Heute jährt sich der Genozid an den Rohingya in Myanmar zum vierten Mal. Noch immer leben bis zu eine Million Geflüchtete unter katastrophalen Bedingungen in riesigen Lagern – ohne Hoffnung auf Besserung, wie die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in einer Pressemitteilung kritisiert. Nach dem Putsch des myanmarischen Militärs Anfang des Jahres stünden die Chancen auf substanzielle Fortschritte äußerst schlecht.
Schlechte Hygiene, Mangelernährung, zahlreiche Suizide wegen unbehandelter Traumata und Stigmatisierung und keine Hoffnung auf Besserung – Dr. Ambia Perveen, Ärztin und Leiterin der Organisation Rohingya Medics, verdeutlicht die dramatische Situation in den Flüchtlingslagern: "Die Not im Lager Kutupalong in Bangladesch, aber auch in anderen Camps in benachbarten Ländern, ist nicht zu begreifen, bis man es mit eigenen Augen sieht. Häuser werden aus dünnem Plastik gebaut und es gibt kein funktionierendes Abwassersystem. Durch die schlechte Hygiene sind Hautausschläge weit verbreitet. Kinder haben durch Mangelernährung aufgeblähte Bäuche, denn es gibt fast nur Reis zu essen." Zugleich leide die psychische Gesundheit, vor allem die der zahlreichen Opfer von Vergewaltigung. "Die Traumata können nicht verarbeitet werden – es gibt viele Fälle von Selbstmord in den Lagern. Junge Mädchen und Frauen werden verstoßen und geächtet, wenn sie vergewaltigt wurden. Oft zwingt sie das in die Prostitution. Einige werden als Sklavinnen verkauft", berichtet Dr. Perveen.
Die Regierung Bangladeschs versucht unterdessen, bis zu 100.000 geflüchtete Rohingya auf die Insel Bashan Char umzusiedeln, um die überfüllten Lager zu entlasten. Diese Insel ist aber aus guten Gründen unbewohnt, denn vor allem im Monsun wird sie regelmäßig überschwemmt. Die verzweifelten Menschen auf dem Festland würden mit falschen Versprechungen zur Umsiedlung bewegt, wie Dr. Perveen erklärt. "Wenn sie die Insel aufgrund der unhaltbaren Zustände wieder verlassen wollen, werden sie mit Gewalt zum Bleiben gezwungen." Zugleich greife es zu kurz, wegen der katastrophalen Lage der Rohingya nur Bangladesch Vorwürfe zu machen. Die internationale Gemeinschaft müsse dieses bitterarme Land viel stärker bei der Versorgung der Notleidenden unterstützen.
In ihrer Heimat Myanmar werden die Rohingya seit Jahrzenten verfolgt und unterdrückt. Vor etwa 30 Jahren wurde sämtlichen Angehörigen dieser Ethnie pauschal die Staatsbürgerschaft entzogen. Seitdem haben sie praktisch keine Rechte. Am 25. August 2017 begann eine "Säuberungsaktion gegenüber militanten Rohingyas", wie das myanmarische Militär seine Genozid-Kampagne nannte. Die Regierungstruppen vertrieben die Menschen aus ihren Häusern, brannten Dörfer nieder und vergewaltigten zahlreiche Mädchen und Frauen. Hunderte wurden getötet und in Massengräbern verscharrt. Mindestens 6.700 Rohingya kamen zu Tode, darunter 730 Kinder unter fünf Jahren. Weit über eine Million Menschen flüchtete in die Nachbarländer, vor allem nach Bangladesch.
Gambia hat vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Anklage gegen Myanmar wegen Genozids erhoben. Eine unabhängige Untersuchungsmission hat bereits bestätigt, dass die Geschehnisse in Myanmar als Genozid einzustufen sind.