Erste obergerichtliche Entscheidung zur Verjährungsfrage bei kirchlichen Missbrauchsfällen erwartet

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Matthias Katsch ("Eckiger Tisch", links) bei einer Kunstaktion 2020 im Gespräch mit Stephan Ackermann (damals Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz).
Matthias Katsch im Gespräch mit Stephan Ackermann

Das Landgericht Trier hat mit Beschluss vom 12. Dezember 2024 die von einem Missbrauchsopfer gegen das Bistum Trier geltend gemachten Ansprüche verneint. Das Bistum hat die Einrede der Verjährung geltend gemacht. Dies wird nun vor dem Oberlandesgericht Koblenz angefochten. 

Die Organisation MissBiT – Missbrauchsopfer & Betroffene im Bistum Trier nimmt in einer Pressemitteilung Stellung zum Gerichtsverfahren eines Missbrauchsopfers gegen das Bistum Trier. Dieses habe die Einrede der Verjährung geltend gemacht und sich zudem auf Unkenntnis gestützt, obwohl die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) der Deutschen Bischofskonferenz den Fall längst anerkannt habe. "Das  Landgericht Trier hat hierzu ausgeführt, dass der Antragsteller in den Jahren 1967 bis 1971 zwar von einem Priester schwerst missbraucht worden sei. Wegen Zeitablaufs seien jedoch alle Ansprüche gegen das Bistum Trier verjährt." Die Entscheidung des Landgerichts Trier wird beim Oberlandesgericht Koblenz angefochten.

MissBiT begründet diesen Schritt so: "Die Entscheidung des Landgerichts berücksichtigt insbesondere nicht, dass der Missbrauch auf einem gigantischen Organisationsverschulden der katholischen Kirche beruht, bei dem Sorgfalts- und Aufsichtspflichten bis zur Grenze der bewussten Rechtsblindheit missachtet wurden." Aufgrund der Stellung der katholischen Kirche, insbesondere des unbegrenzten Vertrauens, das Kleriker genossen hätten sowie des Vertuschungs- und Verschleierungsverhaltens hätten erfolgreiche Klagen erst ab 2010 gegen die Bistümer erhoben werden können. Die Verjährung habe daher erst 2011 begonnen, folgert der Betroffenenverband, und somit seien die  Ansprüche der Missbrauchsopfer nicht verjährt. "Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz wird die erste obergerichtliche Entscheidung zur Verjährungsfrage bei kirchlichen Missbrauchsfällen sein."

Triers Bischof Stephan Ackermann nehme die Retraumatisierung des Opfers bewusst in Kauf, ist MissBiT überzeugt. Das Bistum habe die weitere Kostenübernahme für die infolge des Missbrauchs notwendige Psychotherapie des Opfers abgelehnt. Die Organisation ist empört über dieses Vorgehen: "Nun zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass es Ackermann & Co. nicht um eine Kultur der Achtsamkeit oder eine betroffenenorientierte Vorgehensweise geht. Plötzlich sind die Regeln der Zivilgesellschaft genehm, um sich bequem zurückzulehnen. Die Aussage Ackermanns, dass man sich der Verantwortung stellen wird, ist – wie immer – nichts wert." Einen außergerichtlichen Vergleich habe er auch abgelehnt.

Weitere Opfer befänden sich laut der Pressemitteilung von MissBiT derzeit in der Vorbereitung ihrer Klagen. Deren Einreichung sei wesentlich von der nun anstehenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz abhängig. "Das Vorgehen von Ackermann soll wohl auch eine Warnung an alle klagewilligen Opfer im Bistum Trier sein", mutmaßt der Betroffenenverband. "Diese moralisch mehr als verwerfliche, ja schändliche Machtdemonstration hat nur einen Zweck: Ackermann will die Klagen verhindern und damit die Offenlegung der Akten. Die Verantwortung und Mitschuld der  handelnden Personen sollen weiterhin der Öffentlichkeit entzogen bleiben."

Der ehemalige Trierer Generalvikar und jetzige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing habe im Januar 2022 öffentlich erklärt, dass Betroffene Akteneinsicht erhielten. MissBiT bemängelt die Umsetzung dieses Vorhabens: "Im Bistum Trier wird nach wie vor den Opfern ihre eigene (!) Antragsakte zur Einsichtnahme vorgelegt. Selbst einem Opfer in Begleitung einer Rechtsanwältin legt man frechweg nur den vom Opfer ausgefüllten Fragebogen hin."

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