BERLIN. (hu) Als schweren Fehler und als Verstoß gegen das Völkerrecht hat die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) das Vorhaben der Bundesregierung bezeichnet, mit der Bundeswehr in den Bürgerkrieg gegen Syrien einzugreifen.
Tornado-Jets, Tankflugzeuge, eine Fregatte und Satellitenaufklärung sollen den Kampf einer internationalen Allianz gegen den "Islamischen Staat" (IS) unterstützen. "Wieder einmal erliegen die politisch Verantwortlichen der verhängnisvollen Fehleinschätzung, Terrorismus durch Bombardierungen ausrotten zu können", stellt der Vorsitzende der HU, Werner Koep-Kerstin, fest.
Als überstürzt wird die Reaktion der Bundesregierung auf die Terroranschläge in Paris bezeichnet, weil die Allianz gegen den IS bisher keine gemeinsamen Vorstellungen zur Beendigung des Bürgerkrieges und zur Zukunft Syriens untereinander abgestimmt hat. Die Interventionen in Afghanistan, Irak und Libyen haben aber gezeigt, dass geeignete Exit-Optionen und politisch-wirtschaftliche Strategien unbedingt erforderlich sind, um die weitere Zerrüttung solcher Post-Konfliktstaaten zu verhindern.
Unvereinbar mit dem Völkerrecht
Die Bürgerrechtsorganisation kritisiert darüber hinaus, dass die militärische Intervention in Syrien nicht mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Nur der UN-Sicherheitsrat kann nach der UNO-Charta eine bewaffnete Intervention zur Sicherung des Weltfriedens beschließen, nicht aber eine sich selbst mandatierende Staatengruppe, die meint, auf diese Weise zum ius ad bellum, zum "Recht" mächtiger Staaten zur Kriegsführung, zurückkehren zu können.
"Es liegt auch kein Fall der Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten Angriff gemäß Art. 51 UNO-Charta oder Art. 42 Abs. 7 EU-Vertrag vor", erklärte der Staatsrechtsprofessor Martin Kutscha, Mitglied im HU-Vorstand. "Terrorismus ist kein bewaffneter Angriff durch einen anderen Staat, sondern ein Fall schwerster Kriminalität, für deren Bekämpfung und Aufklärung die Polizeien, nicht aber die Streitkräfte zuständig sind. Das wussten die deutschen Politiker zu Zeiten der 'Roten Armee Fraktion' (RAF) noch sehr genau. Durch die Erklärung der Terroraktionen zum internationalen Bündnisfall wird die Mörderbande des selbst ernannten IS zu einem Staatswesen geadelt, was dessen Anführer durchaus erfreuen dürfte." Zur "Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus" sei gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a Grundgesetz immer noch das Bundeskriminalamt zuständig, und nicht die Bundeswehr.
Unterbrechung von Finanzströmen und Waffenzufuhr notwendig
Nicht wenige Militärs und Politiker haben berechtigte Zweifel an einer erfolgreichen militärischen Zerschlagung des IS. Anstatt sich auf Militäreinsätze zu fixieren, sind politisch-diplomatische Lösungen zur Beilegung des syrischen Bürgerkrieges anzustreben. Die multilateralen Verhandlungen in Wien über einen Waffenstillstand in Syrien sind ein erster Anfang. Dort muss die Bundesregierung darauf dringen, den IS endlich zu isolieren – indem Finanzströme, Waffenzufuhr und die heimliche Hilfe durch Anrainer-Staaten unterbunden werden.
Zur Terrorbekämpfung gehören ferner präventive innenpolitische Maßnahmen, die den Zulauf zum IS verhindern. Nötig ist die bessere soziale Versorgung und Integration von Jugendlichen aus Migrantenfamilien, die nicht weiter in ghettoartigen Wohnvierteln der Arbeits- und Perspektivlosigkeit überlassen werden dürfen. Der "Krieg gegen Terror" ist jedenfalls der falsche Weg und im Übrigen ein Instrument, dass nicht zuletzt durch die zahlreichen Opfer unter der Zivilbevölkerung den Terroristen neuen Zulauf verschaffen wird. Die Beispiele Afghanistan und Irak bieten hierfür genügend Anschauungsmaterial. Es ist an der Zeit, endlich aus diesen Fehlern zu lernen!
Pressemitteilung der Humanistischen Union
7 Kommentare
Kommentare
Bernd Scherf am Permanenter Link
Die empfohlenen Maßnahmen mögen durchaus sinnvoll sein, sie wirken aber nur langfristig und begleitend. Auf den Einsatz militärischer Mittel wird man nicht verzichten können.
Harald Stickl am Permanenter Link
Doch, wir können auf militärische Mittel verzichten. Die Fragen lauten doch eher: wollen wir auf militärische Mittel verzichten? Wollen wir ein Ende der gewaltsamen Konfliktaustragung?
Hans Müller am Permanenter Link
Militärische Mittel, auf die man angeblich nicht verzichten kann, haben, wie die Vergangenheit (Iran, Irak, Afganistan, Lybien, usw.) zeigte, Probleme nicht gelöst, sondern verschärft.
Philo am Permanenter Link
Wann und wo immer Menschen zur Sprache der Gewalt greifen, versagen sie intellektuell!
Mangelerscheinungen wiederum bräuchte es - dank des technologischen Fortschritts - seit Jahrzehnten nicht mehr zu geben.
Und dennoch leiden unvorstellbar viele Menschen unter unsäglicher Armut - verursacht durch Werttheorien, die alles andere, als schlüssig begründbar sind.
Daher weiß ich leicht zu begründen, warum ständig Terror aufkommen muss, denn immerhin werden solche Bewegungen auch angestoßen und deute darin einzig ein Notwehr-Verhalten.
Aber weder Gewinner, noch Verlierer des internationalen Wirtschaftsspiels scheinen begreifen zu wollen, dass sie allesamt um völlig irrige Ideen kämpfen, nämlich um Wertevorstellungen, für die es in der Natur keinerlei Entsprechungen gibt.
Sie sind daher von quasi-religiöser Natur, dazu ich 2 besonders irrige Beispiele erwähnen möchte:
- Gold wird auf Grund dessen Eigenschaften als besonders wertvoll aufgefasst.
Darum wird dieses Material entsprechend behandelt, was im Konkreten bedeutet, es zu sammeln, in bestimmte Formen zu bringen und schließlich in Tresoren zu horten bzw. wegzusperren.
Dort liegt es dann ebenso ruhend, wie ursprünglich in der Erde, als es noch von niemandem gefunden wurde.
Soweit der übliche Blick aufs Gold und die damit verbundenen Werttheorien, zumal keine vereinheitlichte und dauerhaft gültige Axiomatik zur Wertbemessung dieses Materials entwickelt wurde.
Zweites Beispiel:
Nachdem nun das meiste Gold gehortet wurde und überwiegend in Tresoren ruht, waren kluge Leute darum bemüht, dessen Wert zu definieren und per Geldwährungen zu "bescheinigen".
Man sprach stets von "Goldgedeckten Währungen".
Diese wurden jedoch gekappt, sodass heutige Geldwährungen nicht mehr mit Gold gedeckt sind.
Also blieb der Glaube übrig, das Geld >an sich< habe einen Eigenwert, ganz so, wie Gold seinen Eigenwert hat.
Aber genau das haben bunt bedruckte Papierzettel eben nicht, darum sich die Geldidee zu einer Religion entwickelte.
Und genau von diesem Papier-Wert-Glauben wurden sämtliche noch so geringe menschliche Regungen abhängig gemacht.
Letzten Sonntag erlaubte ich mir ein Experiment mit etwa 10jährige Kinder zu machen, indem ich ihnen eine Geschichte in 2 Variationen erzählte, danach ich sie fragte, welche dieser zwei Versionen ihnen vernünftiger erscheint.
Ich erzählte, dass sich ein junger Mann und eine junge Frau ineinander verliebten, darum sie heiraten und viele Kinder haben wollen.
Aber sie lebten in einer Welt, darin man ohne Geld nichts tun kann - so sich nicht beruflich bilden, sich nicht gut ernähren und sonstwie versorgen kann.
Zwar bekamen die beiden ein bisschen Geld aus der Staatskasse, damit sie nicht verhungern müssen, jedoch kann ihnen auch dieses bisschen Geld verweigert werden, wenn sie nicht tun, was bestimmte Leute von ihnen verlangen - also nicht gänzlich hörig sind.
Und so kam es, dass die Beiden es sich nicht leisten konnten, eine Familie zu gründen, die frei von Ängsten glücklich leben und entwickeln kann.
Nun dieselbe Geschichte ein wenig anders:
Ein junges Paar hat sich gefunden und beschlossen, eine Familie zu gründen.
Da es aber kein Wirtschaftssystem gab, teilten sich die Menschen alles, was sie erarbeiteten.
Denn dort gilt die Regel: Wenn es etwas zu tun gibt, dann tun wir das einfach, somit es dann da bzw. erledigt ist.
Sie bauten also dem jungen Paar ein Haus nach bestem Können, so wie alle Menschen dort nach ihrem besten Können handeln.
Das Paar heiratete schließlich und sie bekamen 3 Kinder, die jetzt schon sehr genau wissen, dass wenn der Mensch etwas braucht, es einfach nur zu tun braucht - ohne Handel, ohne Konkurrenzkämpfe, ohne bürokratische Aufwendungen, wie sie in Geldsystemen üblich sind u.v.m., darum sie auch keine Ängste kennen, wie wir sie haben.
Darum meine Frage an euch: Welche der beiden Geschichten erscheint euch vernünftiger zu sein, sodass wenn ihr die Welt frei gestalten könntet, diese dann funktionieren sollte?
Und siehe da, die Antwort war klar wie eindeutig, womit sich diese Kinder im kritisch rationalen Denken ungleich beeindruckender bewährten, als alle Politiker und sonstige Streithähne der Welt zusammengenaommen.
In den Statuten eines Religionsforums las ich mal, dass man den dortigen Glaubenden nicht zu sagen brauche, sie seien verrückt, denn dies wüssten sie bereits.
Nun bin ich mir am überlegen, den Leuten dort zu erklären, warum sie nicht wirklich wissen können, wie verrückt sie tatsächlich sind, zumal sie viel zu verrückt sind, um das zu verstehen.
Und nichts anderes beweisen Menschen seit Jahrtausenden, darum sie sich noch immer bekriegen - somit also intellektuell versagen.
Thomas Heinz am Permanenter Link
Das Eingreifen des "Westens", insbesondere der USA, Großbritannien und Frankreich hat bereits dazu geführt, dass das Shah-Regime im Iran installiert wurde, im Irak zunächst Saddam Hussein an die Macht kam un
In allen Fällen der militärischen Interventionen haben die eingreifenden West-Staaten immer Gründe gefunden, um die UNO-Charta zu umgehen und bewaffnete Intervention zur Sicherung des Weltfriedens zu begründen. Nicht allzu lange ist es her, dass die Ober-Christ G. W. Bush mit seinen Schergen dies vorgemacht hat.
Was also sollte diese Länder heute davon abhalten?
Ist es ein religiöser Krieg - im Namen des Christentums -? Oder spielen ökonomische Gründe ein wesentliche Rolle?
Ich meine, von allem etwas!
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
Ich empfinde es nicht als sinnvoll den dogmatisch motivierten totalitären Bestrebungen der IS mit ebenso dogmatisch motiviertem Pazifismus zu begegnen.
Sicher ist auch für mich Krieg nicht das Mittel der ersten Wahl. Dennoch verspielt, wer sich als dogmatischer Pazifist outet seine Verhandlungsposition, so es dann überhaupt zu Verhandlungen kommt. Denn an den Verhandlungstisch kommen die involvierten Partien doch letztlich nur aus dem Kalkül, dass es geringere Kosten haben wird einen Kompromiss einzugehen des es auszukämpfen. Der dogmatische Pazifist kann die Kosten einer gewaltsamen Austragung des Konfliktes nicht als "Argument" ins Spiel bringen und verliert daher von vornherein. Während der dogmatische Religiöse der sich in Verteidung der Interessen seines Gottes als im Besitz der einzig richtigen Lesart seines religiösen Buches wähnt, sich konsequenterweise sowieso nicht ermächtigt sieht einen Kompromiss der vom vermeintlichen Willen Gottes abweicht einzugehen.
Die Krux an der Sache ist, dass Gott aller Erwartung nach leider auch auf Einladung nicht zu den Verhandlungsterminen erscheinen wird um sich selbst zu äußern. Wäre er es doch der anders als der religiöse Mensch einzig legitimiert wäre einem Kompromiss zuzustimmen.
Neben der Frage der Verteidigung nach Anschlägen auf westliche Staaten stellt sich doch auch die Frage ob man die Menschenverachtenden Umgangsformen (Hinrichtungen, Menschenhandel, Vergewaltigung, Zwangsbeschneidung von Frauen) des IS als Humanist der ein Interesse an der Reduzierung von menschlichem Leid hat einfach so hinnehmen kann. Ich denke nein.
Michael Fischer am Permanenter Link
Ich empfehle diese arte-Doku: http://www.arte.tv/guide/de/058299-000/eingekesselt-der-einsame-kampf-der-peschmerga