Notizen aus Polen

Politik in der Urlaubszeit

Die Sommermonate sind an der Weichsel ziemlich reich an wichtigen politischen und gesellschaftlichen Ereignissen. Zuerst der NATO Gipfel. Dabei wird der Beschluss über die Stärkung der s.g. NATO-Ostflanke weltweit das wichtigste politische Ergebnis dieses Treffen werden. Doch die größten Schlagzeilen in der hiesigen Presse und in den Internetforen hat die Rede des amerikanischen Präsidenten verursacht.

Barak Obama hat den polnischen Präsidenten zurechtgewiesen. Für Amerikaner sind die demokratische Grundwerte und Menschenrechte von größter Bedeutung und sie erwarten dessen Achtung von seinen Verbündeten; die NATO sei nicht nur ein Militärpakt, sondern auch eine Gemeinschaft, in der diese Werte sehr wichtig sind.

In den Hauptnachrichten des staatlichen Fernsehens wurden die Worte Obamas jedoch völlig verzerrt. Die amerikanische Botschaft in Warschau musste sie deshalb wortwörtlich zitieren und eine korrekte Übersetzung ins Polnisch veröffentlichen.

Der Papst in Polen

Kaum waren die NATO-Gäste weggefahren, kam der nächster berühmte Gast nach Polen: Papst Franziskus. Der Hauptanlass seines Besuches waren die Weltjugendtage in Krakau. Die Jugend aus unzähligen Länder der Welt nahm enthusiastisch die Worte des Kirchenoberhaupts entgegen; wenig Gehör hingegen erhielt der Papst jedoch in Regierungs- und in Bischofspalästen. Denn der Papst ermahnte die rechtsnationale Regierung, dass das übermäßiges Machtstreben stets von Übel sei.

Er erteilte auch den polnischen Katholiken, die eine Aufnahme von Flüchtlingen ablehnen, eine Lehrstunde in Sachen Humanität: sich dem Nächsten hinzugeben sei wahrhaft christlich. Das Hauptmotto des päpstlichen Besuches war misericordia – Barmherzigkeit. "Misericordia" hieß dann auch das Hauptcampus, in dem sich die Jungen versammelt hatten. Doch was wird von der Barmherzigkeit für Flüchtlinge nach der Abreise des Papstes bleiben?

Bei einem Treffen des Papstes mit den Bischöfen verlange Franziskus von diesen, endlich damit aufzuhören, für die heiligen Sakramente von den Gläubigen Geld zu verlangen. Einer der rechtsgesinnten Journalisten hat dem Papst später widersprochen: Was könne der Mann aus dem am anderen Ende der Welt liegenden Argentinien schon von polnischen Angelegenheiten verstehen?

Feierlichkeiten zum Jahrestag des Warschauer Aufstands

Kaum ist das Flugzeug des Papstes vom Krakauer Flugplatz Richtung Rom gestartet, ertönten am 1. September um 17:00 Uhr in ganz Warschau die Alarmsirenen: Vor genau 72 Jahren ist der Warschauer Aufstand ausgebrochen. Es gab auch in diesem Jahr zahlreiche Feierlichkeiten: Auf dem Warschauer Militär-Friedhof, im Museum und vor dem Denkmal des Warschauer Aufstandes sowie in anderen zahlreichen Gedenkstätten. Dabei waren auch (mit jedem Jahr immer weniger werdende) noch lebende Aufständische. Den Feierlichkeiten waren für Aufständische unangenehmen "Verhandlungen" vorausgegangen. Es ging um den "Appell der Gefallenen". (siehe auch: "Geschichte wird im Juni gemacht"

Schon bei den Veranstaltungen zu Ehre und zur Erinnerung der im Juni 1956 in Posen und im Juni 1976 in Radom erschossenen streikenden Arbeitern gab es Streit um den Inhalt des Appells. Verteidigungsminister Macierewicz verlangte, dass auch die Opfer der Flugzeugkatastrophe beim Smoleńsk benannt werden sollten. Das Gleiche wollte er auch jetzt. Die Aufständischen waren dagegen, weil im Aufstand die Kämpfer als Soldaten im Krieg gefallen und bei Smoleńsk die Insassen des Flugzeugs in einer Katastrophe ums Leben gekommen sind. Die "Verhandlungen" mit den vom Minister ernannten Vertreter der Aufständischen endeten mit dem Kompromiss, dass anstatt "Appell der Gefallenen" ein "Appell der Erinnerung" vorgelesen wird und die wichtigsten Opfer der Smoleńsker Katastrophe darin genannt werden.

Am Rande dieser Ereignisse hat Präsident Andrzej Duda das am 22. Juli vom Parlament verabschiedete Gesetz zur "Reparatur" des Verfassungsgerichts unterzeichnet. Das ist ein weiterer Versuch, das Tribunal abzuschalten. Die Stellungnahme der "Venedig-Kommission" des Europarats und der EU sowie großer Teile der juristischen Fachwelt Polens war für das Staatsoberhaupt nicht wichtig. Für ihn ist der Wunsch bzw. der Befehl des PiS-Parteichefs, Jarosław Kaczyński, das einzige Kriterium, die einzige Richtlinie seines Handelns.

Polen hat noch einen Monat Sommerferien vor sich. Was erwartet uns noch? Einige Journalisten und politische Kommentaroren meinen, dass jetzt die neuen Polizei- Überwachungs- und Antiterrorismusgesetze vollständig angewendet werden, aber nicht gegen Terroristen sondern gegen die Opposition. Es kommen keine weitere hochkarätige Gäste nach Polen, die die Regierung mahnen könnten.