Bertelsmann Studie: Populistische Einstellungen sind bei deutschen Wählern nicht mehrheitsfähig

Populismus in Deutschland

Gestern wurde der Öffentlichkeit eine Studie der Bertelsmann-Stiftung vorgestellt, in der untersucht wird, wie populistisch die Wahlberechtigten in Deutschland eingestellt sind. Weiterhin wurde gefragt, welche Auswirkungen das das Wahlverhalten und den Parteienwettbewerb vor der Bundestagswahl 2017 hat.

Die mediale Reaktion auf die Vorstellung der Studie war gemischt: Während zum Beispiel ZEIT-online titelt: "Ein Drittel der Deutschen vertritt populistische Positionen" schreibt die FAZ "Keine Chance für Populisten in Deutschland".

Tatsächlich haben in der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap (im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung) knapp 30 Prozent der Wahlberechtigten angegeben, populistisch eingestellt zu sein. Dabei jedoch wäre der Populismus (im Vergleich z.B. mit dem der USA) eher moderat und keinesfalls radikal. Eine Mehrheit von 36,9 Prozent lehnt jeden Populismus ab während 33,9 Prozent populistische Ideen teilweise zustimmen.

Populismus in Deutschland
Populismus in Deutschland
Grafik: hpd unter Verwendung der Zahlen von Infratest dimap/Bertelsmann-Stiftung

In einer gestern veröffentlichten Presseerklärung der Bertelsmann-Stiftung wird der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Aart De Geus, mit den Worten zitiert: "Von einer 'Stunde der Populisten' ist das politische Klima vor der Bundestagswahl weit entfernt." Dr. Robert Vehrkamp, einer der Verfasser der Studie, riet den etablierten Parteien, darauf zu verzichten, "im Wahlkampf populistischen Extrempositionen hinterherzulaufen."

Die Studie "Die Stunde der Populisten? Populistische Einstellungen bei Wählern und Nichtwählern vor der Bundestagswahl 2017" basiert auf einer Online-Panel-Umfrage unter wahlberechtigten Deutschen. Für die Studie interviewte infratest dimap in drei Befragungswellen zwischen Juli 2015 und März 2017 jeweils mehr als 1.600 Wahlberechtigte zu ihren politischen Einstellungen. Die Umfrage ist repräsentativ für die deutsche wahlberechtigte Bevölkerung, die zum Zeitpunkt der Bundestagswahl 2013 wahlberechtigt war. Als populistisch eingestellt gelten laut Studie Personen, die sich auf Grundlage eines Fragebogens vollständig zu insgesamt acht verschiedenen anti-pluralistischen, anti-Establishment- und pro-Volkssouveränität-Aussagen bekennen, mit denen Populismus empirisch gemessen wird.

Mit der Studie konnte auch ein bisher nur vermuteter Zusammenhang deutlich dargestellt werden: "Je geringer der formale Bildungsstand und je niedriger das Einkommen, desto weiter verbreitet sind populistische Einstellungen. Bei Personen, die maximal über einen Hauptschulabschluss und ein durchschnittliches Monatseinkommen unterhalb von 1.500 Euro verfügen, sind populistische Einstellungen am stärksten ausgeprägt."

Deckblatt der Studie
Deckblatt der Studie

Als Populismus werten die Forscher drei wesentliche Aspekte: Feindseligkeit gegenüber dem Establishment, der Glaube, dass "das Volk" eine grundsätzlich homogene Gruppe sei und die Überzeugung, politische Führung sollte direkter Ausdruck des öffentlichen Willens sein. 

Bei der offiziellen Vorstellung der Ergebnisse in Berlin sagte Dr. Robert Vehrkamp, dass "populistisch eingestellte Menschen … in Deutschland vor allem enttäuschte Demokraten (sind), aber keine Feinde der Demokratie." Das unterscheidet sie von Populisten, wie sie in den USA mit Trump an die Macht kamen. Während Trump an die Macht kam, weil er die Entmachtung der politischen Eliten forderte, haben die Forscher festgestellt, "dass ein politischer Kandidat bei der Bundestagswahl, der die Entmachtung der politischen Elite fordern würde, nicht nur deutlich an Zustimmung bei den Menschen verlieren würde, die unpopulistisch eingestellt sind, sondern auch bei den Menschen, die populistisch eingestellt sind."

Erstaunlich ist, das Zustimmung zu populistischen Ideen in der Wählerschaft aller Parteien zu finden ist. Als die am wenigsten populistischen Parteien werden CDU/CSU und die Grünen genannt. Selbst die Linke war in ihrer Kritik am Establishment nicht besonders radikal. Die große Ausnahme bildet die rechtspopulistische AfD mit ihrer beinahe monothematischen Ausrichtung gegen Flüchtlinge. Interessanterweise stellte die Studie fest, dass AfD-Mitglieder und Wähler kein großes Interesse mehr an der EU haben, obwohl die Kritik daran zur Gründung der Partei führte.

Populismus in Deutschland
Populismus in Deutschland
Grafik: hpd unter Verwendung der Zahlen von Infratest dimap/Bertelsmann-Stiftung


Die komplette Studie ist online verfügbar.