Das türkische Bildungsministerium kündigte an, dass die Evolutionstheorie aus den gymnasialen Lehrplänen gestrichen werden soll. Damit setzt sich eine wissenschaftsfeindliche Politik der AKP-Regierung um Präsident Recep Tayyip Erdoğan fort.
Wie die österreichische Tageszeitung "Der Kurier" berichtet, soll die Evolutionstheorie in Zukunft aus den gymnasialen Lehrplänen gestrichen werden. Dieser Vorschlag des türkischen Bildungsministers soll im Rahmen eines Maßnahmenpakets womöglich schon ab Februar in Kraft treten. Darunter befindet auch die Forderung, dass "Säkularismus", "Atheismus" und "Wiedergeburt" in Religionsbüchern als "problematische Überzeugungen" und als "Krankheiten" eingestuft werden sollen.
Schon länger stellt sich die religiös-autoritäre AKP-Regierung gegen säkulare und wissenschaftliche Positionen, die mit der islamischen Lehre nicht zu vereinbaren sind. Sie sorgte dafür, dass zunehmend kreationistische Inhalte im Bildungssystem verankert wurden und sperrte den Zugang zu religionskritischen Internetseiten. 2008 wurde beispielsweise auf Betreiben des Kreationisten Adnan Oktar der Zugriff auf die Webseite des Evolutionsbiologen Richard Dawkins gesperrt.
In der Vergangenheit hatten türkische Wissenschaftler vergeblich vor den Folgen dieser Wissenschaftsfeindlichkeit gewarnt. So befürchtete der Regierungskritiker Kerem Cankocak einen bildungspolitischen Rückschritt um Jahrhunderte: "Demnächst müssen wir auch noch unterrichten, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Ohne rationale Wissenschaft kann dieses Land nicht existieren. Sonst landen wir im Mittelalter. Es wird von Tag zu Tag schlimmer", so Cankocak 2012 laut dem Deutschlandfunk.
Um der Wissenschaftsfeindlichkeit entgegenzutreten und türkischsprachigen Kindern einen Einblick in die Evolutionstheorie zu geben, hat das Evokids-Projekt des Instituts für Biologie-Didaktik an der Universität Gießen und der Giordano-Bruno-Stiftung jüngst eine türkische Fassung des Lehrfilms "Big Family – Die phantastische Reise in die Vergangenheit" veröffentlicht. "Es ist ein besonderes Geschenk für den türkischen Präsidenten Erdoğan. Allerdings ist davon auszugehen, dass er sich darüber nicht allzu sehr freuen wird. Denn seine Macht beruht nicht zuletzt auf dem Bildungsnotstand, der insbesondere in den ländlichen Regionen der Türkei vorherrscht", erklärte Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung.
11 Kommentare
Kommentare
Stefan Dewald am Permanenter Link
Und wieder weniger Mitbewerber im globalen Markt.
Rainer Bolz am Permanenter Link
Erdogan streicht die Evolutionstheorie in den Lehrplänen, - wir streichen unsere Urlaubstage im Erdowahn Land.
Damals hatte ich noch den Eindruck, diese Türkei passt zu Europa.
Mit Erdogan und seinen Millionen Kopftüchern geht das nicht!!!
Kay Krause am Permanenter Link
Moin Rainer Bolz! Ihre Idee halte ich für eine logisch richtige Folgerung. Allerdings ist die Frage: bringt das etwas, wenn die deutschen Urlauber zukünftig die Türkei meiden?
Es ist überhaupt erstaunlich, wozu die vom Volk bezahlten Polizisten in manchen Ländern bereit sind: Der Herr befiehlt "Hau auf das Volk drauf!" und der Polizist haut auf das Volk drauf, und das nur, weil es nach Meinung des "Herrn" die falsche Denkweise hat. Das ist doch alles sehr mittelalterlich. Inquisition und Hexenverbrennung lassen grüßen!
Liebe rechtsrandlastige Wähler, macht nur weiter so: wenn die AfD an die Macht kommt, werden wir in Deutschland wieder ähnliche Verhältnisse haben wie ab 1933 und wie heute in der Türkei. Und ich werde einer der Ersten sein, der von irgendeinem Polizisten, für dessen Lebensunterhalt ich sorge, eins über den Schädel gezogen bekomme!
Immer daran denken: auch der schnauzbärtige östreichische Anstreicher ist demokratisch gewählt worden! (Ich glaube, die nationale Abstammung darf man hier erwähnen, er war ja schließlich kein Schwarzer, sondern ein Brauner. Auch Herr Obama ist genaugenommen ein Brauner, wird aber "Schwarzer" genannt, und dann darf man das nicht sagen. Wer soll sich da noch auskennen?)
Rainer Bolz am Permanenter Link
Moin,Moin Kay,
Heilige Kriege wird es in Europa so schnell nicht geben, Wirtschaftskriege sind viel effizienter. Fliegen Sie mal nach Kuba, in 40 Jahren ist Erdogan mit seinen Vasallen vielleicht in vergleichbarer Situation.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Das ist dermaßen abenteuerlich, dass ein Gedanke an fake news hochkommt.
Die studierenden Menschen sind die Leidtragenden.
Dieter Bauer am Permanenter Link
"Damit setzt sich eine wissenschaftsfeindliche Politik der AKP-Regierung um Präsident Recep Tayyip Erdoğan fort."
... auf dass das Geschäftsmodell Religion zukunftssicherer werde? ......
Noncredist am Permanenter Link
>> Schon länger stellt sich die religiös-autoritäre AKP-Regierung gegen säkulare und wissenschaftliche Positionen, die mit der islamischen Lehre nicht zu vereinbaren sind. <<
Der Countdown läuft.
Ich warte auf die ersten hochgebildeten Theologen, welche großmäul... äh ... voller Stolz erzählen, dass hier eine Religion "missbraucht" wurde. Das man einen Glauben "entgegen der Wahrheit" benutzt hat. Oder etwas ähnliches.
Ich prophezeie schonmal: niemals... NIEMALS... ist eine Religion "gut" oder "richtig" benutzt worden, wenn dabei Menschen nach humanistischer Vorstellung leiden mussten. Immer wenn eine wahrlich humane Handlung getan wurde, konnte sie bekanntlichermaßen "nur mit der Religion" ausgeübt werden. Und somit ist das, was nun in der Türkei geschieht, "nicht religiös" geprägt. Zumindest nicht "wahrlich". Das werden unsere oder andere "hochgebildete" Theologen und Apologeten in absehbarer Zeit behaupten.
Es ist wahrlich unglaublich, dass ein kreationistischer und unwissenschaftlicher Laberkopp die Bildung und damit das Wissen eines Landes zurück in die Steinzeit positionieren möchte. Danke für das Evokids-Projekt. Zumindest ein Hauch von Wissen. Auch wenn sie von der Regierung möglicherweise als "Terrorismus" eingestuft und vernichtet werden könnte :(
Markus Schiele am Permanenter Link
Das Ganze ist nichts weiter als das Zugeständnis, dass der Islam nicht mit der Wirklichkeit kompatibel ist - und zu schwach, um auf dem FREIEN Markt der Ideen gegen die Evolutionslehre bestehen zu können.
Wolfgang am Permanenter Link
Wenn die Kirchen in Deutschland könnten, wie sie möchten, wäre das herzallerliebste Jesulein auch wieder an erster Stelle. Zum Glück haben wir aber Bildung und Wissenschaft und die kommt nicht von den Kirchen!
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege: Gibt es in kath. und ev. Kindergärten kein Jesulein und sprechende Schlange? Ich denke schon...
Wolfgang am Permanenter Link
Ja, aber in den Kindergärten macht ein Jesus nichts, er hängt immer noch bewegungslos am Kreuz und bei uns bleibt Evolution im Lehrplan und die setzt sich durch.