DÜSSELDORF. (ek) "Evolution macht Schule" - unter diesem Motto erlebten die Dritt- und Viertklässler der Theodor-Heuss-Schule in Düsseldorf am vergangenen Donnerstag eine Unterrichtsstunde der ganz besonderen Art: Gemeinsam mit ihren Lehrerinnen sowie mit Stadtdirektor Burkhard Hintzsche, Filmemacherin Ricarda Hinz, Buchautor Michael Schmidt-Salomon und Künstler Jacques Tilly sahen sie sich in der Schulaula einen Film zur Evolutionsgeschichte an. Der knapp 20-minütige Streifen "Big Family - Die phantastische Reise in die Vergangenheit" ist Teil der Evokids-Lehrmaterialien.
Im Rahmen der Veranstaltung übergab Michael Schmidt-Salomon, der zusammen mit dem Gießener Biologiedidaktiker Dittmar Graf das Evokids-Projekt leitet, 100 "Big Family"-Bücher und -Filme an das Schuldezernat der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt, die damit alle Düsseldorfer Grund- und Förderschulen versorgen wird. Stadtdirektor Burkhard Hintzsche zeigte sich von dem Projekt begeistert:
Die Evolutionstheorie ist eine wichtige Grundlage eines modernen Weltbildes. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Thema bereits in Grundschulen in den Lehrplan aufgenommen wird. Auch vor dem Hintergrund des aktuellen Zuzugs von Flüchtlingen und deren Kindern kann das bereits frühzeitige Einbinden der Evolutionsgeschichte in den kindlichen (Schul-)alltag sehr nützlich sein. Wenn man davon ausgeht, dass Nationen, Völker und Religionen alle denselben Ursprung haben, führt das zu der Erkenntnis, dass die Menschen untereinander sehr viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben. Ich finde, diese Idee stellt eine wunderbare niedrigschwellige Basis für Integration und Miteinander her, und halte sie aus diesem Grund für absolut unterstützenswert.(Pressemitteilung des Düsseldorfer Rathauses.)
Überwältigende Mehrheit für Evolutionsunterricht
Die Westdeutsche Zeitung (WZ), die in ihrer Printausgabe über die Veranstaltung in Düsseldorf berichtete (siehe auch den Artikel der Rheinischen Post), startete eine Online-Umfrage zu der Frage "Wollen Sie, dass Evolutionslehre schon in der Grundschule vermittelt wird?", bei der 97 Prozent der Leserinnen und Leser meinten: "Ja, Dritt- und Viertklässler sind in der Lage, die Grundlagen zu verstehen". Nur 3 Prozent entschieden sich für die gegenteilige Option: "Nein, das ist überflüssig und Stoff für weiterführende Schulen".
"Natürlich sind solche Onlineumfragen nicht repräsentativ", erklärte dazu Michael Schmidt-Salomon im Namen der Evokids-Verantwortlichen:
Aber das deutliche Ergebnis spiegelt recht gut die Reaktionen wieder, die wir auf das Evokids-Unterrichtsmaterial bisher erhalten haben. Auch auf der Didacta in Köln stießen wir auf unerwartet positive Resonanz. Als besonders bemerkenswert empfand ich dabei, dass sich neben Sachkunde-Lehrerinnen und Lehrer vor allem auch Religionslehrerinnen und -lehrer für unser Unterrichtsmaterial interessierten.
Unterstützung für Evolutionsunterricht auch von religiöser Seite
Schmidt-Salomon wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Evolutionsunterricht "keine Frage von Glauben oder Nichtglauben" sei. So würden auch aufgeklärte Gläubige wie der Religionswissenschaftler und "praktizierende Christ" Michael Blume für das Evokids-Projekt eintreten. Blume habe auf Scilogs.de zu Recht dargelegt, dass "kundige Vertreterinnen und Vertreter der Religionen" dafür plädieren, "die Erkenntnisse der Wissenschaften schon in der Grundschule zugänglich zu machen" - nicht zuletzt auch, um fundamentalistischen Lesarten des Glaubens entgegenzutreten.
"Das Bewusstsein dafür, dass die Evolutionstheorie möglichst frühzeitig in der Schule vermittelt werden sollte, ist mittlerweile vorhanden", bilanzierte Schmidt-Salomon:
Nun ist es an der Zeit, dass die Bildungsminister der Länder die notwendigen Schritte ergreifen. Die außergewöhnliche Schulstunde in der Düsseldorfer Theodor-Heuss-Schule hat jedenfalls gezeigt, dass Kinder großen Spaß daran haben, sich mit dem Thema Evolution zu beschäftigen. Und wir freuen uns sehr darüber, dass über das Schuldezernat der Stadt in Bälde auch die Schülerinnen und Schüler der anderen Düsseldorfer Grund- und Förderschulen Gelegenheit haben werden, die faszinierende Geschichte unserer evolutionären Herkunft im Unterricht kennenzulernen.
Pressemitteilung des Evokids-Projektes
5 Kommentare
Kommentare
Alfred Farkas am Permanenter Link
Gestatten Sie mir folgende Polemik:
Was bitte schön ist unter "aufgeklärten Gläubigen" zu verstehen? Es klingt wie: "ein bißchen schwanger". ... Wenn einer in Jesus von Nazareth einen Gott sieht, nicht aber an die "drei Geheimnisse von Fátima" glaubt? Ist ein solcher Zeitgenosse aufgekärt?
Mit Verlaub: Das Wort von "aufgeklärten Gläubigen" ist gemeinhin eine Verhöhnung der Aufklärung, eine Beleidigung all derer, die im Hinblick auf ihr aufklärerisches Engagement einst ihr Leben riskierten (und nicht selten ließen).
A. F.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ein faszinierendes Projekt, dem ich allen Erfolg wünsche. Aber was sind "aufgeklärte Gläubige"? So etwas wie Hallenfreibad oder ein bisschen schwanger?
Kay Krause am Permanenter Link
Mir ist es absolut unbegreiflich, dass "Evolution" nicht schon seit Jahrzehnten zum ganz normalen Schulunterricht gehört, dass Eltern noch dazu befragt werden müssen, ob ihnen das bitteschön eventuell recht
Religionsunterricht in öffentlichen Schulen widerspricht dem demokratischen Gedanken des Grundgesetzes, somit sind darüberhinaus geschlossene (dem Grundgesetz widersprechende) Vereinbarungen zwischen Staat und Kirchen ungesetzlich. Allenfalls könnte Religionsgeschichts-Unterricht stattfinden, denn Religion ist ein Teil unserer Historie. Aber diesen wiederum könnte man (eben weil es Historie ist) in den ganz normalen Geschichtsunterricht einfließen lassen.
Kinder und Jugendliche sollen in der Schule nicht lernen, an etwas imaginäres zu glauben, sondern sie sollen sich soviel wie möglich WISSEN aneignen. Evolution wird ein ständiges Weiterforschen bleiben, basiert aber auf WISSEN! Religion ist keine Wissenschaft.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Unsinn: Religionsunterricht ist (als EINZIGES Fach!) in den öffentlichen Schulen ordentliches Lehrfach (GG Art 7, 3); in z.B. Bremen ist das anders.
So, und jetzt setzen und nochmal von vorn.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Das große Risiko des Evo-Kids-Projektes besteht in der Vereinnahmung durch die Gläubigen und Kirchen (s. M. Blume).
An den Grundschulen unterrichten sehr selten Naturwissenschaftler, sondern meist Theologen und Pädagogen mit kirchlichem Hintergrund, die die Evolution in ihrem Sinne – als gottgewollt – interpretieren.
Es ist daher davon auszugehen, dass viele Lehrkräfte den Spagat versuchen und Glaubensinhalte und Evolution in Einklang bringen werden wollen. Was die Eltern wollen, hat die Kirchen noch nie interessiert.
Ob dies im Sinne der Aufklärung ist, wird sich zeigen.