Auch Bakterien haben Feinde – im Wasser ernähren sich zum Beispiel einzellige Wimperntierchen, die sogenannten Ciliaten, mit Vorliebe von den Mikroben. Diese schützen sich mit diversen Tricks vor den Räubern, welche die Ciliaten wiederum auszuhebeln versuchen. So entsteht ein evolutionärer Wettlauf um die besten Verteidigungs- und Angriffswaffen.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön zufolge bleibt Beutetieren wie den Bakterien langfristig nichts Anderes übrig, als die Schutzmechanismen aufrechtzuerhalten, selbst wenn der Aufwand dafür so hoch ist, dass sie kaum noch Nachkommen produzieren können.
Räuber und ihre Beute pflegen eine enge Beziehung zueinander: Verändert sich der eine, muss der andere dagegenhalten. Durch eine solche Koevolution und den damit einhergehenden Selektionsdruck kommt es zu einer wechselseitigen Anpassung der Arten.
Die Plöner Forscher um Lutz Becks haben in ihren Experimenten Bakterien und Wimperntierchen für viele Wochen zusammen gehalten und ihre Entwicklung verfolgt. Dabei haben sie beobachtet, dass sich die Mikroben vor der Gefräßigkeit der Ciliaten schützen, indem die normalerweise einzeln lebenden Bakterienzellen nach wenigen Tagen beginnen, in größeren Verbänden als schleimiger "Biofilm" zu wachsen. So können sie von den Ciliaten nicht mehr so effektiv gefressen werden.
Teure Verteidigung
Solange die Wissenschaftler in ihren Versuchen und Computersimulationen nur den Bakterien Veränderungen erlaubten, konnten diese sich gut vor dem Gefressen werden schützen – und das mit überschaubarem Aufwand. Doch sobald sich auch die Wimperntierchen verändern durften, kam den Bakterien der Schutz teuer zu stehen: Sie produzierten dann nur noch wenige Nachkommen. "Die Feindabwehr ist also sehr kostspielig, denn je besser sich die Bakterien wappnen, umso schlechter vermehren sie sich", sagt Becks.
"Die Bakterien schaffen es demnach nicht, beides zugleich zu optimieren – ein typischer Fall eines evolutionären Kompromisses. Wie genau der Kompromiss ausfällt, hängt aber davon ab, ob sich der Räuber an die Abwehrmaßnahmen der Beute anpassen kann. Wenn ja, wird die Verteidigung für die Beute immer kostspieliger und für die Vermehrung bleibt kaum noch etwas übrig. Kann sich der Räuber dagegen nicht anpassen, muss sich die Beute weniger aufwendig zur Wehr setzen und kann mehr in die Nachkommenschaft investieren“, erklärt Becks.
Weniger Vielfalt
Die Forscher haben außerdem gezeigt, dass bei einem dynamischen Kompromiss die Vielfalt der Räuber abnimmt. Die Wimperntierchen entwickeln folglich weniger unterschiedliche Typen, um sich an Verbände und Biofilme der Bakterien anzupassen. "Das ist für die Beute natürlich günstig und könnte den Druck auf die Bakterien verringern", so Becks.
Die Studie zeigt, dass mehr Vielfalt in der Beute überraschenderweise nicht immer mehr Vielfalt bei den Räubern bedeutet. Lutz Becks: "Entscheidend ist der Kosten und Nutzen von Merkmalen für die Beute und den Räuber. Wie unsere Experimente zeigen, können sich diese verschieben, je nachdem, ob die Räuber Zeit hatten, sich anzupassen oder nicht." (KW/HR)