Zur Rede des Innenministers

Müssen wir uns wirklich mehr mit Religionen beschäftigen?

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) stellte in einer Grundsatzrede beim Zukunftskongress Migration und Integration in Berlin fest, dass die Rolle der Religionen bei der Integration unterschätzt worden ist.

Richtig ist, wenn de Maiziere darauf hinweist, dass viele Menschen kaum noch wissen, was Hintergründe und Inhalte der Religionen sind. "Können wir genau erklären, was der Sinn von kirchlichen Feiertagen ist und warum wir in Deutschland davon so viele haben?", "Kennen wir den Unterschied zwischen Katholizismus und Protestantismus?" Auch über die Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten gäbe es viel zu lernen, so der Innenminister.

Doch weshalb? Um den Gegenüber, den vermeintlich Fremden, besser zu verstehen? Oder um ihn zu missionieren?

Korrekt ist auch, wenn de Maiziere sagt, dass in Deutschland keiner religiös werden müsse oder in die Kirche gehen, wenn er das nicht wolle. Und sicherlich sind Kenntnisse über den christlichen Glauben und Tradition sowie über andere Religionen sinnvoll und wichtig. Das jedoch dann eher aus einer kulturhistorischen Sicht – und nicht als Maßstab für eine Wertediskussion. Was dabei herauskommt zeigen die Entscheidungen des Bundestages in Sachen "Knabenbeschneidung" und Sterbehilfe.

Denn letztlich läuft auch des Innenministers gut anzuhörende Rede darauf hinaus, Unterschiede zu zementieren: Wir und die anderen (die wir kennen sollten). Das wird deutlich, wenn er davon spricht, dass Zuwanderer häufig einen starken Glauben haben und ihre Religion höher bewerten als die Gesetze des Landes, in das sie einwandern oder in dem sie Schutz suchen.

Dieser Tatsache sollte man sich keinesfalls verschießen. Doch stellt sich die Frage, ob es nicht dringlicher wäre, den Neuankömmlingen die Rechtslage in Deutschland zu erklären als darüber nachzudenken, ihren Glauben zu verstehen um ihn eventuell nicht zu verletzen?

Weshalb soll man sich mit den Unterschieden der Religionen auseinandersetzen, wenn es doch besser wäre, sie zu begrenzen und ihnen Macht zu entziehen. Die politische und die über Menschen.

Wenn der Innenminister den Muslimen, die bereits im Land leben, die Verantwortung für die Neuankömmlinge übergibt, stiehlt sich der Staat aus seiner Pflicht, über die Gesetze des Landes aufzuklären. Die Idee des Innenministers würde die Abgrenzung eher verstärken denn aufweichen.

Das weiß er sogar selbst; schafft es aber nicht, über seinen eigenen (religiösen) Schatten zu springen: Er fragt sich und seine Zuhörer, ob jeder Migrant, der Arbeit hat, die Landessprache spricht und gesetzestreu ist, automatisch auch integriert sei. Nein, antwortet er sich selbst: Es gebe trotzdem viele Migranten, die unter sich blieben und damit nicht in die deutsche Gesellschaft integriert seien. Dass daran unter anderem auch das Gefühl der religiösen Zusammengehörigkeit Schuld ist, entgeht dem Minister allerdings.

Noch einmal: Eine Einteilung der Menschen in religiöse Gruppen dient nie dem Zusammenhalt der Gesellschaft, dient nicht der Integration. Im Gegenteil.