Am 27. September 2017 meldete Russland, dass die letzte Chemiewaffe vernichtet sei. Einst war Russland der größte Chemiewaffenbesitzer der Welt. Insgesamt rund 40.000 Tonnen toxischer Chemikalien, die dazu bestimmt waren, Menschen einen schrecklichen Tod sterben zu lassen, wurden in den letzten 20 Jahren vernichtet.
Dieser Erfolg wurde in der letzten Woche unter anderem auch von der "Organisation für das Verbot chemischer Waffen" in Den Haag gefeiert. Generaldirektor Ahmet Üzümcü der 2013 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Organisation gratulierte zu diesem bemerkenswerten Erfolg und dankte allen, die über die Jahre daran mitgewirkt hatten. Auch Deutschland hatte drei russische Chemiewaffen-Vernichtungsanlagen wesentlich mitfinanziert.
Nach 25-jährigen Verhandlungen war die Chemiewaffenkonvention im Jahr 1997 in Kraft getretenen. Heute sind außer Nordkorea, Südsudan, Israel und Ägypten alle Staaten der Erde Vertragsstaaten der Chemiewaffenkonvention. Im Vertrag haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, unter keinen Umständen jemals chemische Waffen zu entwickeln, herzustellen oder einzusetzen. Die vorhandenen Bestände sollten umweltfreundlich vernichtet werden.
Von den ursprünglich acht "Besitzerstaaten" verbleiben jetzt noch zwei, die über gemeldete Bestände an Chemiewaffen verfügen: der Irak und die Vereinigten Staaten. Doch auch die Chemiewaffen dieser Staaten sind versiegelt und unter Kontrolle internationaler Inspekteure, somit nicht mehr einsetzbar. Auch diese Chemiewaffen werden in den kommenden Jahren unter Aufsicht vernichtet. Das wichtigste Ergebnis der Chemiewaffenvernichtung ist jedoch, dass sie zeigt, militärische Abrüstung unter strenger internationaler Kontrolle ist grundsätzlich möglich.
Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass gemäß Artikel VI eines ganz anderen Vertrages, des seit 1970 in Kraft befindlichen Atomwaffensperrvertrages, jede Vertragspartei verpflichtet ist, "in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen ... über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle".
Deutschland ist seit 1975 Vertragsstaat dieses Atomwaffensperrvertrages. Das heißt, wenn die Vereinigten Staaten seit der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar dieses Jahres darauf drängen, die Militärausgaben der NATO-Staaten auf 2% des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen, dann steht das im krassen Widerspruch zu den Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag. Alle NATO-Staaten seit Jahrzehnten Mitglied dieses Vertrages. Alle haben deshalb ab- statt aufzurüsten.
In Analogie zur Chemiewaffenkonvention wurde außerdem durch ein Bündnis von Nichtregierungsorganisationen eine Nuklearwaffenkonvention entwickelt und im Juli 2017 den Staaten zur Unterschrift unterbreitet. Für diese Initiative erhielt die Anti-Atomwaffen-Kampagne ICAN in diesem Jahr den Friedensnobelpreis.
Nuklearwaffenverbot weit wichtiger als Chemiewaffenkonvention
Diese Konvention vermutlich weit wichtiger als die Chemiewaffenkonvention, denn Atomwaffen sind in ihrer Wirkung weit zerstörerischer als Chemiewaffen. Neben Herstellung und Besitz verbietet diese Konvention zusätzlich die Drohung des Einsatzes von Atomwaffen. Mehr als 50 Staaten haben sie inzwischen unterzeichnet. Deutschland verweigerte leider seine Zustimmung, so wie alle Atomwaffen- und alle NATO-Staaten sie bislang verweigerten.
Ein Kabarettist erklärte das neulich so: Die Nuklearwaffenkonvention sei wie ein Vertrag der Hasen darüber, dass sie, die Hasen, ab sofort von den Füchsen nicht mehr gefressen werden dürfen. Und da wir, Deutschland, als Hase, ja einen großen Fuchs gefunden haben (die USA), der uns angeblich(!) vor den anderen Füchsen schütze, treten wir lieber – ziemlich hasenfüßig – diesem Vertrag nicht bei, in der Hoffnung, dass uns das schützt. Würde es uns nicht besser schützen, so frage ich nun, wir würden alle Füchse zu Vegetariern umerziehen?
Es ist schon merkwürdig: Wir sind zwar inzwischen alle davon überzeugt, dass wir die Folgen einer zivilen Nuklearkatastrophe, eines Super-GAU nicht beherrschen und sind deshalb aus der zivilen Nutzung der Kernenergie ausgestiegen. Aber wenn es um die militärische Nutzung der Kernenergie geht, deren einziger Zweck die großflächige Zerstörung und Verstrahlung unseres Landes – mit der Folge seiner Unbewohnbarkeit – ist, von dem dabei entstehenden millionenfachen menschlichen Leid mal ganz abgesehen, dann soll das plötzlich alles wieder möglich sein?
Mit dem Abschluss der Vernichtung der russischen Chemiewaffen ist ein Anfang gemacht. Auch wenn die Widerstände groß sein werden, der Weg in Richtung einer allgemeinen und vollständigen Abrüstung muss weiter verfolgt werden.
2 Kommentare
Kommentare
Kay Krause am Permanenter Link
Frage 1): Wie "vernichtet" man 40.000 Tonnen Chemiewaffen? Welche Gifte entstehen bei dieser "Vernichtung" und wo bleiben diese Gifte?
Frage 3): Sollten die USA erneut in einen Krieg eingreifen oder einen solchen anzetteln (was unter dem Trump-eltier durchaus denkbar ist) und ernsthaft daran denken, ihren Chemiewaffenbestand einzusetzen, dürften dann nicht die sogenannten "Internationalen Kontrolleure" lediglich als Witzfiguren am Rande stehen und zuschauen?
Ralph Knauf am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Krause,
vielen Dank für Ihr Interesse. Sehr gern beantworte ich Ihre Fragen:
Zu 2. Syrien meldete der OVCW offiziell, dass es alle Chemiewaffen vernichtet habe. Es gibt zwar starke Indizien, die darauf hindeuten, dass es Assads Truppen waren, die mehrfach im Bürgerkrieg Chemiewaffen eingesetzt haben. Ob Syrien tatsächlich Chemiewaffen eingesetzt hat, ist bis jetzt aber immer noch eine Behauptung und von niemandem bewiesen. Assad ist mir bestimmt nicht sympathisch, aber als Humanisten sollten wir die Prinzipien des Rechtsstaates auch in den internationalen Beziehungen hochhalten. Und da heißt es noch immer: In dubio pro reo! Und solange es keine gerichtsfesten Fakten gibt, die belegen, dass es Assads Truppen waren, sollten wir uns an dubiosen Spekulationen nicht beteiligen.
Zu 3. Nein und nochmals nein. Krieg ist niemals ein Ausweg. Die Vereinigten Staaten sind außerdem als Vertragsstaat an die Chemiewaffenkonvention gebunden und dürften gar keine Chemiewaffen einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen