Transhumanismus

Paradiesische Heilsversprechen hinterfragen

BERLIN. (hpd) Die Diskussionen um die Fortschritte in den Biowissenschaften, die bis zur Jahrtausendwende hauptsächlich im engeren bio- und medizinethischen Bereich, sowie in der Technikfolgenabschätzung geführt wurde, weiteten sich im Zuge der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Juni 2000 zu einer umfassenden gesellschaftlichen Debatte aus. Seither streiten Wissenschaft, Philosophie und Politik über die möglichen Folgen und die ethische Legitimität der technologisch-biologischen “Optimierung” des Menschen.

Eine Gruppe, die den technischen Fortschritt und seine Folgen beinah ausnahmslos befürwortet, ist der Transhumanismus. Dieser strebt eine Überwindung des Humanismus und damit einhergehend eine Transzendierung des Menschen bzw. Menschseins an. Alternativ beschreibt der Transhumanismus sein Programm als eine “Optimierung” des Menschen qua Technologie. Der Transhumane ist ein “‘transitional human’, someone who by virtue of their technology usage, cultural values, and lifestyle constitutes an evolutionary link to the coming era of posthumanity” (Esfandiary, 1970) bzw. verweist der Begriff nach einer neueren Definition auf “transitional beings, or moderately enhanced humans” (Nick Bostrom, 2003).

Neben der “Perfektionierung” des Menschen ist die Steigerung von Glück und Zufriedenheit ein erklärtes Ziel des Transhumanismus. Der Transhumanismus verheißt ein langes Leben, körperliche Gesundheit und Schmerzfreiheit (dem entspricht: die Eliminierung von Erbkrankheiten und die Befreiung von der Notwendigkeit des Gebärens). Der Mensch soll durch seine biologisch-technische Optimierung dem Ziel eines “guten” und “glücklichen Lebens” näher kommen bzw. es erreichen.

Mit diesen “Glücksversprechen” steht der Transhumanismus in der Tradition uralter Menschheitsträume, die Glück, Vollkommenheit und Gottähnlichkeit zum Ziel haben. So schrieb beispielsweise bereits Nietzsche: “Wenn es Götter gäbe, wie hielte ich’s aus, kein Gott zu sein!”. Und auch Luther meinte: “Kein Mensch kann von Natur aus wollen, dass Gott Gott sei; vielmehr wollte er [wenn er nur könnte!], dass er selbst Gott sei und Gott nicht Gott.” Das “Transzendierende” des Transhumanismus bedeutet in diesem Kontext folglich weniger die Überwindung eines humanistischen Menschenbildes als dessen Überbietung: “We humans do not want to play god or to be god. We aspire to much more.” (Esfandiary, 1973).

Ein recht eigentümliches Verständnis von Begriffen

Zugleich lässt sich feststellen, dass sich der Transhumanismus durch ein recht eigentümliches Verständnis der Begriffe “Glück”, “gutes Leben” und “Vollkommenheit” auszeichnet, insofern er diese rein biologisch begreift. Die im Transhumanismus anvisierte – und teils normativ geforderte - “Verbesserung des Menschen”, die zu einer Steigerung des menschlichen Glücks führen soll, kann lediglich durch “Enhancement-Technologien”, wie Erbgutverbesserung qua Keimbahntherapie, Implantierung von Computerchips und Nanorobotern am Körper/Gehirn etc., erzielt werden. Glücklich ist, wer genetisch optimiert ist. Dieses Verständnis ist höchst fragwürdig. Es ist mehr als zweifelhaft, dass das menschliche Wohlbefinden und Glück allein von Faktoren wie einer guten DNA und einer langen Lebensdauer abhängig sind. Transhumanisten täten an dieser Stelle gut daran, sich einmal auf die eigentliche Bedeutung des “guten Lebens” zu besinnen. Diese besteht nämlich in dem Begriff der Lebenskunst und somit in der Aufgabe, sein Leben zu führen und zu gestalten. Das “gute Leben” hat damit einen genuin ethischen Wert. Ebenso könnte man die Transhumanisten gemahnen: “Jedes willentliche Streben nach Glück muss sein Ziel zwangsläufig verfehlen.” (Sextus Empiricus). Der Transhumanismus, so ließe sich vermuten, verfolgt das “Glück” der Menschheit zu verbissen, um es letztlich auch erreichen zu können.

Trotz seiner paradiesischen Heilsversprechen wird der Transhumanismus von seinen Kritiker häufig als bedrohlich empfunden, so kursiert er in der Öffentlichkeit u.a. als die “gefährlichste Idee der Welt” (Francis Fukuyama, 2004). Bedrohlich mögen die ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen des transhumanistischen Projektes erscheinen. Denn wer kann sich die technologischen Instrumente, die uns zu einem “Transhumanen” transzendieren würden, schon leisten? Die Wenigsten. Somit kann der Transhumanismus auch als ein Projekt verstanden werden, das – bei seiner Realisierung – auf kurz oder lang die gesellschaftliche Schneise verschärfen würde. Es sei an dieser Stelle an die Filmdystopie “Gattaca” (Andrew Niccol, 1997) erinnert, die die Spaltung der Gesellschaft in genetisch opimierte “valids” und genetisch naturbelassene “invalids” darstellt. Ein Szenario, das man sich vielleicht gerne auf dem Bildschirm anschaut, das man aber ungern in der Realität erleben würde, da es einer unbehaglichen Zweiklassengesellschaft den Boden ebnen würde.

Kritik an althergebrachten Kategorien ist dennoch notwendig

Man muss dem Transhumanismus jedoch zugutehalten, dass eine Kritik an althergebrachten humanistischen Kategorien im Angesicht des Wandels der Zeit angebracht und auch notwendig ist. Seit der “French Theory”, die mit Foucault den “Tod des Subjekts” postulierte und andere humanistische Grundannahme dekonstruierte, muss sich ein Humanismus, um zeitgemäß zu sein, selbst hinterfragen. In diesem Sinn könnte der Transhumanismus – verstanden als Kritik an humanistischen Grundwerten und -überzeugungen – von Nutzen sein.