Peter Wohlleben über das "Seelenleben" der Tiere

Keine dumpfen Bioroboter mit genetischem Code

BONN. (hpd) Der als Buchautor und Fernsehgast bekannt gewordene Förster Peter Wohlleben legt in "Das Seelenleben der Tiere. Liebe, Trauer, Mitgefühl – erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt" gut verständlich und locker geschriebene Berichte über die Glücks- und Leidensfähigkeit von Tieren vor. Deutlich wird dabei, dass sie nicht dumpfe Bioroboter mit genetischem Code sind und demnach die Notwendigkeit eines anderen Umgangs mit ihnen besteht.

Der bedeutende rationalistische Philosoph René Descartes war im 17. Jahrhundert noch der Auffassung, dass Tiere bloße Automaten ohne Gefühle seien. Jeder Hunde- oder Katzenbesitzer dürfte über diese Sicht mehr als nur schmunzeln. Gleichwohl ist die Auffassung, wonach Tiere empfindungs- und leidensfähige Lebewesen sind, immer noch nicht weiter verbreitet. Ansonsten würde es nicht ein so hohes Ausmaß an Massentierhaltung und einen so geringen Anteil von Vegetariern geben. Dass Tiere ein ausgeprägtes Gefühlsleben haben, ist in der Forschung schon lange Konsens, allerdings nicht unbedingt in der breiteren Öffentlichkeit. Daran will der studierte Forstwirt Peter Wohlleben, der einen umweltfreundlichen Forstbetrieb in der Eifel leitet, etwas ändern. Sein Buch "Das Seelenleben der Terie. Liebe, Trauer, Mitgefühl – erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt" macht dies ohne Natur- und Tierromantik deutlich. Zwar berichtet Wohlleben auch von persönlichen Erfahrungen, kann diese aber mit zahlreichen Forschungsergebnissen belegen.

Bereits im Vorwort heißt es: "Je öfter und je genauer ich hinsah, desto mehr vermeintlich ausschließlich menschliche Emotionen entdeckte ich bei unseren Haustieren und ihren wilden Verwandten im Wald. Und damit stehe ich nicht allein. Imme mehr Forscher gelangen zu der Erkenntnis, dass viele Tierarten Gemeinsamkeiten mit uns teilen" (S. 8). Und genau dies wollen die 40 Kapitel des Buches mit fast 240 Seiten veranschaulichen. Dabei handelt es sich jeweils nur um wenige Seiten, die zu einem bestimmten Thema anhand von Fallbeispielen und Forschungsergebnissen einschlägige Informationen liefern. Es geht um Altruismus und Angst, Betrug und Mitgefühl, Mut und Reue, Scham und Schmerz, Trauer und Treue. All diese Einstellungen und Gefühle sind eben nicht nur dem Menschen eigen, sondern lassen sich auch bei den Tieren finden. Es handelt sich bei ihnen eben nicht um bloße dumpfe Bioroboter mit einem festen genetischen Code, der ihre Handlungen und Verhaltensweisen leitet. Das Gegenteil macht die Fülle von Beispielen deutlich:

Da geht es um Eichhörnchen, die ihre Mutterliebe veranschaulichen, Hähne, die ihre Hennen belügen, Hirschkühe, die ihre Kinder betrauern, Krähen, die Spaß haben, Pferde, die sich für ihr Verhalten schämen, Schweine, die auf einen Namen reagieren. Gerade über die Letztgenannten besteht ein Zerrbild: Sie sind intelligent und sozial. Die Alltagsformulierung von der "dummen Sau" könnte nicht falscher sein. Warum kursiert aber ein ganz anderes Bild von diesen Tieren? Wohlleben antwortet: "Ich vermute, es hängt mit der Verwendung von Schweinefleisch zusammen. Wenn jedem klar wäre, was für ein Wesen er da auf dem Teller hat, dann würde vielen der Appetit vergehen" (S. 43). Wie intelligent etwa Schweine sind, macht der Spiegeltest deutlich. Demnach können sich Schweine nicht nur selbst im Spiegel erkennen, sie nehmen darin gezeigtes Futter auch durch ihr räumliches Vorstellungsvermögen wahr. Binnen weniger Sekunden finden sie ihr Ziel. Derartige Geschichten, mal anrührend, mal erschreckend, mal erstaunlich ziehen sich durch das ganze Buch.

Wohlleben hat damit ein mit leichter Hand geschriebenes Werk vorgelegt. Es informiert ebenso kompetent wie packend über die Glücks- und Leidensfähigkeit der Tiere. Dabei lässt der Autor auch nicht die – aus menschlicher Sicht bestehenden – Schattenseiten von deren Verhalten aus. Ein Einwand gegen seine Sicht könnte darin bestehen, dass einzelne Handlungen durch die menschliche Brille fehlgedeutet werden. So mag ein Hund, der aufgeregt hochspringt, nicht unbedingt seine Freude über seinen Besitzer, sondern vielleicht nur die Erwartung von Nahrung zum Ausdruck bringen. Ganz allgemein gilt außerdem, dass die Forschung noch nicht genau die Gründe für das Verhalten der Tiere benennen kann. Auch besteht das Problem, menschliche Kategorien wie "Altruismus" oder "Gerechtigkeitsempfinden" auf Tiere zu übertragen. Indessen handelt es sich ja auch um abstrakte Kategorien im menschlichen Verständnis. Aber unabhängig davon, macht das Buch beeindruckend auf die Notwendigkeit eines anderen Umgangs mit Tieren aufmerksam.

Peter Wohlleben, Das Seelenleben der Tiere. Liebe, Trauer, Mitgefühl – erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt (Ludwig-Verlag), 239 S., ISBN 978-3-453-28082-3, 19,99 Euro