die Art und Weise, wie wir intern miteinander reden. Es gibt bei einem wissenschaftlichen Kongress nichts Schlimmeres, als wenn ein öder Vortrag auf den nächsten folgt. Auch für ihre eigene Arbeit profitieren Kolleginnen und Kollegen davon, wenn sie spannend und anschaulich präsentieren können. Spätestens wenn einem in den Vorlesungen die Studierenden davonlaufen, sollte einem klarwerden, dass man etwas verkehrt macht.

Das Interview erschien zuerst in der Vierteljahrszeitschrift SKEPTIKER 4/17 der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP)