Der Kampf um das Waffenrecht in den USA ist eine Ersatzreligion

Beim Massaker vom 14. Februar 2018 an der Parkland-Highschool in Florida hat ein 19-jähriger Amokläufer 14 Schülerinnen und Schüler und drei Erwachsene erschossen. Doch nicht nur die 17 Ermordeten sind Opfer des schiesswütigen jungen Mannes, auch die Augenzeugen und Überlebenden leiden bis heute unter dem traumatischen Ereignis.

Ein 16-jähriger Schüler, der das Massaker miterlebte, nahm sich vor einer Woche das Leben. Kurz zuvor hatte eine 19-jährige Schülerin Suizid begangen, deren Freundin beim Amoklauf umgebracht worden war. Sie litt unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und an einem Überlebensschuld-Syndrom.

Sie hatte Schuldgefühle entwickelt, weil ihre Freundin sterben musste, während sie das Massaker überlebte. Ein Überlebender des Parkland-Massakers schrieb auf Twitter: "Wie viele Kinder müssen uns als Folge des Selbstmordes genommen werden, damit die Regierung/die Schule etwas unternimmt? Rest in peace 17 + 2".

Nach den eindrücklichen Protesten der Schülerinnen und Schüler verschärfte Florida gegen den Widerstand vieler Republikaner und der Waffenlobby NRA das Waffengesetz ein wenig. Das Mindestalter für den Erwerb einer Waffe wurde von 18 auf 21 Jahre erhöht.

Das Motto: Je mehr Waffen, desto sicherer die Schulen

Die Waffennarren hatten gefordert, die Lehrer zu bewaffnen. Frei nach dem Motto: Je mehr Waffen, desto sicherer die Schulen.

Der Kampf von NRA und Republikanern für ein beinahe uneingeschränktes Waffenrecht weist sektiererische Züge auf. Letztlich ist es ein Kampf für eine todbringende "Freiheit".

Für Hardliner ist das Waffenrecht eine Ersatzreligion. Viele Amerikaner fühlen sich ohne Waffe unsicher und ohnmächtig. Erst das Gewehr oder die Pistole macht sie zu einem ganzen Menschen. Ihr Selbstwertgefühl hängt zu einem beträchtlichen Teil von der Knarre ab. Das Schießrohr als Symbol für die Potenz. Eine Macho-Kultur.

Die Waffenfreunde glauben allen Ernstes, eine Waffe im Hosenbund erhöhe die Sicherheit der Nation. Zu diesen gehört auch die grosse Mehrheit der Evangelikalen. Sie sind bereit, auf Angreifer zu schießen, auch wenn sie noch nicht wissen, was diese im Schilde führen.

Sie realisieren in ihrer Verblendung nicht, dass sie damit christliche Werte verraten, die ihnen sonst so heilig sind. Und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis weitere Schüler Opfer eines Amokläufers werden.

Gäbe es weniger Schusswaffen, würden weniger Menschen sterben

Dabei ist die Gleichung ebenso einfach wie logisch: Gäbe es weniger Schusswaffen, würden weniger Menschen sterben.

Mit welchem Zynismus republikanische Politiker auf die Forderung der Schüler nach einem strengeren Waffengesetz reagierten, demonstrierte Elizabeth Porter.

Im Parlament von Florida verwahrte die Republikanerin sich kurz nach dem Attentat gegen die politische Einmischung der Schüler. "Machen Kinder die Gesetze?", fragte Porter. Sie verspottete somit auch die Schülerin und den Schüler, die sich später das Leben nahmen, weil sie das Trauma des Massakers nicht verarbeiten konnten.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.