Vögel lernen singen ähnlich wie Menschen das Sprechen

Zebrafinken sind Minimalisten

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Männlicher naturfarbener Zebrafink (Taeniopygia guttata)
Männlicher naturfarbener Zebrafink (Taeniopygia guttata)

Was haben ein Computer, ein Kleinkind und ein junger Zebrafink miteinander gemeinsam? Sie analysieren auf ähnliche Weise Wort- beziehungsweise Tonfolgen, fand Richard Hahnloser vom Institut für Neuroinformatik der Universität Zürich zusammen mit seinem Team heraus. Zebrafinken lernen das Singen ähnlich wie Kinder das Sprechen. Kein Wunder, sie verfügen über dasselbe FOXP2-Sprachgen.

Eine allbekannte zuckrigsüße Tomatensauce aus den USA hieß bei einem kleinen Zweibeiner in einer deutschsprachigen Familie lange hartnäckig "Käspaa", bis sie später zu "Kepscha" wurde und dann ihre Bezeichnung endlich von "Ketschup", gesprochen "Ketschapp", abgelöst wurde.

Ein anderes Menschenkind sagte begeistert "Tatzitatzi tomm!", wenn es des kleinen Sofalöwen der Oma ansichtig wurde. Gemeint war "Katze, Katze komm!". An solche Lautdreher erinnert sich oft jahrelang die ganze Familie gern. Dem Kind ist es erst einmal beim Benutzen eines Wortes nicht möglich und unwichtig, die Reihenfolge der einzelnen Vokale und Konsonanten, die darin vorkommen, einzuhalten. Das kommt erst mit der Zeit.

Zebrafinken, die weißen Mäuse unter den Laborvögeln, machen es nicht anders. Im Züricher Labor spielte man wenige Monate alten Jungtieren zunächst den Gesang "ABC" vor, bis sie ihn selbst wiederholten. "A", "B" und "C" meinen bestimmte Tonhöhen. Dann änderte man die Tonhöhe und die Tonfolge zu "AC++B". "+" bedeutete dabei jeweils den vorausgehenden Ton einen halben Ton höher, "++" einen ganzen Ton höher zu singen. Die Vögel änderten darauf ihre Tonhöhe, sangen aber "ABC++". Erst in einem folgenden Schritt gelang ihnen die "richtige" Reihenfolge "ACB++".

Eine andere Gruppe wurde mit der Tonfolge "ABCB+" beschallt. Sie sollte dann auf die Tonfolge "AB++CB-" umsteigen, wobei "-" bedeutete, einen halben Ton tiefer anzuschlagen. Die Vögel änderten wiederum ihren zunächst angestimmten Gesang ab auf "AB-CB++". Dabei blieb es allerdings. Die Vögel waren derweil so weit herangewachsen, dass sie ihr Gesangsrepertoire nicht mehr variierten.

Was dies mit der künstlichen Intelligenz zu tun hat? Computerprogramme, die Texte auf ihre Herkunftsepoche, Autorenschaft oder deren Schaffensperiode hin untersuchen, leisten dies, indem sie diese auf die Häufigkeit bestimmter Wörter hin abklopfen, unabhängig von deren Bedeutung und Stellung im Satz. Es geht allein um die Verteilung von Buchstabengruppen innerhalb einer Textmenge, so wie es beim Lernen von Lauten zunächst auf die möglichst vollständige und wiedererkennbare Artikulation der Elemente einer Lautfolge ankommt, die erst später zu dem akustisch gestalteten Wort oder Gesang mit einer fixen Abfolge wird, so wie sie die Herangewachsenen vernehmen lassen. Diese minimalistische Methode hat also nicht der Mensch erfunden, sie ist so natürlich wie der Gesang der Vögel. Oder: Selbst Zebrafinken denken digital.