Der Hirnforscher Wolf Singer hat das Gehirn mit seinen rund 500 Billionen Verkehrsknotenpunkte als die komplexeste Materie des Universums bezeichnet. Bei diversen Veranstaltungen weltweit steht es diese Woche im Zentrum.
Die internationale Woche des Gehirns wird seit vielen Jahren von der US-amerikanischen DANA Foundation einmal jährlich Mitte März ausgerufen, um in der breiten Bevölkerung auf die erstaunlichen Leistungen unseres Gehirns und die Folgen seiner Schädigung aufmerksam zu machen - durch Vorträge, Diskussionen sowie durch kulturelle Events. Auch in Deutschland beteiligen sich viele Institutionen, Bildungseinrichtungen und Vereine an der brain awareness week.
Freiburg
In der Freiburger Universitätsbibliothek präsentieren das Bernstein Center Freiburg und der Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools eine interaktive Ausstellung zur Hirnforschung, in der Besucher vom 13. - 15. März einen Einblick in die Welt der neurowissenschaftlichen Forschung erhalten und Wisssenswertes über Funktionsweise und Aufbau des Gehirns erfahren.
In der Ausstellung mit Hands-On-Elementen und Videos aus dem Forschungsbetrieb geht es etwa um Fragen wie diese: Wie steuert das Gehirn Körperbewegungen? Was ist, wenn wichtige Funktionen ausfallen oder Erkrankungen wie Parkinson oder Epilepsie auftreten? Wie würde es sich anfühlen, wenn wir eine dritte Hand hätten?
Ergänzt wird die Ausstellung von zwei Veranstaltungen: Am Montag-Nachmittag gibt es ein speziell auf Kinder ab 9 Jahren zugeschnittenes Programm. Und am Mittwoch, den 15. März stellt der Informatiker Michael Tangermann in einem Café Scientifique ein von ihm entwickeltes System vor, das Hirnaktivitäten in Buchstaben und Worte übertragen kann. Dies kann von Interessierten vor Ort ausprobiert werden.
Frankfurt
Das interdisziplinäre Zentrum für Neurowissenschaften in Frankfurt beteiligt sich an der Woche des Gehirns mit einem Vortrag von Gabi Lahner über die "Elementarteilchen der Sprache" am 13. März im Uniklinikum (17:15 Uhr, Haus 23, Hörsaal 3). Es wird um die Frage gehen, ob die Erkenntnisse der Sprachwissenschaften mit den Ergebnissen der Neurowissenschaften zu einer einheitlichen Theorie von Sprachverarbeitung im Gehirn vereint werden kann.
Gibt es eine produktive Beziehung dieser beiden Disziplinen - über korrelative Aussagen und naiven Reduktionismus hinaus? Können die "Listen von Elementarteilchen" beider Disziplinen aufeinander abgebildet werden? Mit der Hilfe amüsanter Experimente werden mögliche Lösungen für dieses Problem präsentiert.
Berlin
In Berlin finden von mehreren Veranstaltern zahlreiche Termine statt - die meisten davon von der Berlin School of Mind and Brain und dem Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience Berlin (BCCN) der Humboldt-Universität.
Für Schülerinnen und Schüler der Klassen 10-13 gibt es am 13. März gleich eine ganze Reihe von Vorträgen, Diskussionen und Workshops, in denen sie etwa einen MRT-Scanner besichtigen und Gehirntrainings gegen Gedächtnisverlust testen können. In anderen Veranstaltungen stehen Schmerzwahrnehmung, Sinnestäuschungen oder Wahnvorstellungen im Mittelpunkt.
Das Programm für das allgemeine Publikum startet am Abend des 13. März mit einem Pubquiz wie sie in irischen Bars bekannt und beliebt sind. Bei diesem stellen sich die Teilnehmer neben Fragen zum Allgemeinwissen auch solchen zum Gehirn (Home Bar, Friedrichshain, 20 Uhr).
Am 14. März gibt es eine Filmvorführung von Luc Bessons Science-Fiction-Thriller "Lucy" mit anschließender Diskussion über Gehirndoping mit Malek Bajbouj, dem Leiter der AG Affektive Neurowissenschaften der Charité (Humboldt Graduate School, Festsaal, 19 Uhr).
Mittwoch, den 15. März lädt die gelbe Villa in Berlin am Nachmittag zu einem Workshop für Kinder von 6-11 Jahren zum Thema: Wie funktioniert unser Gehirn.
Am 16. März findet als Teil des Fachsymposiums Mind, Brain & Body Symposium ein öffentlicher Vortrag von Christine Heim statt: "Neurobiologische Folgen früher Stresserfahrungen", in denen die Professorin für ein allgemeines Publikum über neurobiologischer und epigenetischer Veränderungen nach traumatischen Erlebnissen berichtet, sowie über neue Ansatzpunkte für die Behandlung von Erkrankungen, die daraus resultieren.
Als letzte Berliner Veranstaltung der Brain Awareness Week findet am Abend des 16. März ein Pop Science Café im Berliner Betahaus statt, wo der Neuroforscher Achim Kramer auf englisch einen Vortrag über Circadiane Rhythmen halten wird.
Während der ganzen Woche bis einschließlich Freitag kann zudem die Virtuelle Ausstellung der Fotokünstlerin Juliet Vles im Foyer der Humboldt-Uni sowie im Foyer des Grimm-Zentrums besucht werden. Sie zeigt einige Werke des Zyklus "transCerebral", in der sie sich kritisch damit auseinandersetzt wie das Gehirn in unserer Gesellschaft gesehen wird.
Nürnberg und Umgebung
In dem 30 Autominuten von Nürnberg entfernten Neumarkt bietet die Gabriele-Siegel-Stiftung ein Programm mit viel praktischem Bezug an, etwa ein Info-Nachmittag für Schlaganfall-Patienten oder die Erarbeitung eines Parcours der Sinne in der Nachmittagsbetreuung für Schülerinnen und Schüler.
In Nürnberg bietet der Turm der Sinne mehrere Termine in Zusammenarbeit mit dem Klinikum an. Die Auftakt-Soiree im Marmorsaal am 13. März, 18 Uhr, umfasst vier Vorträge der Ärzte Joachim Ficker, Peter Krebs, Frank Erbguth und der Ärztin Kneginja Richter über Schlafmedizin, künstlichen Schlaf, Koma und Wachkoma, sowie Liebe und Partnerschaft im Traum.
Im Turm der Sinne findet an vier Tagen der Gehirnwoche eine Entdeckungstour zum Thema Gedächtnis und Schlaf statt.
Auch in zwei Filmvorführungen im Casablanca steht das Thema Schlaf auf dem Programm. Nach dem Film "Nicht weit von mir" am Freitag Abend diskutieren der Regisseur und Psychologe Rüdiger Görlitz und der Neurologe Erbguth über luzides Träumen und Bewusstsein. Speziell an Kinder richtet sich der 3D-Film "Big Friendly Giant", in der ein Riese das Waisenmädchen auf einer fantastischen Traumjagd begleitet (Sonntag, 19. März, 11 Uhr).
Die beliebte Veranstaltung "Science meets Comedy" im Nürnberger Planetarium wird in diesem Jahr erstmals von dem neu gegründeten Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs Kortizes veranstaltet. Dabei geht es um "Schräge Vögel, irre Typen - Psychopathen oder Normabweichler?". Aus Forschung und Praxis berichtet dabei der Psychiater und Klinikchef Günter Niklewski. Sein kabarettistisches Gegenüber, die Unterhaltungskünstlerin Lizzy Aumeier, nähert sich dem Thema von seiner witzig-verrrückten Seite.
Zum Nürnberger Abschluss der Woche des Gehirns diskutieren am Sonntag, den 19. März, der Neurologe Frank Erbguth vom Nürnberger Klinikum und der Ethiker Dieter Birnbacher von der Uni Düsseldorf im Humanistischen Salon über "Entscheidungen zwischen Leben und Tod" (Café PARKS, 11 Uhr). Auch bei den heiken Fragen nach der Verfügung über das Leben spielen neurowissenschaftliche Erwägungen stets eine zentrale Rolle, sowohl am Anfang als auch am Ende des Lebens.
Die meisten der deutschen Veranstaltungen der Brain Awareness Week finden sich auch im Veranstaltungskalender der Dana Foundation.