Eine Mehrheit (66 Prozent) der Bevölkerung macht "Rechtsextreme" für die steigende antisemitische Gewalt verantwortlich – gleichzeitig aber halten 53 Prozent auch "radikale Islamisten" für die Ursache. Das zeigt eine gemeinsame Studie der Alice Schwarzer Stiftung, der Giordano-Bruno-Stiftung und des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Dafür wurden vom Institut für Demoskopie Allensbach repräsentativ rund 1.000 Personen zu ihren Einstellungen zum Islam und Islamismus befragt.
Die Umfrage belegt, dass die Menschen in Deutschland mehrheitlich ein differenziertes Bild vom Islam haben und sehr genau unterscheiden zwischen "Islam" und "Islamismus". So finden 65 Prozent, dass "Muslime dasselbe Recht auf Religionsfreiheit haben müssen" wie Christen. Gleichzeitig aber meinen nur 5 Prozent der Befragten, vom Islam gehe keinerlei Bedrohung für die deutsche Gesellschaft aus. Eine Mehrheit von 63 Prozent erlebt allerdings nicht "den Islam" als bedrohlich, wohl aber bestimmte islamistische Gruppen, von denen befürchtet wird, dass sie das gesellschaftliche Klima verändern und zu einem Rückschritt in Toleranz und Gleichberechtigung der Geschlechter beitragen könnten.
71 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass eine "radikale Interpretation des Koran" zur Gewalt aufstachelt und "in manchen Moscheen Hass und Intoleranz verbreitet wird". Entsprechend fordern 61 Prozent, dass vom Ausland finanzierte islamische Organisationen verboten werden sollten. Die aktuelle Allensbach-Umfrage zeigt auch, dass das Unbehagen gegenüber der islamischen Vollverschleierung weiterhin sehr hoch ist: 90 Prozent befürworten ein "Burka-Verbot", entweder generell oder in bestimmten Bereichen. Beim Kopftuch plädieren 61 Prozent für ein Verbot für Lehrerinnen in öffentlichen Schulen und 53 Prozent für ein Verbot bei Mädchen unter 14 Jahren. Zugleich bejaht eine Mehrheit das Recht, in privaten Betrieben wie Supermärkten ein Kopftuch zu tragen.
Auffallend ist die Kluft zwischen der Sorge der Mehrheit vor dem radikalen Islam und dem, was den Parteien bei der Lösung des Problems zugetraut wird. Auf die Frage "Welche Partei bzw. welche Parteien in Deutschland engagieren sich besonders für den Kampf gegen den radikalen Islam?" antworteten 4 Prozent: Die Linke, 5 Prozent: die Grünen, 7 Prozent: die FDP, 9 Prozent: die SPD, 21 Prozent: die CDU/CSU – und 43 Prozent: die AfD. Dazu meint Allensbach-Chefin Prof. Renate Köcher: "Es ist eine riskante Konstellation, wenn die überwältigende Mehrheit bei einem wichtigen Anliegen keine der gemäßigten Parteien als Anwalt identifiziert." Die Frage des Verhältnisses der etablierten Parteien zum Politischen Islam könnte also noch eine brisante Rolle bei den Wahlen spielen.
Die Umfrage "Einstellungen zu Islam und Islamismus" ist eine der ersten und umfangreichsten Studien zu diesem Themenkomplex. Sie wird ab dem 11. Juni vollständig im Internet veröffentlicht. Ruud Koopmans, Abteilungsdirektor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professor für Soziologie und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität, wird die Umfrage bereits am Tag zuvor in der Zeit vorstellen. Die Studie steht zudem im Zentrum der kommenden Emma-Ausgabe, die am 24. Juni erscheint.