OBERWESEL. (gbs) "Um dem Terror entgegenzuwirken, darf man sich nicht darauf beschränken, Terroristen zu bekämpfen, sondern muss mit sehr viel größerer Entschlossenheit der Ideologie entgegentreten, die sie zu ihren Taten motiviert." Dies erklärte GBS-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon am Montagmorgen nach dem verheerenden Anschlag eines islamistischen Einzeltäters auf den bei Schwulen und Lesben beliebten "Pulse"-Club in Orlando.
Der Attentäter Omar Mateen, der in der Nacht zum Montag 49 Menschen erschoss und 53 teils schwer verletzte, hatte in direktem Zusammenhang mit dem Blutbad einen Treueeid auf Abu Bakr al-Baghdadi, den Anführer der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS), abgelegt. Auch wenn Mateen vermutlich auf eigene Faust handelte, folgte er mit seiner Tat einer unmissverständlichen Anweisung des IS. Denn erst vor drei Wochen hatte IS-Sprecher Abu Muhammad al-Adnani in einer Audiobotschaft verkündet: "Wisst, dass wir eure Angriffe auf sogenannte 'Zivilisten' noch mehr lieben, weil sie effektiver sind. Weil sie mehr Schmerz und Schaden verursachen und weil sie abschrecken. Also, macht weiter, ihr Monotheisten überall. Es könnte sein, dass ihr eine große Belohnung oder sogar den Märtyrertod im Ramadan findet" (siehe die Analyse von Christoph Sydow auf Spiegel-Online).
Schmidt-Salomon unterstützte in seiner Stellungnahme die Position des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland (LSVD), der in seiner Reaktion auf den Anschlag geschrieben hatte: "Die Antwort einer freien und demokratischen Gesellschaft auf solche terroristische Anschläge heißt: Nicht vom Hass anstecken lassen, sondern gemeinsam Zusammenstehen gegen den Hass! Dazu muss man den Hass, in diesem Fall die Homophobie und Transphobie, aber auch beim Namen nennen. Es gilt gemeinsam, für gleiche Rechte, gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegenseitigen Respekt zu streiten und jeder Ideologie der Ungleichwertigkeit entgegenzutreten. Denn diese führt in letzter Konsequenz immer wieder zu Gewalt und tödlichem Hass."
Der GBS-Sprecher appelierte an die deutschen Politiker, nicht in den "alten Beschwichtigungsjargon" zu verfallen und zu behaupten, dass der "islamistische Terror nichts mit dem Islam" zu tun habe. Eine solche Leugnung offensichtlicher Probleme führe nur zu einer weiteren Radikalisierung sogenannter "Islamkritiker", die "mit halben Wahrheiten ganze Erfolge erzielen". Eine nüchterne Analyse zeige, "dass sich die heutigen Extremisten zur Legitimation ihrer Taten nicht bloß auf Autoren berufen können, die als besonders radikal oder fundamentalistisch gelten, sondern auch auf Rechtsgelehrte, die gemeinhin dem Mainstream des Islam zugerechnet werden." Nur wenn dieses Problem klar erkannt werde, könne man ihm entgegenwirken. So sollte die Politik "humanistische Lesarten des Islam, wie sie etwa von dem Münsteraner Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide vorgetragen werden, sehr viel stärker fördern und den Machtspielraum konservativer Islamverbände, die bei genauerer Betrachtung ebenfalls von einer 'Ideologie der Ungleichwertigkeit' geprägt sind, deutlich beschränken."
Pressemitteilung der Giordano Bruno Stiftung
12 Kommentare
Kommentare
Oliver Tausend am Permanenter Link
Mit fast allem einverstanden...nur mit dem Bezug auf Mouhanad Khorchide nicht.
malte am Permanenter Link
Mich überzeugt die Islam-Interpretation von Khorchide überhaupt nicht - man muss eine Menge ignorieren und verbiegen, um aus dem Islam eine kuschelige Religion der Barmherzigkeit zu machen.
Man muss sich einfach vor Augen führen, wie tief die religiöse Identität bei vielen sitzt und wie schwer es fällt, diese aufzugeben. Zu sagen "ich bin kein Muslim mehr" bedeutet ja letztlich, sich einzugestehen, dass man sein ganzes bisheriges Leben der falschen Sache gewidmet hat. Und die Familie und die Freunde auch. Ein solcher Schritt verlangt eine Menge Selbstkritik und Mut, und dazu sind viele leider nicht bereit. Da fällt es eben leichter, sich den Islam à la Khorchide schönzufärben.
Will sagen: Wenn sie schon unbedingt an der islamischen Identität festhalten wollen, dann ist es mir lieber, Muslime nehmen sich Khorchide oder Mansour zu Vorbild als Erdogan oder Pierre Vogel.
little Louis am Permanenter Link
Zu malte und:
".... Zu sagen "ich bin kein Muslim mehr" bedeutet ja letztlich, sich einzugestehen, dass man sein ganzes bisheriges Leben der falschen Sache gewidmet hat. ...
Mag (psychologisch) schon so sein. Aber die Fähigkeit bzw Unfähigkeit zu einem solchen Eingeständnis ist eben gerade das , was einen Untertanen einer Theokratie von einem Bürger einer liberalen Demokratie unterscheiden sollte.
Und übrigens: Mafia- Aussteiger, Scientologie- Aussteiger, Pädophilie- Aussteiger, Drogen- Missbrauchs- Aussteiger, gewissenlos korrupte Politiker und Banker, .......... haben ein sehr ähnliches Problem.
Haben wir mit diesen auch so viel Mitleid?
Ein sehr großes Problem ist allerdings auch, dass sogar unser Staat es zulässt ,dass jeder (kleine) Mensch, der von Muslimen gezeugt wurde und von seinen Eltern so benannt wird, auch hier offiziell als solcher behandelt wird.
Er kann noch nicht mal "austreten", da auch offiziell so getan wird, als sei "Muslim" eine genetische Eigenschaft.
Oliver Tausend am Permanenter Link
Sehr richtig, deswegen "ist" ja auch niemand katholisch, evangelisch, muslimisch etc., außer vielleicht diejenigen, die irgendwann bewusst zu einer Glaubensrichtung konvertiert haben, meist im Erwachsenenalt
Die Aussage "ein muslimisches Kind" ist Quatsch. Richtig ist "Kind muslimischer Eltern", wobei sich die Eltern ihren Glauben in der Regel auch nicht bewusst ausgesucht haben. Besonders pervers finde ich die christliche Säuglingstaufe, in meinen Augen Kindesmisshandlung.
Da wird ein unschuldiges Menschlein einem perversen Ritual unterzogen, von dem sich es sich später - offiziell zumindest in den Augen der Kirchen - nicht mehr lösen kann. Man kann zwar aus der Kirche austreten, man kann sich aber nicht enttaufen lassen.
malte am Permanenter Link
Den Vergleich mit dem Drogen-Entzug finde ich sehr passend, schon der olle Marx nannte die Religion ja "das Opium des Volkes".
Oliver Tausend am Permanenter Link
Klar, wenn mehr Muslime so wären wie Khorchide, hätten wir weniger islamische Terroristen. Letzten Endes bleibt es aber intellektuell unredlich, was er von sich gibt.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
So sehr ich ebenfalls für die Förderung der humanistischen Lesart inhumaner Religionen bin - und gerade Prof.
Er war ein Einzeltäter, der nach dem aktuellen Erkenntnisstand ohne direkten Auftrag handelte. Stattdessen hat ihn wohl der Anblick küssender Männer vor kurzem derart aufgestachelt, dass sein kulturell verankertes "Homoodium" aufbrach.
Ich selbst habe in Ägypten erlebt, wie scharf dort die Grenze zwischen den üblichen, sehr intimen Umarmungen muslimischer Männer mit angedeuteten Bruderküssen und dem Verdacht, homosexuell zu sein, gezogen wird. Die Lippen müssen nah an die Wange des Begrüßten, aber auf keinen Fall berühren. Das Ganze trug hin und wieder paranoide Züge.
In diesem Klima kann kein entspannter Umgang zwischen Menschen egal welchen Geschlechts entstehen.
Es wäre zu begrüßen, wenn tatsächlich durch entschlossenes politisches Handeln ein angstfreier zwischenmenschlicher Umgang mit allen Mitmenschen propagiert würde. Wenn das Verweigern des Händeschüttelns, das Verbot öffentlichen Küssens/Umarmens deutlich gebrandmarkt wird und als genauso privat angesehen wird, wie Religion selbst, mögen Ressentiments nach und nach aussterben.
Dies betrifft selbstverständlich nicht nur Muslime. Alle ideologisch Verblendeten müssen lernen, die Intimsphäre jedes Mitmenschen zu respektieren - auch wenn sie den eigenen Bedürfnissen zuwiderläuft. Wir müssen lernen, entspannt wegzuschauen, wenn uns etwas nicht gefällt, anstatt darauf zu drängen, die anderen hätten sich dem eigenen Geschmack anzupassen - selbst wenn man als Legislative eine vermeintliche "göttliche" Instanz anzuführen weiß.
Das ist die Toleranz, die Gläubige gerne von gottlos Glücklichen für ihren Glauben einfordern. Doch dieser Respekt der anderen Lebensart gegenüber kann nur von unten wachsen: Durch Aufklärung in der Schule über die fatalen und oft letalen Konsequenzen engstirnigen religiösen Eifers. Im Sexualkundeunterricht durch Aufklärung über Spielarten der Sexualität und über die Freiheiten, wie diese ausgelebt werden können - inklusive deren rechtsstaatlichen Grenzen.
Nur so sind furchtbare und sinnlose Gewaltakte wie in Orlando zu verhindern. Islamhass beseitigt keinen Schwulenhass. Aber ein offener und schonungsloser Umgang mit den Problemfeldern aller Religionen kann das feindselige Denken verringern - der streng reglementierte Besitz von Schusswaffen in Privatbesitz könnte den verbleibenden Rest ungefährlich machen.
Wenn das Licht der Vernunft auf Orlandos Tränen trifft, kann der Regenbogen wieder leuchten. Das sollte er auch dann noch, wenn die Tränen längst getrocknet sind.
Rainer Bolz am Permanenter Link
Ähnliches wünscht sich auch der Politologe Abdel-Samad.
Gleichzeitig müssen alle Religionen in den privaten Käfig. Streichung aller staatlichen Unterstützungen, allerdings mit begleitender Aufklärung in den Schulen, Universitäten, öffentliche Medien.
In wenigen Generationen wäre der Aberglaube, wo er hingehört - auf dem Müllhaufen der Geschichte.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Nochmals mit MSS (zit. sinngemäß Karl Popper): Lasst falsche Ideen sterben, bevor Menschen für falsche Ideen sterben.
Ein lobens- und lebenswerter Ansatz!
Wolfgang am Permanenter Link
Religionen beeinflussen immer wieder den Frieden und so wird es auch bleiben. Und ein Gott schützt nie.
Thomas GBS Hamburg am Permanenter Link
Der Aussage von Michael und den Kommentaren ist natürlich beizupflichten.
Also muss man daraus wohl schließen, dass es ein Interesse an diesem Terror seitens des Staates und seiner Institutionen gibt.
http://www.nytimes.com/2016/06/08/us/fbi-isis-terrorism-stings.html?_r=2
http://www.nachdenkseiten.de/?p=33786#h01
https://deutsch.rt.com/nordamerika/38891-orlando-warum-fbi-keine-echten/
Der Artikel New York Times hat in deutschen Medien keinerlei Aufmerksamkeit gefunden. Man kann also auch daraus schließen, dass es in Deutschland kein Interesse daran gibt, derartige Ungeheuerlichkeiten bekannt werden zu lassen.
Einzig bei den Nachdenkseiten und auf RT Deutsch wurde darüber berichtet, ansonsten Schweigen im deutschen Blätterwald.
Bei aller berechtigter Religionskritik die ich zum größten Teil teile, sollten diese Informationen auch zu denken geben...
little Louis am Permanenter Link
Zu "New York Times"
Danke für diesen Hinweis. Er scheint mir (selbst/gerade) auch in diesen Forum besonders wichtig.
Und nur nebenbei und zur Vorbeugung gegen allzu einfältige oder raffinierteVerschwörungs- Verteufler:
Ja,es gibt falche Verschwörungstheorien. ABER:
Es gibt (historisch und soziologisch nachweislich ) auch
reale Verschwörungen.
Der Wert einer Theorie bemisst sich nach ihrer logischen Konsistenz ,dem Realitätsgehalt ihrer Prämissen und Ihrer Beweisbarkeit/Falsifizierbarkeit.
Also :
Die bloße Etikettierung (einer Behauptung/Theorie) als Verschwörungstheorie ist keine Widerlegung derselben.
Vielen dient die Erwähnung/ Verteufelung dieses Begriffes zur Inkraftsetzung eines Denkverbots beim Rezipienten.