Am 20. Mai stellte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt die Fallzahlen zur politisch motivierten Kriminalität für das Jahr 2024 vor. Auffällig ist vor allem die Zunahme antisemitischer Delikte.
Seit 2001 berichten das Bundesinnenministerium und das Bundeskriminalamt jedes Jahr über die Entwicklung der politisch motivierten Straftaten. Noch nie in den vergangenen mehr als zwei Jahrzehnten war die politische Kriminalität auf einem so hohen Stand wie 2024: Im Vergleich zu 2023 stieg sie um 40,22 Prozent auf 84.172 Delikte an. Die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten nahm im selben Zeitraum um 15,33 Prozent auf 4.107 Delikte zu.
Hauptgrund war die Zunahme antisemitischer Straftaten, die bereits nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 begann und sich statistisch auch deutlich im vergangenen Jahr zeigte.
Das Ausmaß des Antisemitismus und seine Bedrohung für die kleine jüdische Community in Deutschland – die wenigsten Bundesbürger werden jemals einem Juden begegnet sein – wird klar, wenn man sich die Zahlen der Angehörigen der drei in der Statistik aufgeführten Religionsgemeinschaften anschaut und sie in Relation zu den Straftaten setzt.
Nach einer im August vergangenen Jahres von der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) veröffentlichten Statistik leben in Deutschland knapp 40 Millionen Angehörige der verschiedenen christlichen Konfessionen sowie 3,2 Millionen konfessionell gebundene Muslime. Die Zahl der in Deutschland lebenden Mitglieder einer jüdischen Gemeinde gibt das Bundesinnenministerium mit knapp unter 95.000 an.
Diese kleine Gruppe der Juden lebt nach BKA-Angaben in einer Gesellschaft, in der es allein im Bereich der antisemitischen Straftaten 2024 zu 6.236 Delikten kam. Auf 3,2 Millionen Muslime kamen 9.368 islamfeindliche Straftaten, auf die 40 Millionen Christen 337 Delikte. Keiner Gruppe schlägt so viel Hass in Deutschland entgegen wie dem jüdischen Teil der Bevölkerung.
Und ein steigender Anteil dieser Delikte hat einen religiösen Hintergrund. Nach wie vor werden die meisten antisemitischen Straftaten nach Aussage von Alexander Dobrindt von Rechtsradikalen begangen. Der massive Anstieg ging vor allem auf Täter aus dem Bereich ausländische Ideologie und religiöse Ideologie zurück: Während die Zahl der antisemitischen Straftaten mit einem rechtsradikalen Hintergrund von 2023 zu 2024 von 3.034 auf 3.016 stabil blieb, stieg sie im Bereich ausländische Ideologie um 63,58 Prozent von 1.186 auf 1.940 und im Bereich religiöse Ideologie um 29 Prozent von 531 auf 685 Taten. Im Bereich "links" stieg sie von 40 auf 109 – um 172,5 Prozent.
Dobrindt sprach bei der Vorstellung des Berichts von einem Schulterschluss der Antisemiten:
"Die meisten Straftaten, wie wir gerade sehen, kommen aus dem antisemitischen Bereich, dem Phänomenbereich PMK-Rechts. Wenn man das im Detail betrachtet, könnte man auch zu dem Ergebnis kommen, dass es sicher eine Art Schulterschluss auch gibt, wenn es darum geht, die Ablehnung gegenüber dem Staat Israel zu zeigen – sowohl von Linksextremisten als auch radikalen Islamisten sowie ausländischen Ideologen."
Wegen des Anstiegs an Straftaten mit Hintergrund einer ausländischen Ideologie will der Bundesinnenminister erreichen, dass Straftäter schneller ausgewiesen werden können:
"Wir dulden den importierten Antisemitismus nicht auf unseren Straßen. Ich werbe dafür, dass wir hier zur Regelausweisung kommen."
Ob die Gerichte mitspielen, bleibt abzuwarten. Sie fahren – vor allem in Berlin, der Hauptstadt des antisemitischen Irrsinns – eine vergleichsweise lockere Linie.
29 Kommentare
Kommentar hinzufügen
Netiquette für Kommentare
Die Redaktion behält sich das Recht vor, Kommentare vor der Veröffentlichung zu prüfen und über die Freischaltung zu entscheiden.
Kommentare
Karsten Krämer am Permanenter Link
Laurin: "in Berlin, der Hauptstadt des antisemitischen Irrsinns ..." Unsinn.
malte am Permanenter Link
Was bitte hat Herrn Laurins Herkunft aus dem Ruhrgebiet mit dem Thema zu tun? Man muss nicht in Berlin wohnen, um wissen zu können, dass es dort zahlreiche antisemitische Vorfälle gegeben hat - bis hin zum Mord!
Generell stört mich die Entwicklung, dass hier in den Kommentaren immer weniger über den Inhalt der Beiträge diskutiert, sondern vor allem auf Personen eingedroschen wird. Was immer man auch von Laurins sonstigem publizistischen Wirken hält - es sollte um die Sache gehen, nicht um die Person.
Karsten Krämer am Permanenter Link
"Laurins sonstigem publizistischen Wirken" genau das sollte man sich mal anschauen: der hpd ist keine Welt für sich.
malte am Permanenter Link
Und wieso sollte man sich das anschauen? Was hat das mit diesem Artikel zu tun? Ich habe schon einiges von Laurin gelesen, und oft bin ich nicht seiner Meinung.
Karsten Krämer am Permanenter Link
Laurin "nicht auch mal Recht hat": ernsthaft? So argumentieren Sie? In Zukunft ohne mich.
Im übrigen hat "das" sehr viel mit diesem Artikel zu tun, vielleicht finden Sie noch heraus, was.
malte am Permanenter Link
Ja, ernsthaft. "Autor XY ist böse und darum ist grundsätzlich alles doof, was er schreibt" halte ich für kein überzeugendes Argument.
Karsten Krämer am Permanenter Link
hab ich nicht geschrieben - "böse" ist auch überhaupt nicht mein Vokabular. Ist mir zu naiv, aber wenn es zu Ihnen passt, bitte.
Bo am Permanenter Link
Warum sollte man nicht ohne ad hominem argumentieren können?
Und darauf weist malte zu Recht hin: Es kommt auf die Sachebene an und nicht auf die Person, die diese äußert.
Für mich sehr befremdlich, dass man so etwas fundamentales erklären muss.
Karsten Krämer am Permanenter Link
Ich lese Stefan Laurins zuletzt beim hpd erschienenen Artikel (oben) im Zusammenhang dessen, was er vorher - in anderen Artikeln - geäussert hat: Ich interpretiere Stefan Laurin in einem grösseren Kontext.
malte am Permanenter Link
Der "größere Kontext" scheint hier wohl zu sein, dass Ihnen missfällt, dass der Autor dieses Artikels solidarisch mit Israel ist. Ändert diese Tatsache etwas an der Aussage des Beitrags?
Willie Stenzel am Permanenter Link
Man kann sicherlich über Personen diskutieren, selbst Dobrindt gehört ja zu diesen Personen. Nur, was sagt das zum Artikelinhalt selbst aus? Sind dadurch die Zahlen falsch?
David am Permanenter Link
soweit ich weiss gibt es mindestens 2 Seiten und keine Einseitige darstellung wie in ihrem bericht. die palästinenser haben nie dafür gestimmt ihr land abzugeben und ihr land zu verlassen für die juden!
malte am Permanenter Link
"die juden terroriesieren die ganze arabische welt!(sic!)" - Weshalb gibt es hier überhaupt eine Moderation, wenn so etwas dann doch freigeschaltet wird?
Bo am Permanenter Link
Ich halte den Post auch für äusserst kritikwürdig und widerspreche der absurden Aussage Davids vehement. Aber als Vertreter einer weitreichenden Meinungsfreiheit bin ich dafür, dass das Äußern möglich sein sollte.
malte am Permanenter Link
Ich finde Meinungsfreiheit auch wichtig, aber sie hat auch gewisse Schranken. Ich bin kein Jurist, aber der von mir kritisierte Satz könnte sogar strafbar sein. Antisemitisch ist er auf jeden Fall.
Bo am Permanenter Link
Nein. Sie irren. Hier ein paar Fakten:
1. Den Begriff "Palästinenser" gibt es erst seit ca. 1960, also lange nach der Staatsgründung Israels. Geformt hat ihn Arafat. Davor war sachlich richtig stets von Arabern die rede.
2. Den Juden wurde ein Teil des brit. Mandats "Palästina" durch den intl. Teilungsplan zugesprochen. Die Araber wollten keinen israelischen Staat akzeptieren und griffen Israel an.
3. Die Araber haben mehrere Angriffskriege gegen Israel verloren. Landverlust ist eine übliche Konsequenz aus verlorenen Angriffskriegen, insbesondere dann, wenn kein Friedens- und Kooperationswille des Angreifers erkennbar ist.
4. Judenhass und antisemitische Pogrome gab es in der arabischen Welt regelmäßig bereits vor der Gründung Israels.
5. Texas oder Bayern wären als Siedlungsgebiet unsinnig gewesen, denn das Land, das sich jetzt Israel nennt, ist seit Jahrtausenden von Juden bewohnt und eindeutig das Heimatgebiet dieser Religion bzw Ethnie.
6. Der Nahe Osten war bis ins frühe Mittelalter christlich-jüdisch - bis ein gewisser Mohammed aus Arabien mithilfe seiner Religion eine imperialistisch anmutende Expansionspolitik startete und die muslimischen Araber unter dem Banner ihrer friedfertigen Religion den Nahen Osten (inkl. der jüdischen Siedlungsgebiete), Ägypten, Anatolien, Griechenland, Nord Afrika, Spanien und Teile Frankreichs eroberten.
7. In all diesen Gebieten lebten Juden, die unter der Drangsalierung der neuen muslimischen Machthaber litten. Selbst ohne den Holocaust wäre ein Staat Israel gerechtfertigt.
8. Die Behauptung, die Juden würden die ganze arabische Welt terrorisieren, ist selbstverständlich absurder Blödsinn. Israel ist in der arabischen Welt der einzige demokratische Rechtsstaat und es lohnt sich, mit diesem zusammenzuarbeiten. Zum Glück erkennen das immer mehr arabische Staaten, siehe Abrahams Records.
Herbert Kramm-A... am Permanenter Link
zum einen gibt es ja schon länger deutliche kritik an der unklaren und ausgeweiteten verwendung des begriffs antisemitismus, stichwort IHRA-definition etc, zum anderen sollte man mal reflektieren, welchen zusammenhang
malte am Permanenter Link
Wie soll man das jetzt verstehen?
Übrigens wurzelt auch der Antisemitismus im Nahen Osten in der Nazi-Unkultur, siehe die Arbeiten von Matthias Küntzel.
Bo am Permanenter Link
Wie ordnen Sie das Faktum ein, dass es in der arabischen Welt Judenhass und antisemitische Pogrome auch bereits vor Gründung Israels regelmäßig gab?
SG aus E am Permanenter Link
Im Blog der Bildungsstätte Anne Frank stieß ich am Wochenende auf die folgende Stelle. Sie ist schon älter, aber immer noch gültig – wenn man den Ansatz teilt. Eva Berendsen schrieb am 24. Oktober 2023:
"Wer jetzt aber Antisemitismus pauschal als Problem nur von Muslim*innen oder Palästinenser*innen verstanden wissen will und die Ereignisse nutzt, um Stimmung gegen Muslim*innen oder Palästinenser*innen zu machen, dem geht es nur um Rassismus. Wenn nun etwa CDU-Chef Merz in Gedankenspielen bei X, vormals Twitter, Kriegsflüchtlingen aus Gaza pauschal die Aufnahme in Deutschland verweigern will und raunt, wir hätten schon genug antisemitische junge Männer im Land, der betreibt übelstes Dogwhistling (übersetze: 'junge Männer' = 'der Antisemitismus in Deutschland ist importiert'), dass wir uns fragen müssen, wo der moralische Kompass der Christdemokraten geblieben ist. Vielleicht ist er zusammen mit den ersten Schichten der Brandmauer abgerutscht.
Um es noch einmal zu sagen: Jeden Tag sehen wir, wie Antisemitismus aus der Mitte der weißen Mehrheits-Gesellschaft kommt.
Rassismus kann keine Antwort auf Antisemitismus sein – genauso wenig wie Antisemitismus eine Antwort auf Rassismus sein darf.
Wir stecken bereits mitten in einer weiteren rassistischen Diskursverschiebung, indem der Kampf gegen Antisemitismus herangezogen wird, um die Rufe nach Repression gegen Muslime und Migrant*innen aus muslimisch-arabisch geprägten Ländern zu rechtfertigen."
https://www.bs-anne-frank.de/mediathek/blog/deutsche-debatte-zum-nahostkonflikt-was-laeuft-da-schief
Noch eine persönliche Bemerkung: Ich finde es gut, wenn das Thema hier diskutiert wird, denn – wie es aussieht – sollten Politik und Bevölkerung auf einen größeren Flüchtlingsstrom in naher Zukunft vorbereitet sein. In der Hoffnung, dass doch nicht soweit kommt.
RPGNo1 am Permanenter Link
Haben Sie mit Absicht Eva Berendsen verkürzt zitiert, in welchem sie auf den muslimischen Antisemitismus eingeht?
Bo am Permanenter Link
Nein. Muslimischer Antisemitismus kommt nicht "aus der Mitte der weißen Mehrheitsgesellschaft".
Wir haben es hier mit einem spezifischen Phänomen zu tun. Dies als Problem zu Benennen ist selbstverständlich kein Rassismus. Im Gegenteil.
Gauben Sie allen ernstes, dass sich Menschen aus europäischen Gesellschaften und Gesellschaften im Nahen und Mittleren Osten oder sonst wo nur durch die Geographie unterscheiden und nicht auch durch unterschiedliche Prägungen bzw Sozialistation?
Karsten Krämer am Permanenter Link
Natürlich sind Sie ein Rassist, nach allem, was Sie zu verschiedenen Artikeln des hpd über den Islam, Muslime, etc. geäussert haben.
Bo am Permanenter Link
Seien Sie bitte nicht albern. Mit ad hominem und insb. der Rassismus-Keule zu kommen ist sowas von ausgelutscht. Bei mir fruchten nur Sachargumente.
Ich hatte Ihnen eine spezifische Frage gestellt. Leider haben Sie diese nicht beantwortet.
Karsten Krämer am Permanenter Link
Rassismus ist nicht "albern". Und auch nicht "ausgelutscht".
Michael Fischer am Permanenter Link
Ich würde trotzdem dazu raten, darauf zu verzichten. Es erweckt immer den Eindruck, dass einem offenbar gerade die Argumente ausgegangen sind.
Karsten Krämer am Permanenter Link
Ich werde sicher nicht damit aufhören, Rassismus "Rassismus" zu nennen.
Bo am Permanenter Link
Das glaube ich Ihnen gerne, dass Sie mit Diffamierungsversuchen nicht aufhören werden. Das hilft Ihrer substanzlosen Position argumentativ allerdings nicht im geringsten weiter. Im Gegenteil.
Stefan Dewald am Permanenter Link
Die Worte les ich wohl, doch fehlt mir jeder Glaube.